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Sprache: Rechte Slogans sickern in den Alltag

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Rechte Slogans sickern in den Alltag

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    Von den sozialen Netzwerken in die öffentliche Debatte: Rechte Slogans sickern immer mehr in unseren Alltag.
    Von den sozialen Netzwerken in die öffentliche Debatte: Rechte Slogans sickern immer mehr in unseren Alltag. Foto: Bernd Wüstneck/Symbol (dpa)

    "Dreckspack", "schwarze Affen", steht da in Posts auf Facebook, und "Dachau muss wieder aufgemacht werden". Für alle sichtbar, frei zum Liken, Teilen, Übertrumpfen. Die Aussagen von Anhängern der AfD oder Pegida, das beobachtet Heidrun Kämper vom Institut für Deutsche Sprache, haben große Nähe zur NS-Sprache - und auch zur NS-Wirklichkeit. Es braucht für eine Verrohung der Sprache also keine neuen Wörter, die extremer wären als je zuvor. Und diese Verrohung macht auch nicht bei Rechtsextremen Halt.

    Offen ausgedrückter Hass nehme zu, sagt Kämper. Die Hemmschwelle sei gesunken, ganz offen die Sprache der Nationalsozialisten zu verwenden, Parolen wie "Deutschland erwache!". Sprache zu beeinflussen, auch über ihre eigenen Kreise hinaus, das gehöre zur Strategie der Rechten, erklärt Rechtsextremismus-Experte Johannes Baldauf von der Amadeu-Antonio-Stiftung. "Es ist ein Erfolg des Populismus, dass inzwischen jeder weiß, was der Kontext ist, wenn jemand das Wort "Lügenpresse" in den Mund nimmt."

    Soziale Netzwerke machen Fremdenhass öffentlich

    Dass Menschenverachtung tatsächlich in die öffentliche Sprache eindringt, sei neu, sagt Anatol Stefanowitsch, Sprachwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Bevor die sozialen Netzwerke als Kommunikationsmittel so wichtig wurden, wünschten sich auch schon manche Konzentrationslager zurück oder leugneten den Holocaust. Aber im Verborgenen meist, etwa in geschlossenen Internet-Foren.

    Noch problematischer ist: Menschen mit rechten Einstellungen, das belegt die aktuelle "Mitte"-Studie der Universität Leipzig, sind zunehmend offen dafür, Gewalt anzuwenden. Fast 20 Prozent der Befragten sagen, sie seien bereit, sich "mit körperlicher Gewalt gegen Fremde durchzusetzen". Gegen die Angstrhetorik von rechts entsteht etwa in Bayern gerade die Initiative "Mut zu Mut". Die Gruppe will den nach rechts gerückten Diskurs wieder justieren. 

    Damit dürfte sie einige Arbeit haben. Denn althergebrachte rechtsextreme Einstellungen haben zwar laut "Mitte"-Studie nicht zugenommen, Judenhass also, Überfremdungsängste, Führerfantasien oder ein verharmlosender Blick auf die NS-Vergangenheit. Es gebe aber, sagt einer der Studienautoren, mehr Aggression gegen einzelne Gruppen. Das sei gesellschaftlich akzeptierter als NS-Verherrlichung.

     "Rechte Begriffe und Slogans gehen vielen heute leichter über die Lippen, der Schrecken schwindet", sagt auch Kämper. Das liege auch daran, dass heute weniger Zeitzeugen des NS-Regimes leben als früher. Viele dieser Zeitzeugen hatten das Bewusstsein, dass sich etwas wie der Holocaust nicht wiederholen dürfe - jegliche Art von NS-Affinität war tabu. In den Generationen danach habe sich das geändert.

    Der Ton in der Asyldebatte wird ruppiger

    Dass diese Ressentiments die Sprache der etablierten Parteien mit nach rechts ziehen, glaubt Kämper nicht. "Der Ton ist vielleicht ruppiger geworden", sagt sie. "Aber mein Eindruck ist nicht, dass die demokratischen Politiker, bei Reden oder in Talkshows, in einer verrohten Sprache sprechen." 

    Ob man nun für AfD, Pegida und Co. ist oder dagegen: Über Flüchtlinge und die Parolen der Rechtspopulisten wird viel geschrieben, viel gesprochen, auch im Privaten. Das geht kaum, ohne diese Parolen zu verwenden - und sei es im Zitat. Diesem Dilemma entkommt man nicht, auch die Medien tun sich damit schwer. 

    Pegida: Vom Facebook-Protest zur zur feindseligen Bewegung

    im Oktober 2014 lud die antiislamische Pegida-Bewegung zu ihrem ersten sogenannten Abendspaziergang durch Dresden ein. Nach dem Höhepunkt rund um den Jahreswechsel und einer Skandalserie zu Jahresbeginn gehört Pegida inzwischen zum Dresdner Alltag.

    11. OKTOBER 2014: Der Dresdner Lutz Bachmann gründet eine Facebook-Gruppe mit dem Titel »Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes». Dort protestiert er gegen eine Solidaritätskundgebung für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK in Dresden am Tag davor.

    20. OKTOBER: Zum ersten »Abendspaziergang» der nun nicht mehr als Friedliche, sondern als Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes - kurz Pegida - auftretenden Gruppe kommen 350 Menschen.

    24. NOVEMBER: Erstmals kommen mehr als 5000 Menschen zu den wöchentlichen Spaziergängen, die öffentliche Wahrnehmung von Pegida steigt stark. Von nun an erhöht sich die Teilnehmerzahl der Märsche und Kundgebungen sprunghaft: Zwei Wochen später kommen schon 10.000 Teilnehmer. In vielen anderen Städten entstehen Pegida-Ableger.

    8. DEZEMBER: Auch die Pegida-Gegner verzeichnen wachsende Unterstützer. Mit 9000 Teilnehmern erreichen die seit Wochen laufenden Gegendemonstrationen in Dresden einen Höchststand. Die Proteste werden von verschiedenen Aktionen begleitet. So schaltet die Semper-Oper während der Pegida-Demonstration das Außenlicht am Gebäude ab.

    19. DEZEMBER: Pegida wird zum eingetragenen Verein. 22. DEZEMBER: Am Montag vor Weihnachten kommen 17.500 Menschen zu einem als Singen von Weihnachtsliedern bezeichneten Aufmarsch. Pegida-Unterstützer attackieren zunehmend Journalisten. Diese werden als »Lügenpresse» beschimpft - der Begriff wird später zum Unwort des Jahres.

    10. und 12. JANUAR 2015: Die Proteste und die Pegida-Märsche erreichen ihren bis heute bestehenden Höhepunkt. An einer Protestkundgebung in Dresden nehmen 35.000 Menschen teil, am Pegida-Montagsmarsch 25.000. Bundesweit protestieren in diesen Tagen deutlich über 100.000 Menschen gegen Pegida.

    18. JANUAR: Mit Pegida-Mitbegründerin Kathrin Oertel geht erstmals ein führender Kopf der Gruppe an die Öffentlichkeit, sie ist Talkgast bei »Günther Jauch».

    19. JANUAR: Wegen akuter Anschlagsgefahr wird die Pegida-Kundgebung abgesagt. Oertel und Bachmann geben zum ersten Mal eine Pressekonferenz. 21. JANUAR: Nach dem Bekanntwerden eines Fotos von ihm in Hitler-Verkleidung tritt Bachmann ab. Die Staatsanwaltschaft Dresden leitet ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung ein.

    28. JANUAR: Oertel und vier weitere führende Pegida-Köpfe ziehen sich wegen interner Querelen mit Bachmann, der sich doch nicht vollständig zurückziehen will, zurück.

    8. FEBRUAR: Oertel hält mit einer neuen Gruppe eine erste eigene Kundgebung ab, an der aber nur 500 Menschen teilnehmen. 9. FEBRUAR: Zur ersten Pegida-Kundgebung nach der Spaltung kommen nur noch 2000 Menschen.

    13. APRIL: Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders spricht auf der Kundgebung. Bachmann kündigt 30.000 Teilnehmer an - es kommen 10.000.

    6. JULI: Bachmann kündigt die Teilnahme von Pegida bei den kommenden Wahlen an. Erstmals soll die Gruppe bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2016 antreten.

    7. SEPTEMBER: Nachdem im Sommer meist um die 2000 bis 3000 Teilnehmer kamen, steigt die Teilnehmerzahl der Abendspaziergänge wieder auf 5000. In den folgenden Wochen erhöht sich die Zahl weiter.

    2. OKTOBER: Die Staatsanwaltschaft Dresden erhebt Anklage gegen Bachmann wegen Volksverhetzung. Er soll auf seiner Facebook-Seite Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber als »Gelumpe» und »Viehzeug» beschimpft haben.

    12. OKTOBER: Beim jüngsten »Abendspaziergang» zeigt ein Teilnehmer einen Galgen, der für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) bestimmt ist. Erneut ermittelt die Staatsanwaltschaft.

    17. OKTOBER: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gibt Pegida-Anhängern eine Mitverantwortung für brennende Flüchtlingsheime und Angriffe auf Flüchtlingshelfer. (afp)

    "Lügenpresse", "Volksverräter", "Überfremdung" - Wer über die eigene Sprache nachdenkt, bemerkt vielleicht an sich selbst, dass nach vielen Diskussionen über Asylpolitik solche Wörter leichter auszusprechen sind. "Wenn man sich viel damit beschäftigt, muss man ständig besonders aufmerksam sein, sich diesem Effekt zu entziehen", sagt Stefanowitsch. "Aber es steht etwas auf dem Spiel." Sich nicht zu distanzieren von herabwürdigenden Wörtern, berge die Gefahr, harmlos wirkende Muster zu übernehmen.

    Experte: Sprache verroht immer mehr

    Auch das kann Ressentiments schüren: Im Juni erhob Innenminister Thomas de Maizière (CDU) diesen nicht belegbaren Vorwurf gegen Ärzte, die Flüchtlinge untersuchen, und indirekt gegen Asylbewerber: "Es kann nicht sein, dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden." Entsprechende Zahlen gibt es nicht, musste sein Ministerium zugeben. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) ist ein Beispiel. Er bezeichnete den rechten Mob von Heidenau als "Pack". Ein verbaler Schlag als Reaktion auf ausländerfeindliche Krawalle.

    Dass de Maizère zugleich vor verrohter Sprache warnt, könnte Taktik sein. "Eine kritische Interpretation ist", sagt Stefanowitsch, "dass Politiker sich dieser Sprache bewusst bedienen, um den Diskurs nach rechts zu verschieben und die eigenen Positionen eher als Mitte erscheinen zu lassen." 

    Diese Methode hat die AfD für sich entdeckt. Jemand aus der Partei bricht ein Tabu, spricht etwa vom Schießen auf Flüchtlingskinder und nimmt es wieder zurück. Mit großem Widerhall. Nur: "Man ist für seine eigene Sprache verantwortlich", sagt Stefanowitsch. "Was einmal öffentlich gesagt ist, bleibt stehen als etwas Sagbares." Dann wirke menschenverachtende Sprache zunehmend normal. dpa

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