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Wahl in Niedersachsen: Der einsame Kampf des Martin Schulz

Wahl in Niedersachsen

Der einsame Kampf des Martin Schulz

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    SPD-Chef Martin Schulz bei einem Wahlkampfauftritt in Niedersachsen.
    SPD-Chef Martin Schulz bei einem Wahlkampfauftritt in Niedersachsen. Foto: Peter Steffen, dpa (Archivbild)

    Schon einmal entschied eine Niedersachsen-Wahl, wer in der SPD das Sagen hat. Es waren damals fast glorreiche Zeiten für die Sozialdemokraten, als vor fast zwanzig Jahren der damalige Ministerpräsident Gerhard Schröder an jenem 1. März 1998 überraschend deutlich die absolute Mehrheit holte. Die SPD machte die Landtagswahl zu einer Art Volksentscheid, wer ein halbes Jahr später als Kanzlerkandidat gegen Helmut Kohl antrat: Schröder oder der damalige Parteichef Oskar Lafontaine?. Wenn am Sonntag in zehn Tagen gewählt wird, geht es in Niedersachsen auch um die Frage: Bleibt Martin Schulz Parteichef?

    Wahlkampfauftritt: Schulz kämpft für sein politisches Erbe

    So kämpfte Schulz am Mittwoch bei seinem ersten Wahlkampfauftritt – eine SPD-Großkundgebung in Cuxhaven – nicht nur für die Wiederwahl des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil, sondern auch für sein eigenes politisches Erbe. Kein SPD-Chef vor ihm kam mit hundert Prozent in das oberste Parteiamt. Kein SPD-Chef erlitt je ein schlechteres Bundestagswahlergebnis. Immerhin wird Schulz nicht als SPD-Chef mit der kürzesten Amtszeit in die Parteigeschichte eingehen: Die fünf Monate des einstigen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck hat Schulz schon hinter sich. Platzeck trat 2006 gesundheitlich schwer angeschlagen zurück, Schulz wankt nicht nur wegen der verheerenden Wahlniederlage. Mit einem zusätzlichen Tabubruch liefert er nun seinen wachsenden Kritikern in der Partei neue Munition.

    Viele Genossen, ob an der Parteispitze oder an der Basis, haben mit einer Mischung aus Unglauben und Nervenkitzel die aktuelle Titelgeschichte des Spiegel „Die Schulz- Story“ gelesen. Der Star-Reporter Markus Feldenkirchen durfte den Kanzlerkandidaten vom Gipfel des Schulz-Hypes bis zum tiefen Absturz am Wahltag mehr als 50 Tage lang aus nächster Nähe begleiten.

    "Die Schulz Story" - Schulz stellte nur eine Bedingung

    Der Text dürfe erst nach der Wahl veröffentlicht werden. Ansonsten erlaubte der SPD-Vorsitzende Reporter Feldenkirchen von vorneherein, dass er alles so schreiben dürfe, wie er es beobachtet und hört. Mit dieser Zusage brach Schulz ein politisches Tabu in Zeiten der Berliner Republik, in der Politiker in Kameras kaum mehr als sorgsam abgewogene Statements sprechen und jedes Zitat von Zeitungsinterviews schriftlich gegenchecken und „autorisieren“ wollen.

    So wurde „Die Schulz-Story“ ein wohl historisches Dokument aus dem Innersten der Parteispitze über den beispiellosen Aufstieg und Absturz eines Mannes an der Spitze der Sozialdemokraten. Und eine schnörkellose Geschichte aus dem Innersten der Trostlosigkeit. Die Leser erleben einen Martin Schulz, der sich auf der Höhe des Hypes um seine Person fühlt wie ein Willy Brandt: „Gegen die Schwarzen. Gegen die Rechten und für den Willy. So war das damals.“ Schulz fühle das Gleiche: gegen die Rechten und für Europa. „Das ist das Bauchgefühl der Jugend. Das ist eine Emotion.“ Doch in dieser Stimmung macht Schulz auch den ersten schweren Fehler: „Ich bleibe dabei: Nicht konkret werden! Da werden die Schwarzen wahnsinnig drüber, dass ich nicht konkret bin“, sagt er im März. „Da können die mir den Buckel runterrutschen.“

    Inhaltsleere des SPD-Wahlkampfes

    Später werden alle Wahlanalysen die Inhaltsleere des SPD-Wahlkampfes als einen Grund für die Niederlage ausmachen. Auch Schulz sieht das nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen so: „Das Leben ist wie eine Hühnerleiter“, kommentiert Schulz die SPD-Niederlage intern: „Beschissen.“ Er ärgert sich, dass er nach seinen angekündigten Korrekturen der Hartz-Reformen nicht doch weitere konkrete Inhalte geliefert hatte.

    Immer wieder beklagt Schulz Fehler: „Ich weiß nicht, was machen wir falsch?“ Der SPD-Mann wird immer unsicherer. Er weiß nie so recht, wie er mit seiner Gegnerin Angela Merkel als Frau umgehen soll. Selbst als er mit einem Kanzlerinnen-Double für das TV-Duell übt und auf Druck seiner Berater krampfhaft versucht, nicht aggressiv zu wirken. „Ich bin schon zufrieden, wenn ich uns nicht blamiert habe“, sagt er nach dem echten TV-Duell resigniert.

    Einblick ins Innerste des Wahlkampfs zerstört Mythos der SPD

    Schulz weicht von seiner Wahlkampf-Diät ab und ernährt sich immer öfter von Currywurst mit Pommes und Mayo. Der Mann, der als EU-Parlamentspräsident mit Staatschefs aus der ganzen Welt parlierte und Kanzler werden will, hat Mühe, sich zwischen harten Wahlauftritten ein frisches Hemd zu organisieren: Der Einblick ins Innerste des Wahlkampfs zerstört nebenbei die Reste eines Mythos der SPD, deren „Kampagnenfähigkeit“ als hochprofessionelle Wahlkampfmaschine einst beim politischen Gegner gefürchtet war. Und er liefert das Bild eines Martin Schulz, der seit der NRW-Wahl jede Hoffnung aufgab, Kanzler zu werden, obwohl er auf den Marktplätzen seinen Anhängern das Gegenteil versprach.

    Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil verteidigt Schulz für dessen Selbstzweifel: „Kein Politiker, der ehrlich mit sich selbst ist, kann behaupten, ihm seien solche Gefühle und Gedanken ganz fremd“, sagt der Wahlkämpfer und betont, Schulz werde auch nach der Niedersachsen-Wahl Parteichef bleiben. „Die Basis hängt an Martin Schulz. Er hat auch meine Unterstützung.“ Doch sehr scheint die Landes-SPD nicht auf die Zugkraft von Schulz zu bauen. Der SPD-Chef hat im Niedersachsen-Wahlkampf zwei Auftritte. CDU-Kanzlerin Merkel kommt insgesamt auf fünf.

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