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Bundestagswahl 2025: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Chance auf Wiederwahl

Bundestagswahl 2025

Scholz gegen Scholz: Wie der Kanzler über sich selbst stolpert

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    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht während seiner Wahlkampftour für die Bundestagswahl.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht während seiner Wahlkampftour für die Bundestagswahl. Foto: picture alliance/dpa

    Wiederholt sich Geschichte? „Also, ers’ma will ich ma sagn, die SPD jewinnt die Wahl.“ Olaf Scholz grinst. Die Ansage des Besuchers ist ganz nach seinem Geschmack. Der Kanzler freut sich über jeden Zuspruch in diesen Tagen, in denen seine Partei in den Umfragen wie festgetackert bei etwa 15 Prozent verharrt. Mehr ist gerade nicht drin, da kann sich der Spitzenkandidat abrackern, wie er will. In diesem Fall tut er es im Klubhaus in Ludwigsfelde. Die Stadt liegt rund elf Kilometer südlich der Stadtgrenze Berlins und gehört zu seinem Wahlkreis. Aber das ist nicht das Einzige, was diesem Termin eine besondere Note verleiht. Denn das Klubhaus Ludwigsfelde stand vor gut vier Jahren schon einmal am Beginn einer ganz besonderen Geschichte.

    Sollte sich diese Geschichte wiederholen, bleibt Scholz im Amt. Allein: Derzeit sieht es nicht danach aus. Mal wieder nicht. Es ist der 30. Oktober 2020. Olaf Scholz wird auf der SPD-Wahlkreiskonferenz im Klubhaus Ludwigsfelde zum Direktkandidaten für den Wahlkreis 61 gewählt. Die Corona-Pandemie tobt, die Genossen in der schicken Mehrzweckhalle tragen Masken. Auch Scholz hat ein schwarzes Ungetüm vor dem Gesicht, der damalige Vizekanzler und Finanzminister bekommt 92 von 98 gültigen Stimmen. „Wir gratulieren Olaf und freuen uns auf den gemeinsamen erfolgreichen Bundestagswahlkampf 2021“, heißt es seinerzeit bei der SPD. Die Partei steht da in den Umfragen bei 15 Prozent. Genau wie heute. Der Rest ist bekannt: Bei der Bundestagswahl 2021 holt sie 25,7 Prozent der Stimmen und Scholz wird Kanzler.

    Bei der letzten Bundestagswahl hatte Scholz mehr Zeit, die Umfragen zu drehen

    Wiederholt sich Geschichte? Derzeit sieht es nicht danach aus. Denn 2021, da hieß der politische Gegner Armin Laschet. Der CDU-Mann leistete sich im Juli 2021 mit seinem „Ahrtal-Lacher“ einen Patzer, und Scholz hatte zweieinhalb Monate Zeit, um die Umfragen noch zu drehen. Diesmal ist die Zeit knapper, und Scholz hat es mit Friedrich Merz zu tun. Der schneidet in Umfragen zwar alles andere als brillant ab, hält seine CDU aber konstant bei 30 Prozent, immerhin. Selbst den optimistischsten Optimisten in der SPD fehlt die Überzeugung, dass Scholz das noch aufholen kann.

    Sicher, kurz keimte Hoffnung auf. Ein Freitagabend, der letzte Tag im Januar. Mit 90 Minuten Verspätung betritt Scholz die Bühne in Regensburg. Stundenlang hat er zuvor der Debatte im Bundestag zugehört, hat stoisch zugesehen, wie Friedrich Merz versuchte, sein Migrationsgesetz mit Stimmen der AfD durchs Parlament zu bekommen. Die Debatte im Bundestag zieht sich, Scholz und sein Fraktionschef Rolf Mützenich sind nicht wirklich an einem Kompromiss interessiert. Soll Merz in der Sackgasse schmoren, in die er sich da manövriert hat, so sehen sie das. Jetzt, ein paar Stunden später in Regensburg, zeigt Scholz, wie er davon profitieren will.

    Bildschirme tauchen die Bühne in rotes Licht. Scholz, schwarzer Anzug, weißes Hemd ohne Krawatte, wie meistens also, geht gleich mit den ersten Sätzen in die Offensive. „Herr Merz hat sich verzockt. Aber das ist gar nicht das Schlimmste. Das Schlimme ist, dass er gezockt hat. Er hat Unfrieden und Unsicherheit in unserem Land gestiftet – für nichts“, schimpft Scholz. An diesem Freitag Ende Januar scheint es für einige Augenblicke so, als könnte es doch noch einmal so kommen wie schon 2021. Der dümpelnde Wahlkampf der SPD hat endlich ein Thema. Eines, mit dem sich die müden Genossen schon immer mobilisieren ließen: Es geht gegen Rechtsaußen, ganz in der antifaschistischen Tradition der ältesten deutschen Partei.

    SPD steckt in den Umfragen fest

    Scholz wirft seinem Herausforderer vor, den demokratischen Konsens verletzt zu haben. Keine Zusammenarbeit mit den Rechten, das war bislang die Verabredung im Parlament. Merz selbst hat das noch im November bekräftigt. Nun stimmen seine Leute mit der AfD, ein Tabu- und Wortbruch, sagt Scholz. „Kann man sich jetzt auf die Worte von Herrn Merz verlassen?“ Diese Frage stellt er in Regensburg, er stellt sie in Ludwigsfelde, er stellt sie bei den TV-Duellen. Der SPD-Politiker hofft, dass die Wählerinnen und Wähler niemandem ihre Stimme geben, der unzuverlässig ist, der sein Wort nicht hält.

    Heute, zwei Wochen später, weiß man, dass diese Hoffnung wohl getrogen hat. Umfragen belegen, dass Merz‘ wildes AfD-Manöver der Union zwar nichts genützt, ihr aber auch nicht geschadet hat. Schlimmer für Scholz ist, dass seine SPD nicht profitieren kann. Wie ein Tanker im Packeis steckt die Partei in den Umfragen fest – so ein Bild, das in Berlin derzeit oft bemüht wird.

    Dabei hatte Scholz gleich zu Beginn seiner Regierungszeit intern die Parole ausgegeben: „Wir regieren so, dass wir nach vier Jahren nahtlos weiterregieren können.“ Die Ampel zieht zunächst passabel mit, aber dann bekommt die Geschlossenheit Risse. Scholz habe, heißt es in seinem Umfeld, bis zuletzt gedacht, dass man das noch mit der Zusammenarbeit noch hinbekommen könne, wenn nur alle die Nerven bewahren. Eine folgenreiche Fehleinschätzung. Was noch schwerer wiegt: Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Kanzler für größer hält, als er es in Wahrheit ist.

    Nicht immer liegt Olaf Scholz mit seiner Einschätzung richtig

    Rückblick auf den Sommer 2017. Scholz ist Bürgermeister der Hansestadt Hamburg und Gastgeber des G20-Gipfels. Die Chefinnen und Chefs der 20 wichtigsten Industrieländer kommen an die Elbe, unter ihnen US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit. Es soll ein schönes Treffen werden, mit schönen Bildern, unter anderem aus der frisch eröffneten Elbphilharmonie. Doch dann zerlegen Demonstranten, Aktivisten, Störer und linksextreme Gewalttäter aus zahlreichen Ländern Teile der Innenstadt, es kommt zu Bränden und Plünderungen, viele Menschen werden verletzt.

    Vor dem Gipfel hatte Scholz das brisante Treffen noch mit dem Hamburger Hafengeburtstag verglichen, sich lustig gemacht und gedacht, er habe die Sache im Griff. Nachdem das Schanzenviertel brennt, versucht er es zunächst mit Beschwichtigung. Die Hamburger haben ihn bis dahin für einen Macher gehalten, doch damit ist es nun vorbei. Scholz tritt verstimmt die Flucht nach vorn an, schielt auf Berlin und wird nach der Bundestagswahl 2017 von Merkel zum Finanzminister und Vizekanzler gemacht.

    Dabei kann er es ja. Eigentlich. Bei den „echten Menschen“ komme er weit besser an, als bei den Journalisten in Berlin, sagt Scholz oft, und so ganz falsch scheint das nicht zu sein. In Regensburg sind Bürgerinnen und Bürger aus dem Schwarzwald an die Donau gereist, auch aus Sachsen sind Gäste da. „Hallo, Herr Bundeskanzler“, reden sie Scholz an, oder „lieber Genosse Olaf Scholz“. Einer sagt: „Ihr hattet ja ne schwere Zeit in der Regierung“ und Scholz freut sich: „Das ist ja mal was Nettes“, antwortet er.

    Ähnlich im Klubhaus Ludwigsfelde: Scholz hat eine lange Bundestagssitzung hinter und einen weiteren Wahlkampfauftritt in Cottbus noch vor sich. Dazwischen laufen die Regierungsgeschäfte weiter, es sind gerade sehr lange Arbeitstage. Aber Scholz wirkt frisch, er scheint neue Energie aus den Begegnungen zu ziehen. Der Saal ist voll, es sind auffallend viele junge Menschen gekommen. „Hallo, ich hoffe, Ihnen geht’s gut?“, fragt eine Jungwählerin. „Joh“, sagt Scholz und grinst. Warum sie die SPD wählen soll, wo doch die Wirtschaft gerade den Bach runtergeht, fragt die junge Frau weiter. „Das mit den Exporten klappt gerade nicht so doll. Aber das gibt es immer wieder. Das wird auch wieder“, antwortet Scholz, und vielleicht übertreibt er es da gerade mit der Volkstümelei, ist sich seiner Sache mal wieder zu sicher. Die Frau vor ihm macht sich Sorgen um ihre Zukunft. Ob sie ein beschwichtigender Kuschelkanzler überzeugt?

    Er nennt einen CDU-Politiker „Hofnarr“

    In die Kategorie Selbstüberschätzung fällt auch die Sache mit dem „Hofnarren“. So nennt Scholz bei einem privaten Empfang den schwarzen Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU). Der Chefredakteur des Magazins Focus steht daneben und beschreibt das Ganze als rassistischen Vorfall. Der Vorgang ist fast zwei Wochen her, der Betroffene hat sich damals nicht zu Wort gemeldet. Nun muss er sich äußern. Chialo, der Wurzeln in Tansania hat, schildert den Abend: „Im Laufe der Diskussion zum Thema Migration und zu den Abstimmungen im Bundestag fielen hinsichtlich meiner Rolle in der CDU die Begriffe ,Hofnarr‘ und ,Feigenblatt‘. Diese Worte haben mich tief getroffen.“ Für einen Rassisten halte er Scholz aber nicht.

    Joe Chialo (CDU) ist Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.
    Joe Chialo (CDU) ist Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Wer Scholz von anderen Veranstaltungen her kennt, zweifelt nicht an dem Ablauf. In lockerer, womöglich weinseliger Runde macht er gerne mal einen Spruch. Manchmal hält er es für witzig. „Fritze Merz erzählt gern Tünkram“, fiel genau in diese Kategorie. Das Wort kommt aus dem Plattdeutschen und bedeutet so viel wie „dummes Zeug“. Es wird von den Einheimischen mit einem wohlwollenden Augenzwinkern verwendet - aber Mundart funktioniert am besten in vertrauter Runde und nicht vor einer Fernsehkamera. Ein Kanzler sollte das wissen.

    Gut eine Woche dauert der Wahlkampf noch. Und dann? In eine Regierung unter Friedrich Merz wird er nicht eintreten, das steht fest. Dass der 66-Jährige als Ex-Kanzler von der Regierungs- auf die Abgeordnetenbank wechselt und in irgendeinem Ausschuss der Rente entgegensieht, ist kaum vorstellbar. Für ihn bleibt also nur eins: Ludwigsfelde muss sich wiederholen, die Wahl muss gewonnen werden. Geschichte muss sich wiederholen. Wie auch immer.

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