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Erdoğan will nicht weichen: Türkei soll neue Verfassung bekommen

Türkei

Erdoğan will eine maßgeschneiderte Verfassung

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    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will eine neue Verfassung für die Türkei.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will eine neue Verfassung für die Türkei. Foto: Leon Neal, PA Wire/dpa

    Recep Tayyip Erdoğan will der Türkei eine neue Verfassung geben, um sich eine weitere Amtszeit als Präsident zu verschaffen. Zehn Berater und Parteifunktionäre des 71-jährigen Staatschefs sollen ein neues Grundgesetz ausarbeiten, um ihm eine weitere Kandidatur zu sichern. Im Parlament fehlt Erdoğan noch die Mehrheit für das neue Grundgesetz, doch er hofft auf Unterstützung der Kurdenpartei DEM, die er mit dem Versprechen politischer Reformen nach der Selbstauflösung der PKK umwirbt.

    Die Türkei brauche „eine neue und zivile Verfassung“, sagte Erdoğan vor wenigen Tagen. Die derzeitige Verfassung aus der Zeit des Militärputsches von 1980 trage noch die Spuren des damaligen Staatsstreiches. Mit einer neuen Verfassung könne das Land dieses „tote Geäst“ abschütteln. Erdoğans Verfassungskommission soll in den kommenden Tagen ihre Arbeit aufnehmen und über die parlamentarische Sommerpause tagen; gelegentlich will der Präsident die Sitzungen selbst leiten.

    Oppositionskandidat sitzt seit Wochen im Gefängnis

    Dass die Türkei eine demokratischere Verfassung braucht, sagen auch politische Gegner des Präsidenten. Die derzeitige Verfassung schränkt viele Grundrechte ein und ist geprägt vom Misstrauen der früheren Militärherrscher gegen Minderheiten und Zivilgesellschaft. Die größte Oppositionspartei, die linksnationale CHP, lehnt allerdings Erdoğans Angebot ab, mit der Regierung an der neuen Verfassung zu arbeiten: Mit einem Präsidenten, der schon die jetzige Verfassung missachte, sei eine solche Zusammenarbeit sinnlos, erklärte die CHP, deren Präsidentschaftskandidat Ekrem İmamoğlu seit März im Gefängnis sitzt.

    Selbst wenn İmamoğlu frei wäre, könnte Erdoğan nicht auf die CHP zählen. Wie viele Türken und Beobachter glaubt die Oppositionspartei, dass der Präsident mit einer neuen Verfassung nicht die Demokratie stärken, sondern seine politische Zukunft sichern will. Erdoğans Ziel sei es, die Türkei auf Jahre hinaus weiterzuregieren, sagt Howard Eissenstat, Türkei-Experte an der St-Lawrence-Universität in den USA und am Institut für Türkei-Studien der Universität Stockholm. „Im Kern ist es ein Versuch, an der Macht zu bleiben“, sagte Eissenstat unserer Redaktion.

    Erdoğan ist schon in dritter Amtszeit

    Nach der derzeitigen Verfassung darf ein Präsident höchstens zwei Amtszeiten regieren. Erdoğan ist seit 2014 Staatschef und derzeit schon in seiner dritten Amtsperiode; wegen einer Verfassungsänderung von 2018 wurde seine erste Amtszeit nicht gezählt. Nun will er erneut die Verfassung ändern, um bei der nächsten Wahl 2028 wieder antreten zu können. Offiziell hat er seine Absicht einer neuen Kandidatur bisher nicht erklärt, doch seine Signale sind eindeutig. Er werde an seinem Platz bleiben, bis seine Aufgaben erfüllt seien, sagte er jetzt.

    Um eine Volksabstimmung über Verfassungsänderungen ansetzen zu können, braucht Erdoğan mindestens 360 Stimmen im Parlament, doch seine Partei AKP kommt mit ihren rechtsnationalen und islamistischen Partnern in der Volksvertretung nur auf knapp 330 Abgeordnete. Weil die CHP mit ihren 135 Sitzen als Partnerin ausfällt, umwirbt Erdoğan die Kurdenpartei DEM, deren 56 Parlamentarier für Erdoğan die Mehrheit sichern könnten.

    Der Präsident umwirbt die Kurden

    Deswegen habe Erdoğan in den vergangenen Monaten neue Verhandlungen mit dem inhaftierten Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, geführt, meint Eissenstat. Über Erdoğans Verfassungspläne sagt der Türkei-Experte: „Die CHP wird nicht mitmachen, die DEM wahrscheinlich schon.“

    Die PKK hatte sich nach einem Aufruf Öcalans vor einigen Wochen für aufgelöst erklärt. Die PKK-Kämpfer sollen nach Medienberichten im Sommer ihre Waffen abgeben. Als Gegenleistung erwarten die Kurden politische Reformen von Erdogans Regierung. Sie wollen ihre Volksgruppe und ihre Sprache in der Verfassung anerkannt sehen.

    Die Gespräche darüber haben begonnen, wie sich vor wenigen Tagen bei einem Treffen der DEM-Führung mit AKP-Politikern in Ankara zeigte: Die AKP schickte vier Mitglieder von Erdoğans Verfassungskommission in die Sitzung mit den Kurdenpolitikern. Zur Vertrauensbildung will die Regierung in einem ersten Schritt kranke PKK-Anhänger aus den Gefängnissen entlassen. Die DEM wollte eine größere Amnestie für kurdische Häftlinge durchsetzen, doch die AKP will erst im Herbst darüber sprechen – dann könnte auch ein erster Verfassungsentwurf fertig sein.

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