"Abberufung des Landtags": Frist für Volksbegehren beginnt
Ein Bündnis, das der "Querdenker"-Szene zugerechnet wird, will mit einem Volksbegehren den Bayerischen Landtag auflösen. Mindestens einer der Initiatoren wird vom Verfassungsschutz beobachtet.
Die Eintragungsfrist für ein Volksbegehren zur Auflösung des bayerischen Landtags beginnt. Die Staatsregierung verortet die Personen hinter dem Vorhaben in der sogenannten "Querdenker"-Szene. Ein Initiator, der auch schon in der Region auftrat, wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Wer genau hinter der Initiative steckt, wie das Verfahren abläuft und welche Folgen ein Erfolg hätte - das sind die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ist ein Volksbegehren?
Zum einen können Bürgerinnen und Bürger in Bayern Landesgesetze per Volksbegehren und Volksentscheid beeinflussen. Zum anderen ist, wie im aktuellen Fall, sogar auch ein Volksbegehren zur Auflösung des Landtags möglich. In beiden Fällen braucht es für den entsprechenden Antrag mindestens 25.000 Unterschriften, damit es zum nächsten Schritt kommt: Dann müssen sich für einen Erfolg des Volksbegehrens binnen zwei Wochen genügend Stimmberechtigte in Unterschriftenlisten in den Rathäusern eintragen.
Bei "normalen" Volksbegehren braucht es dann die Unterschriften von mindestens zehn Prozent aller Stimmberechtigten, bei einem Volksbegehren zur Landtags-Auflösung sogar mindestens eine Million. Wird das Quorum erreicht, kommt es zu einem Volksentscheid - alternativ kann der Landtag schon vorher von sich aus aktiv werden. Ein Volksentscheid wäre erfolgreich, wenn mehr gültige Ja- als Nein-Stimmen abgegeben würden.
Wer darf beim Volksbegehren in Bayern unterschreiben?
Stimmberechtigt sind grundsätzlich alle deutschen Staatsbürger, die mindestens 18 Jahre alt sind, seit mindestens drei Monaten ihre Wohnung oder bei mehreren Wohnungen ihre Hauptwohnung in Bayern haben oder sich sonst in Bayern gewöhnlich aufhalten. Außerdem gibt es Ausnahmen für Beamtinnen und Beamte sowie Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die unter bestimmten Voraussetzungen auch unterschreiben dürfen, wenn sie außerhalb des Freistaats wohnen.
Wann endet die Eintragungsfrist für das Volksbegehren "Abberufung des Landtags"?
Die Eintragungsfrist für das Volksbegehren "Abberufung des Landtags" endet am Mittwoch, 27. Oktober 2021.
Wo und wann kann man sich für das Volksbegehren eintragen?
Innerhalb der Eintragungsfrist müssen die Gemeinden die Eintragungslisten zur Unterschriftsleistung durch die Stimmberechtigten bereithalten, wie es vom Bayerischen Innenministerium heißt. Die Kommunen bestimmen jeweils Eintragungsräume und -stunden, wobei gesetzliche Mindestanforderungen gelten. Das soll sicherstellen, dass jede stimmberechtigte Person sich am Volksbegehren beteiligen kann.
Gibt es so etwas wie eine Briefwahl beim Volksbegehren in Bayern?
Nein, wer allerdings aufgrund einer Krankheit oder körperlichen Behinderung während der gesamten Eintragungszeit nicht oder nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten in der Lage ist, einen Eintragungsraum aufzusuchen, kann eine Hilfsperson mit der Eintragung beauftragen. Hierfür muss ein Eintragungsschein schriftlich bei der Wohnsitzgemeinde beantragt werden kann und der gleichzeitig die Beauftragung der Hilfsperson enthält, eidesstattlich zu versichern, dass die Voraussetzung der Krankheit oder Behinderung vorliegt. Für Eintragungswillige in bestimmten Einrichtungen wie Altenheimen und Krankenhäusern sowie in Justizvollzugsanstalten müssen laut dem Innenministerium bei Bedarf Eintragungsmöglichkeiten geschaffen werden.
Wer steckt hinter dem Volksbegehren "Abberufung des Landtags" in Bayern?
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte im Bayerischen Rundfunk erläutert, dass die Betreiber des Volksbegehrens "ganz eindeutig" aus der sogenannten "Querdenker"-Szene kämen. Und das ist die Wortwahl auf der Homepage des Bündnisses: Von einer "Diktatur der Parteien" und von "Kadavergehorsam" in den Fraktionen im Landtag ist dort die Rede. Man erlebe "Lügen als Grundlage der Politik". "Machtmissbrauch im Landtag demokratisch beenden", heißt es weiter, oder sogar: "Den Landtag aufräumen und in Zukunft regelmäßig putzen."
Besonders brisant: Der stellvertretende Beauftragte des Volksbegehrens, Karl Hilz, wird vom Landesamt für Verfassungsschutz dem neuen Sammelbeobachtungsobjekt "Sicherheitsgefährdende demokratiefeindliche Bestrebungen" zugerechnet. Im jüngsten Halbjahresbericht des Landesamts heißt es ganz speziell über Hilz unter anderem: "Mit seinem Aktivismus gegen die Corona-Schutzmaßnahmen versucht er, eine systematische Störung der Funktionsfähigkeit des Staates herbeizuführen." Unter Begehung von Rechtsverstößen rufe er beispielsweise dazu auf, Mitglieder der Regierung vor ein "Kriegsverbrechergericht" zu stellen.
Hilz trat bereits in der Region auf. Anfang des Jahres leiteten Ermittlungsbehörden beispielsweise ein Verfahren ein, weil er auf einer Versammlung den Lockdown mit einem Völkermord verglichen haben soll.
Was sagen die Verantwortlichen des Volksbegehrens "Abberufung des Landtags" dazu?
Einer der Sprecher des Volksbegehrens, Gerhard Estermann, sagt zu alledem: "Wir wollen nicht den Staat ändern oder stürzen. Es geht uns um mehr direkte Demokratie." Man wolle die Bürger "aufwecken - dass sie sich ihrer demokratischen Rechte wieder bewusst werden". Estermann räumt ein: "Die Querdenker waren eine Hilfestellung, als es darum ging, die nötigen Unterschriften für den Antrag auf das Volksbegehren zu sammeln." Ansonsten gebe es keine Einflüsse. Zudem wehre man sich auch dagegen, in eine rechte Ecke geschoben zu werden.
Was soll die Auflösung des Bayerischen Landtags überhaupt bringen?
Die Initiatoren des Volksbegehrens räumen ein, dass bei Neuwahlen auch die "alten" Abgeordneten wohl wieder antreten werden. "Es ist uns natürlich klar, dass quasi die gleichen politischen Akteure wieder in Neuwahlen gehen würden", sagt Estermann. Aber man setze dann auf "bürgernähere Politik". Die zunächst nötigen eine Million Unterschriften nennt er im Übrigen "sportlich", aber nicht utopisch.
Was sagt die Präsidentin des Bayerischen Landtags zum Volksbegehren?
Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sagt, die Bayerische Verfassung sehe die Möglichkeit eines solchen Volksbegehrens ausdrücklich vor, insofern sei dies voll und ganz zu respektieren. "Aber es ist schon absurd, zu behaupten, es gäbe keine Mitsprache des Volkes, wenn die Initiatoren sich genau dieses Mittels bedienen." Aigner betont: "Wenn jetzt einige wenige – weil ihnen die Corona-Maßnahmen nicht passen und das Parlament nicht nach ihrer Pfeife tanzt – den Landtag abberufen wollen, ist das falsch verstandene Demokratie." Demokratie bedeute auch, dass die Mehrheit am Ende entscheide. "Dagegen darf man gerne protestieren und sich politisch engagieren – aber eine Auflösung und damit Neuwahl des Landtags würde das nicht ändern."
Wie viele Volksbegehren und Volksentscheide gab es bisher in Bayern?
In Bayern wurden nach Angaben des Innenministeriums seit 1946 zum Stand 30. Juli insgesamt 21 Volksbegehren und 19 Volksentscheide durchgeführt. Die Volksentscheide wurden entweder über erfolgreiche Volksbegehren erreicht oder betrafen vom Landtag beschlossene Verfassungsänderungen, einschließlich des ersten Volksentscheids über die Annahme der Bayerischen Verfassung am 1. Dezember 1946. Elf der 21 Volksbegehren betrafen teilweise auch Verfassungsänderungen. (AZ, dpa)
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Es besagt rein gar nichts, dass jemand vom (bayerischen) Verfassungsschutz beobachtet wird. Dasselbe passierte auch damals, als die Jugend zu Zeiten von Wackersdorf gegen Atomkraftwerke protestierte. Auch zu Zeiten der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes bemühte sich der Verfassungsschutz mit der Beobachtung von Studenten, die hierzu Petitionen in den Bayerischen Landtag einbrachten, welche der bayerischen Staatsregierung und deren Lobbyisten unangenehm waren. Dabei ist zu bemerken, dass dies eben nicht, wie damals öffentlich dargestellt, nur "kommunistische Spinner" waren, sondern vernünftige, kritische und zumeist fleissige Studenten in Sorge um ihre Zukunft. CSU duldet eben keine Kritik.
Insbesondere Söder duldete keine Kritik z.B. an seinem Verkauf tausender dringend benötigter Sozialwohnungen an Parteifreunde mit dem Ziel durch Parteispenden seinen Wahlkampf zu finanzieren. Genauso wenig duldet Söder Kritik an seinen teilweise völlig überzogenen und für niemanden nachvollziehbaren Corona-Maßnahmen wie z.B. Ausgangssperren. Jeder, der auch nur die geringste Kritik äußerte, wurde als Querdenker, als Staatsfeind, als Rechtsextremist oder sogar als Nazi denunziert und unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz gestellt. Die Forderung "Söder muss weg" ist also durchaus nicht ganz unbegründet, zumal er seinen Vorgänger hinterrücks abgesägt hatte.
Und drittens sei daran erinnert, das auch die Grünen in Bayern vom Verfassungsschutz beobachtet wurden, als sie noch nicht im Bayerischen Landtag saßen.
Man kann also durchaus erkennen, dass immer dann, wenn die CSU ihre Macht in Bayern gefährdet sieht, das Instrument des Verfassungsschutzes eingesetzt wird und über die "Beobachteten" berichtet wird als handele es sich um Feinde der Verfassung.
So wurde beispielsweise auch ich kurz nach Tschernobyl wegen meiner Funktion als Vorsitzender eines Grünen Ortsverbandes vom Verfassungsschutz beobachtet und bei meinem Arbeitgeber als "Staatsfeind" denunziert mit der Folge, dass ich meinen Job verlor und meiner Bewerbung bei einem renomierten Unternehmen in Bayern plötzlich und unerwartet eine Absage erteilt wurde: "Wir wollen keine Staatsfeinde beschäftigen."
Fazit: unabhängig davon, von wem initiiert und von wem unterstützt, ist es also von demokratischer Wichtigkeit, der bayerischen CSU durch dieses Volksbegehren unmissverständlich zu zeigen, dass nicht die Staatsregierung und auch nicht die Partei der Souverän ist, sondern das Volk. Daraus folgt, dass der Landtag, die Staatsregierung und alle Behörden ausschließlich dem bayerischen Volk zu dienen haben.
Maßnahmen wie Behördenschließungen mit Terminvorgaben unter dem Vorwand Corona verbieten sich, wenn sich die Staatsregierung und die CSU endlich bewusst werden, dass Behörden Dienstleister für das Volk sind und nicht das Volk für Behörden geschaffen wurde.
>> So wurde beispielsweise auch ich kurz nach Tschernobyl wegen meiner Funktion als Vorsitzender eines Grünen Ortsverbandes vom Verfassungsschutz beobachtet und bei meinem Arbeitgeber als "Staatsfeind" denunziert mit der Folge, dass ich meinen Job verlor... <<
Da wird schon etwas mehr als nur der grüne Ortsvorsitzende gewesen sein...
Sie haben doch sicher einen Link wo eine aufrechte Zeitung wie die Süddeutsche darüber berichtet hat?
>> Jeder, der auch nur die geringste Kritik äußerte, wurde als Querdenker, als Staatsfeind, als Rechtsextremist oder sogar als Nazi denunziert und unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz gestellt. <<
Dieser Sachverhalt erscheint mir unmöglich, weil die beim Verfassungsschutz sonst etwas überarbeitet wären ;-)
Es bedeutet rein gar nichts, dass jemand vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wird.
Dazu muss man wohl mal wieder daran erinnern, dass auch zu Zeiten, als die Jugend gegen Atomkraftwerke von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht hat, die Teilnehmer vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wurden. Dasselbe passierte auch