Das geplante Einwanderungsgesetz gießt kein neues Öl in die Migrationsdebatte. Es zeigt, dass Deutschland seine Interessen kühl definieren muss.
Eine kompliziertere Überschrift hat es selten gegeben. „ECKPUNKTE zum kohärenten Ansatz Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten“, so lautet der Titel des Entwurfes, mit dem Bundesinnenminister Horst Seehofer doch ein bisschen Willkommenskultur praktizieren will.
Der Fokus auf Fachkräfte für die Skizze eines Einwanderungsgesetzes will vorsorglich unterstreichen: Mitten im Dauerzoff um die Einwanderungspolitik geht es nicht einfach um noch mehr Einwanderung.
Trotz der Verdruckstheit der Sprache ist dieses Papier aber ein großer Schritt – und Seehofer weiter als Bayerns Wirtschaftsminister, der erst ein Einwanderungsgesetz wollte, dann aber doch nicht.
Seehofers Schritt ist der Einsicht geschuldet, dass auch in Zeiten, da sich jeder gerne seine eigenen Fakten zurechtlegt, manche Tatsachen Tatsachen bleiben. Und eine Tatsache lautet: Deutschland braucht weitere Einwanderung, gerade von Fachkräften.
Dieser Befund ist seit Jahren theoretisch bestens belegt. Arbeitsmarktexperten rechnen damit, dass unser rasant alterndes Land schon im nächsten Jahrzehnt – selbst wenn wir Arbeitslose besser qualifizierten oder mehr Frauen arbeiteten – bis zu 400.000 ausländische Fachkräfte pro Jahr benötigt.
Deutschland braucht Zuwanderung – von Fachkräften
Es ist aber auch ganz praktisch zu sehen, in den Boomregionen Deutschlands, gerade im besonders boomenden Bayern. Wirtschaftsvertreter oder Handwerkskammern sind ja nicht aus purer Nächstenliebe zu scharfen Kritikern einer scharfen Migrationspolitik geworden – sie protestieren ganz pragmatisch, weil sie schlicht keine Auszubildenden mehr finden, von Fachkräften ganz zu schweigen. Und deshalb wollen sie junge Männer, die anpacken können, lieber in Kempten als in Kabul sehen.
Aber hat es nicht schon massive Einwanderung nach Deutschland gegeben, bis zu eine Million Menschen pro Jahr? Ja, gewiss. Doch gilt es zu unterscheiden: Hier handelt es sich um das Recht auf Asyl, nicht um kühle Interessenabwägung, wen wir am dringendsten in Deutschland brauchen. Beim weltweiten Ringen um Fachkräfte, auch aus Regionen wie Asien, Südamerika oder den USA, sind wir keineswegs die Anlaufstelle Nummer eins, die wir für Flüchtlinge sind. Zu abgeschottet wirkt nach wie vor unser Arbeitsmarkt, zu unflexibel unsere Behörden, zu nervenaufreibend die Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
Hier setzt vieles in dem Eckpunktepapier an, etwa bei der Vermittlungsrolle deutscher Botschaften, dem aktiven Werben um Facharbeiter, auch der Zuwanderung in Ausbildung.
Es geht um das Zeichen im Flüchtlingsstreit
Vieles davon bleibt hoch umstritten, daher ist nicht so bald ein fertiges Gesetz zu erwarten – etwa zur Frage, ob es wirklich ein festes Jobangebot braucht oder Menschen für die Arbeitssuche eine bestimmte Zeit einreisen dürften. Auch ein Punktesystem, wie sich verschiedene Qualifikationen gewichten ließen, ist hochkomplex.
Offen bleibt zudem, ob darunter der umstrittene „Spurwechsel“ fallen soll – also die Möglichkeit, für einen abgelehnten Asylbewerber in ein Arbeitsverhältnis zu wechseln, wenn er ein Angebot hat. Dagegen sträubt sich vor allem die Union, weil sie verhindern will, dass Menschen ohne Recht auf Asyl doch bleiben dürfen. Aber lässt sich dies durchhalten, wenn gut integrierte und motivierte – aber abgelehnte – Asylbewerber als Pflegekräfte oder Metzger Jobs übernehmen wollen, für die sich kaum noch Deutsche finden?
Auch wenn die Details dauern, es geht um das Zeichen: Dass Deutschland sich nicht blockiert im hitzigen Flüchtlingsstreit – sondern seine Interessen kühl definiert.
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Volltreffer von Gregor Peter Schmitz!
Deutschland muss seine Interessen definieren und durchsetzen. Dazu gehört ein intelligenter Mittelweg zwischen Abschottung und unkontrollierter Zuwanderung. Wir müssen unterscheiden zwischen Flüchtlingen, Asylbewerbern und der Einwanderung von Fachkräften. Zwischen Einwanderung in die Sozialsysteme und in den Arbeitsmarkt.
Im Detail mag es noch manchen Klärungsbedarf geben. Etwa beim "Spurwechsel". Hier ist im Einzelfall Pragmatismus gefragt. Grundsätzlich aber sollte man keine Signale senden, dass nicht anerkannte Flüchtlinge am Ende doch in Deutschland bleiben können. Damit würden wir unsere Position als Hauptzielland für Flüchtlinge nur noch weiter ausbauen!