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DRK-Chef warnt vor Abschaffung des Entwicklungshilfeministeriums

Interview

DRK-Chef: „Es wäre ein Signal, weiter zur humanitären Hilfe zu stehen“

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    Christof Johnen ist beim Deutschen Roten Kreuz verantwortlich für die internationale Zusammenarbeit. Gerade weil die USA und Großbritannien ihre Hilfsgelder zusammenstreichen, ergibt sich aus seiner Sicht eine Chance für Deutschland.
    Christof Johnen ist beim Deutschen Roten Kreuz verantwortlich für die internationale Zusammenarbeit. Gerade weil die USA und Großbritannien ihre Hilfsgelder zusammenstreichen, ergibt sich aus seiner Sicht eine Chance für Deutschland. Foto: DRK

    Herr Johnen, in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD wird überlegt, das Entwicklungshilfeministerium in das Auswärtige Amt zu integrieren. Was halten Sie davon?

    Christof Johnen: Es kommt darauf an, wie man diese Zusammenlegung ausgestalten würde. Ich glaube, es muss nicht unbedingt schlecht sein. Die Sorge besteht aber im Moment darin, dass man diese Zusammenlegung nutzt, um das Budget der Handlungsfelder humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen und Aufgaben zu vermischen.

    Wieso?

    Johnen: Der Trend zu Kürzungen bei der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit hat nicht erst mit den drastischen Kürzungen bei USAID durch Präsident Trump begonnen. Der erste Weckruf war vor ein paar Jahren, als in Großbritannien – eigentlich immer einer der größten Geldgeber für humanitäre Hilfe – die Entwicklungshilfe in das Außenministerium integriert wurde. Das ging mit massiven Kürzungen einher. Man konnte damals international kompensieren, indem andere Länder oder die EU ein bisschen mehr Geld gaben. Aber seinerzeit konnte man diesen Trend schon beobachten, der sich jetzt unter dem aktuellen Premierminister Starmer fortsetzt. Er hat für die nächsten Jahre massive Kürzungen angekündigt und daher werden jetzt auch die Sorgen in Deutschland größer.

    Ein Feldlazarett des Roten Kreuzes im Gaza-Streifen. Personal und Material kommen aus vielen Ländern der Welt, auch aus Deutschland.
    Ein Feldlazarett des Roten Kreuzes im Gaza-Streifen. Personal und Material kommen aus vielen Ländern der Welt, auch aus Deutschland. Foto: Abed Al-Ostaz, Rotes Kreuz

    Schon unter der Ampelregierung wurde das Budget für die humanitäre Hilfe gekürzt, der Haushaltsplan für 2025 sah eine weitere Reduzierung vor. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

    Johnen: Weniger Planungssicherheit für uns und die Menschen in Not haben wir bereits. Bis jetzt ist noch nicht klar, wie die neue Bundesregierung die humanitäre Hilfe und die Entwicklungszusammenarbeit finanzieren wird. Aber der Haushaltsplan der Ampel für 2025 war indiskutabel. Nicht nur wären im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit massiv Gelder gekürzt worden, vor allem hätte man den Etat der humanitären Hilfe um die Hälfte reduziert. Und dabei bestreitet niemand, dass durch die vielen Krisen weltweit der Bedarf steigt. Die Sorge ist, dass durch weitere Kürzungen die Hilfe eher dahin geht, wo die öffentliche Aufmerksamkeit groß ist. Überspitzt ausgedrückt: Geld fließt in die Ukraine, aber der Sudan wird vergessen.

    Wo liegen die Unterschiede zwischen Entwicklungshilfe und humanitärer Hilfe?

    Johnen: Humanitäre Hilfe, die beispielsweise das Deutsche Rote Kreuz schwerpunktmäßig leistet, hilft Menschen, die in Not sind. Sie muss unabhängig von sicherheitspolitischen Interessen oder anderen Erwägungen sein, wenn wir gerade in Konfliktregionen Zugang zu notleidenden Menschen erhalten wollen. Diese Hilfe wird seit langem von bundespolitischer Seite über das Auswärtige Amt finanziert. Im Gegensatz dazu ist die Entwicklungszusammenarbeit, die über das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert wird, stärker interessengeleitet. Es geht darum, politische Dinge zu verändern, und dabei spielen Werte wie Demokratie oder Gleichberechtigung, aber auch Wirtschaftsinteressen, eine wichtige Rolle. Die Wirkungslogik ist eine andere, trotzdem kann man beides nicht komplett voneinander trennen.

    US-Präsident Donald Trump hat bei der Entwicklungshilfebehörde USAID  massiv gekürzt, zahlreiche Mitarbeiter haben ihre Stelle verloren.
    US-Präsident Donald Trump hat bei der Entwicklungshilfebehörde USAID massiv gekürzt, zahlreiche Mitarbeiter haben ihre Stelle verloren. Foto: Manuel Balce Ceneta, AP/dpa

    Wäre es aktuell eine Chance für Deutschland, sich stärker in der humanitären Hilfe zu engagieren, wenn weltweit Finanzierungen wegbrechen?

    Johnen: Absolut. Es wäre wichtig, jetzt ein Signal zu senden und zu zeigen, dass wir weiterhin zur humanitären Hilfe und zu unseren Partnern, den Vereinten Nationen, der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung und den Nichtregierungsorganisationen, stehen. Und auch wenn es nicht das primäre Ziel der humanitären Hilfe ist, so ist sie doch eine „Soft Power“: Sie trägt international zum Ansehen Deutschlands bei, wenn wir Menschen in schlimmer Not helfen.

    In der Vergangenheit gab es Kritik an der mangelnden Kontrolle der Finanzmittel. Im Gazastreifen beispielsweise sollen Gelder aus Deutschland auch an die Hamas gelangt sein.

    Johnen: Wir haben bei der humanitären Hilfe ein sehr rigides Nachweissystem, ich wüsste nicht, wie man das noch verschärfen sollte. Aber können wir garantieren, dass nicht ein einziges Nahrungsmittelpaket letztlich in die falschen Hände gerät? Nein, das können wir nicht. Das können wir nirgendwo auf der Welt. Gerade deshalb ist es so wichtig, vor Ort zu sein und eng mit lokalen, mandatierten Partnern zusammenzuarbeiten. Humanitäre Hilfe passiert nicht in Berlin oder London, sondern in den Krisengebieten vor Ort.

    Zur Person: Seit seinem Zivildienst Ende der 80er Jahre ist Christoph Johnen dem Deutschen Roten Kreuz verbunden. Seit über zehn Jahren leitet er in der DRK-Zentrale in Berlin die internationale Kooperation. Das Rote Kreuz ist in fast allen Ländern der Erde vertreten, Deutschland ist eines der Hauptgeberländer für Krisenhilfe.

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