Für jeden anderen Minister einer seriösen Regierung, wäre spätestens jetzt der Tag gekommen, an dem er seinen Schreibtisch räumen müsste. Doch der Mann, für den der Begriff „schillernd“ geradezu erfunden wurde, hält sich erstaunlich fest im politischen Sattel. Jeden Tag wird die Liste der Vorwürfe gegenüber Pete Hegseth länger, aber der amerikanische Verteidigungsminister denkt noch nicht einmal an Rücktritt. Seit Wochen diskutiert Amerika über den leichtfertigen Umgang des Republikaners mit brisanten Informationen. Er soll Militärpläne zu Angriffen auf die Huthi-Miliz im Jemen in einem Gruppenchat über die App Signal unter anderem mit seiner Ehefrau geteilt haben. Hegseth schrieb dort etwa, wann US-Kampfflugzeuge starten und wann sie ihre Ziele treffen würden. Wie nun bekannt wurde, soll der Minister zudem den Chatdienst Signal auf seinem Desktop-Computer im Büro installiert haben – obwohl der Dienst nur begrenzt für die Kommunikation zugelassen ist. „Fake News“ seien das, sagt Hegseth selbst, doch die amerikanischen Medien liefern immer neue stichhaltige und detaillierte Vorwürfe.
Wer also ist der Mann, an dem US-Präsident Donald Trump allen Skandalen zum Trotz zumindest bislang so eisern festhält? Selbst im ohnehin ungewöhnlichen Kabinett des Präsidenten sticht Hegseth noch heraus. Nicht nur, dass das Pentagon eines der wichtigsten Ministerien der USA ist. Die USA verfügen über das schlagkräftigste Militär der Welt, Hegseth ist Herr über ein Budget von mehr als 800 Milliarden Dollar, trifft sicherheitspolitische Entscheidungen von gewaltiger Tragweite. Über politische oder gar administrative Erfahrung verfügt er zwar nicht, doch er hat eine Eigenschaft, die Trump weit mehr zu schätzen weiß: Loyalität. Der 44-Jährige sei ein entschiedener Anhänger der „America First“-Politik, betonte der Präsident nach Hegseths Nominierung. Mit ihm an der Spitze seien „Amerikas Feinde gewarnt“. Eine große Nähe zu den bisweilen radikalen Positionen des Präsidenten hatte er schon in seinem vorherigen Tätigkeitsfeld. Hegseth war Moderator bei Trumps Lieblingssender Fox News. Dort führte er durch eine Nachrichtenshow am Wochenende.
Vorwürfe des exzessiven Alkoholmissbrauchs gegen Pete Hegseth
Gleichwohl hat Hegseth durchaus einiges vorzuweisen. Er ist Absolvent der Eliteuniversitäten Princeton und Harvard, wo er Politikwissenschaft studiert hat. Als Soldat diente er unter anderem im Irak und in Afghanistan. Als Mann mit „Staub auf den Stiefeln“ und Krieger sieht er sich selbst. Vor allem Frauen hat er hingegen eine andere Rolle zugedacht, bei Kampfeinsätzen des Militärs seien sie nicht zu gebrauchen. Überhaupt das Thema Frauen. Vor der Abstimmung im US-Senat über seine Nominierung gab er an, einer Frau 50.000 US-Dollar gezahlt zu haben – sie hatte ihn der Vergewaltigung beschuldigt, er wollte sie zum Schweigen bringen. Immer wieder heißt es, er sei in der Vergangenheit sexuell übergriffig gewesen und habe exzessiv getrunken.
Der Minister selbst gibt sich als Geläuterter, von Gott bekehrt. Viele der Tätowierungen, die er auf seinem Körper verewigt hat, sind religiös aufgeladen. Unter anderem prangt auf seiner Brust das Jerusalemkreuz, es ist eine Anspielung auf die Kreuzritter.
US-Präsident Donald Trump hält weiterhin zu Hegseth
Im Angesicht seiner aktuellen Erklärungsnöte versucht Hegseth die brisante Affäre als Intrige darzustellen. Schon nach dem Bekanntwerden einer ersten Chatgruppe, bei der irrtümlich auch Jeffrey Goldberg, der Chefredakteur des renommierten Magazins The Atlantic, in den Verteiler geraten war, hatte das Pentagon eine interne Untersuchung eingeleitet. Spätestens seither toben im US-Verteidigungsministerium chaotische interne Querelen. Drei Berater des Ministers wurden in der vergangenen Woche vor die Tür gesetzt. Hegseth macht sie und ungenannte weitere Mitarbeiter für Durchstechereien verantwortlich: „Sie wollen die Agenda des Präsidenten sabotieren“, behauptete er bei Fox News: „Einmal ein Leaker, immer ein Leaker.“ Hegseth‘ Stabschef Joe Kasper musste seinen Posten räumen, nachdem ihm die Schaffung eines „toxischen Arbeitsklimas“ vorgeworfen wurde.
Schließlich kündigte vor wenigen Tagen John Ullyot, der bisherige Sprecher des Pentagon. Der rechte einstige Weggefährte des Ministers warf diesem in einem Zeitungsbeitrag Illoyalität und Inkompetenz vor. Er berichtete, das Pentagon befinde sich in einer „Kernschmelze“. Er schrieb, dass im vergangenen Monat „totales Chaos“ im Pentagon geherrscht habe, es sei ein „Höllenmonat“ gewesen. Andere Töne kommen aus dem Weißen Haus. „Pete macht einen großartigen Job. Alle sind zufrieden mit ihm“, sagt US-Präsident Trump. Doch zugleich berichtet der Sender NPR, dass die Suche nach einem Nachfolger für das Pentagon bereits begonnen habe.
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