Auf der Startseite ihres Internetauftritts lächelt Melis Sekmen herzlich in die Kamera, „Grüne Power aus Mannheim im Bundestag“ liest sich der alsbald eingeblendete Schriftzug darunter. Vermutlich hatte Sekmen im Trubel um ihre Person keine Zeit, die Website zu aktualisieren. Die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete verlässt die Grünen mit sofortiger Wirkung und schließt sich der CDU und damit auch der Bundestagsfraktion der Christdemokraten an.
Einmalig in der Geschichte ist der Vorgang nicht, ein radikaler Seitenwechsel aber allemal. Schließlich gelten die Grünen vielen in der CDU als politischer Erzfeind. „Ich habe festgestellt, dass meine Vorstellung darüber, wie und mit welchem Stil Politik gemacht wird, sich weiterentwickelt hat“, sagt die 30-Jährige in einem selbst geposteten Video zu ihrer Entscheidung. Dem sei ein langer Prozess vorausgegangen, sie habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Nun wolle sie gemeinsam mit Friedrich Merz das CDU-Grundsatzprogramm mit Leben füllen.
Mit Melis Sekmens Fraktionswechsel gelingt der CDU ein Coup
Für die Christdemokraten ist der Fraktionswechsel ein Coup, den der CSU-Landesgruppen Chef umgehend für eine Spitze gegen die Grünen nutzte. „Aus seinen Fehlern lernen, ist ja erst mal was Positives“, sagte Dobrindt am Dienstag der dpa. Sekmen wolle offensichtlich leistungsbereit und leistungsbetont Politik gestalten, es sei eine kluge Erkenntnis, dass man die internationale wirtschaftliche Situation mit den Grünen nicht bewältigen könne.
Auch in der Fraktionsspitze der Union ist die Freude groß, schon in den nächsten Tagen soll sie in den CDU-Kreisverband Mannheim aufgenommen werden und damit automatisch auch in die Bundestagsfraktion. „Mit ihrer Familiengeschichte und ihren Themen verbindet Frau Sekmen vieles, wofür auch die CDU steht. Wir machen Politik für die fleißigen Menschen in unserem Land“, sagte Fraktionschef Friedrich Merz. Sekmen, die in Mannheim geboren wurde, hat türkische Wurzeln. Ihr Vater war als Jugendlicher nach Deutschland gekommen.
Grüne fordern Sekmen zu Mandatsverzicht auf
Die Grünen zeigten sich derweil enttäuscht über Sekmens Entscheidung – gerade so kurz vor den wichtigen Landtagswahlen im Herbst. Der Kreisverband ihrer Heimatstadt Mannheim hat sie aufgefordert, ihr Bundestagsmandat zurückzugeben. „Melis Sekmen ist über die Grüne Landesliste in den Bundestag eingezogen. Wir fordern deshalb, dass Melis Sekmen ihr Bundestagsmandat abgibt, so dass eine andere Person der gewählten Grünen Liste statt ihr im Bundestag vertreten sei“, heißt es in einer Mitteilung.
Sekmen sitzt seit 2021 im Bundestag, ist dort Obfrau der Grünen im Wirtschaftsausschuss und seit 2022 Vorsitzende des Parlamentskreis „Gründungen & Start-ups“. Davor war sie Fraktionsvorsitzende im Mannheimer Gemeinderat und Sprecherin der Grünen Jugend in ihrer Heimatstadt. Wie ihre politische Karriere bei der CDU weitergeht, ist noch unklar, schon am Dienstag allerdings, nahm Sekmen als Gast an ihrer ersten Unionsfraktionssitzung teil.
Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld war vor 28 Jahren übrigens die letzte Abgeordnete, die zur Unionsfraktion wechselte, ebenfalls von den Grünen. Als Vorbild für Sekmen dürfte sie allerdings nicht unbedingt taugen. Im vergangenen Jahr trat die Publizistin aus der CDU wieder aus und schon seit Jahren schreibt die nun parteilose Lengsfeld für neurechte Medien im Ton der AfD gegen Migranten, Coronamaßnahmen und den Klimaschutz an. (mit dpa)