Mieterschutz auf New Yorker Art
In der Stadt des Finanzkapitalismus werden die Schwächeren mit einem Preisdeckel besser vor Wucher bewahrt. In Deutschland kommt der Bau von Sozialwohnungen dagegen kaum voran
Die USA im Allgemeinen und das Welt-Finanzzentrum New York im Speziellen sind sozialistischer Experimente unverdächtig. Doch für die Metropole am Hudson River und den gleichnamigen Bundesstaat gilt jetzt eine verschärfte Mietpreisbremse. Mit ihrer Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments beseitigten die Abgeordneten die Schlupflöcher, mit denen Vermieter die Deckelung der Mieten in schöner Regelmäßigkeit umgingen. Von den 8,5 Millionen Einwohnern der Stadt können nun rund 2,4 Millionen darauf setzen, dass die Jahresmiete wie vorgesehen um maximal 1,5 Prozent steigt. Sie leben in Wohnungen, für die der Preisschutz greift.
In Deutschland will bekanntlich die rot-rot-grüne Stadtregierung Berlins noch radikaler gegen die Explosion der Mieten vorgehen. Für fünf Jahre sollen sie gar nicht steigen dürfen. Die Ratingagentur Moody’s warnt vor diesem Schritt. Es sei dann davon auszugehen, dass weniger saniert werde und der Neubau von Wohnungen zum Erliegen komme.
Viele Berliner lassen sich von diesen Befürchtungen nicht davon abbringen, sogar die Enteignung von Immobilienkonzernen voranzubringen. Die Initiatoren eines Volksbegehrens für die Verstaatlichung konnten am Freitag dem Senat 77000 Unterschriften vorlegen. Damit ist die erste Hürde auf dem Weg zum Volksentscheid genommen. Eigentlich hätten 20000 Unterstützer genügt. „Die Menschen haben es satt, immer mehr von ihrem Einkommen über dramatisch steigende Mieten an Immobilieninvestoren zu zahlen“, sagte die Sprecherin der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, Jenny Stupka.
In der Hauptstadt haben sich die Mieten einer Auswertung des Internetportals Immowelt zufolge zwischen 2008 und 2018 verdoppelt. München folgt auf Rang zwei mit einem Anstieg um 61 Prozent. Nürnberg auf dem dritten Platz verzeichnete ein Plus von 54 Prozent. Wegen der anhaltend niedrigen Zinsen deutet alles darauf hin, dass der Boom bei Wohnungen und Häusern weitergeht.
Der Staat kommt gegen den gewaltigen Auftrieb kaum an. Im vergangenen Jahr wurden deutschlandweit gerade einmal 27040 Sozialwohnungen gebaut. Trotz Milliardenförderung des Bundes waren das nur 809 Wohnungen mehr als 2017, wie aus einem Bericht des Bundesinnenministeriums hervorgeht. Nach Einschätzung des Mieterbundes wären jährlich rund 80000 zusätzliche Sozialwohnungen nötig, um den Bedarf zu decken. Der Bau von Wohnungen für Menschen mit kleinem Geldbeutel ist Ländersache. Dennoch steht auch die Bundesregierung in der Kritik: „Statt die Schuld auf die Länder zu schieben, sollte die GroKo endlich mehr Fördergelder zur Verfügung stellen“, verlangt die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Caren Lay, eine Aufstockung der Mittel.
Für den Bau von bezahlbaren Wohnungen hatte der Bund den Ländern im vergangenen Jahr erneut rund 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Der für Bauen und Verkehr zuständige Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange spricht sich dafür aus, die Länder auch in Zukunft bei ihrer Aufgabe zu unterstützen. „Ich bin dafür, auch nach 2019 die Bundesmittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zu verstetigen“, sagt der Nördlinger CSU-Politiker unserer Redaktion.
Die geringe Zahl an neuen Sozialwohnungen sei leider auch der bislang fehlenden Zweckbindung bei der Mittelverwendung durch die Länder geschuldet, moniert der CSU-Politiker. Das heißt, die Länder bekommen zwar Mittel aus der Bundeskasse, können sie aber ausgeben, wofür sie wollen.
Die 27000 neuen Sozialwohnungen sind regional sehr unterschiedlich verteilt: In Mecklenburg-Vorpommern wurden nur 68 neue Sozialwohnungen gefördert, in Sachsen-Anhalt 20, im Saarland war es keine einzige. In Bayern und Nordrhein-Westfalen waren es hingegen jeweils mehr als 6000 neue Wohnungen, in den teuren Stadtstaaten Berlin und Hamburg jeweils über 3000.
Da staatlich bezuschusste Wohnungen häufig nach anderthalb bis zwei Jahrzehnten aus der Sozialbindung fallen, sank die Gesamtzahl der Sozialwohnungen trotz der Neubauten auf bundesweit 1,219 Millionen. Das heißt, es fallen noch immer mehr Wohnungen aus der Sozialbindung, als neue gebaut werden. Im Jahr 2006, als die Zuständigkeit für den sozialen Wohnungsbau vom Bund auf die Länder überging, waren es noch rund 2,1 Millionen gewesen – fast eine Million mehr als heute.
Neben dem Bau geförderter Wohnungen kommt auch die Errichtung regulärer Wohnungen nicht in die Gänge. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts kamen 2018 nur 286000 neue Wohnungen hinzu. Das sind viel weniger, als die Große Koalition anpeilt. Sie hat sich 375000 Einheiten pro Jahr zum Ziel gesetzt. Bedenklich ist, dass die Zahl der Baugenehmigungen im ersten Quartal gesunken ist.
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