Das Bürgergeld ist gescheitert – was nun?
Die unionsgeführten Länder blockieren den Hartz-IV-Nachfolger im Bundesrat. Nun muss das SPD-Vorhaben in den Vermittlungsausschuss.
Der Bundesrat hat das Bürgergeld-Vorhaben der Ampel-Regierung vorerst gestoppt. Nun muss sich der Vermittlungsausschuss um einen Kompromiss bemühen. Dabei drängt die Zeit. Gelingt bis zur Sitzung des Bundesrats am 25. November keine Einigung, kann das Gesetz, das Hartz IV ersetzen soll, nicht wie geplant Anfang Januar in Kraft treten.
Doch die Union machte klar, dass sie das Gesetz nur nach weitreichenden Änderungen billigen wird. Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte unserer Redaktion: "Wer das Prinzip 'Fördern und Fordern' aufgeben will, kann von uns keine Zustimmung erwarten." Den Weg zu einem "bedingungslosen Grundeinkommen" werde die Union nicht mitgehen". Der CDU-Politiker weiter: "Es darf kein Zweifel daran gelassen werden, dass Sanktionen von Anfang an verhängt werden können".
Das Bürgergeld war das Vorzeigeprojekt der Ampel
Am Montag war die Länderkammer zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um über die in der Vorwoche vom Bundestag beschlossene Einführung eines Bürgergelds zu entscheiden. Mit dem will die Koalition aus SPD, Grünen und FDP die Versorgung von Langzeitarbeitslosen neu regeln. Vorgesehen sind höhere Regelsätze, größere Schonvermögen, die zunächst nicht aufgezehrt werden müssen, sowie eine bessere Förderung von Aus- und Weiterbildung. Sanktionen, die bisher etwa verhängt werden können, wenn Termine beim Jobcenter nicht eingehalten werden, sollen dagegen weitgehend abgebaut werden.
CDU und CSU kritisieren das als Abkehr von einem bewährten Prinzip, das auch auf Konsequenz setzt. Aus ihrer Sicht nimmt das Gesetz in seiner geplanten Form Arbeitslosen die Motivation, wieder einen Job anzunehmen. Wie zuvor bereits angekündigt, verweigerten die Länder, die von der Union regiert oder mitregiert werden, dem Vorhaben im Bundesrat ihre Zustimmung.
Hubertus Heil baut auf Kompromissbereitschaft der Union
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte postwendend an, nun den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einzuschalten. Das Gremium kann laut Satzung frühestens am kommenden Samstag zusammenkommen. "Meine Hand zur Lösung ist ausgestreckt", sagte Heil. Er halte "Kompromiss für kein Schimpfwort." Beide Seiten müssten sich nun bewegen, forderte Heil, "bei gutem Willen gelingt das auch".
Nach den Plänen der Ampel soll das Bürgergeld ab dem kommenden Jahr das umstrittene Arbeitslosengeld II, im Volksmund Hartz IV genannt, ablösen. Langzeitarbeitslose würden den Plänen zufolge höhere Regelsätze erhalten, alleinstehende etwa statt 449 Euro dann 502 Euro im Monat. In diesem Punkt hat die Union keine Einwände. Doch ihr Angebot, die Erhöhung aus dem Entwurf auszukoppeln und zum 1. Januar 2023 separat in Kraft treten zu lassen, haben die Ampel-Fraktionen abgelehnt.
Die FDP zeigt sich offen für eine Einigung
Die FDP zeigte sich gegenüber CDU und CSU offen für eine Einigung. Deren Kritik etwa an der Höhe der Schonvermögen nehme man ernst, betonte Sozialpolitiker Jens Teutrine. "Ein sachgerechter Kompromiss wird an uns nicht scheitern. Zu begrüßen wäre es, wenn wir bei den Hinzuverdienst-Regelungen noch mehr verbessern würden, um den Arbeitsanreiz zu erhöhen", sagte er. Der FDP-Politiker warnte aber auch vor "parteitaktischen Manövern in Form von Totalblockaden oder Verzögerungstaktiken."
Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann drängte CDU und CSU zum Einlenken: "Eine weitere Blockadehaltung der Union setzt ein Reformpaket aufs Spiel, das für mehr soziale Sicherheit sorgt und Menschen besser unterstützt." Das Bürgergeld sei auch eine "Weiterbildungsoffensive für die betroffenen Menschen". Zudem helfe es der Wirtschaft bei der Suche nach Arbeits- und Fachkräften und verringere Bürokratie in den Jobcentern.
Die Diskussion ist geschlossen.
Was mich wundert: ich habe gestern und heute gehört, dass 45% bzw. 50% der Bürgergeldempfänger (weiß nicht, welche Zahl stimmt) garkeine Bürger sind? Also im Sinn von deutschen Staatsbürgern. Es sind Ausländer, die das bekommen sollen. Warum wird das von der CDU/CSU nicht thematisiert? Zum arbeiten sind die anscheinend nicht hier, auf jeden Fall scheint es irgendwie nicht zu gelingen, 500.000 Syrer, die seit 2015/16 da sind, über Hartz IV in Arbeit zu bringen.
Vielleicht sollten Sie als Beraterin der Jobcenter fungierten? Die wären bestimmt entzückt über so viel Kompetenz und Ideenreichtum, wie Sie ihn hier oft an den Tag legen.
....schon mal darüber nachgedacht, dass die "so enorme Steigerung" um ca. € 50,00/Monat ab Januar '23, die jetzt schon gestiegenen Lebensmittel- (ca. 20%) und ab 2023 nochmal um 50 % gestiegen Stromkosten nicht decken? Hauptsächlich den Single Haushalten und Alleinerziehenden entsteht da ein Minus!
Hauptverantwortlich für die Blockade zum Bürgergeld sind Merz und Söder. Genau die, die sich einen Dreck um Menschen scheren, die in Notlagen kommen. Man sollte diesen Tyoen zeigen wie widerluch sie sind!
"Widerluch" wäre Sanktionsfreiheit bei Fehlverhalten und fehlendem Willen zur Bildung- und Arbeitsaufnahme.
Es ist überaus gerecht und sozial diesen Gesetzesentwurf zu stoppen!
Auch wenn viel andere Mit-Foristen das anders sehen, das sog. Bürgergeld ist in der Form wie es die Koalition eingebracht hat, schlichtweg billiger Stimmenfang bei sozial schwächeren auf Kosten derer die das erarbeiten.
Es war gut, dass die Union diesmal klare Kante gezeigt hat und ich hoffe es bleibt auch dabei.
Nicht dass ich gegen eine Reform der Hartz Gesetze wäre, aber nicht so bitte.
Was würden Sie anders machen? Kritisiert ist schnell, aber Verbesserungsvorschläge gehören dann auch dazu. Dagegen sein reicht nicht, um etwas zu ändern.
Ich schließe mich meiner Vorposterin an. Dann erzählen Sie doch mal was Sie besser machen würden.
Das Bürgergeld ist vielleicht nicht der große Wurf, aber gescheitert ist es noch nicht. Sollte die Union daraus wieder ein bürokratisches Monster manchen, dann sollte sie dafür bei den nächsten Wahlen zusätzlich abgestraft werden. Die Reform des ALG II ist überfällig und sollte schnellstmöglich in Kraft treten. Es ist doch nicht so, dass jeder ALG II-Empfänger auf einmal in Saus und Braus lebt mit den Tausendern, die der Staat aufs Konto überweist. Es geht um ein Quäntchen mehr respektvollen Umgang mit Leuten, die aus irgendwelchen Gründen im Moment nicht in der Lage sind, ihren (vollständigen) Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Sie verdienen Solidarität und nicht Neid und Missgunst. Dass es ein paar Leute gibt, die Sozialleistungen unberechtigt in Anspruch nehmen – geschenkt. Es sind wenige. Setzt man das ins Verhältnis dazu, wieviele gut verdienende Bürger ihre Steuererklärung ein wenig "schönen" (der brave Deutsche würde doch z. B. nie eine Quittung fürs Familien- statt Geschäftsessen als Steuerhinterziehung bezeichnen, oder?), dann sind die Sozialleistungsempfänger wahrscheinlich deutlich in der Minderzahl. Ich hoffe, dass die Union ihre Blockadehaltung endlich aufgibt und zur Abwechslung mal was Konstruktives beiträgt.
Frau Reichenauer, als Privatperson können Sie natürlich alles verschenken. Von unserem Staat erwarte ich allerdings ein besseres Haushalten. Hier stimme ich mit der IfW-Studie überein, über die der Spiegel letzten Monat berichtete. Es werden darin mehr Investitionen vor allem für Bildung und Forschung angemahnt und auch unsere Infrastruktur wird in teils besorgniserregendem Zustand gesehen. Die hohen Umverteilungsausgaben von 269,5 Mrd. € (57,5 Prozent aller Ausgaben) werden kritisiert.
„Der Staat steht gegenüber seiner Bevölkerung in der Pflicht, seine knappen Mittel so einzusetzen, dass Wohlstand erhalten oder vermehrt wird“, zitiert der Spiegel dabei einen der Experten.
Ich denke, die Geschäftsessen haben bei der Dimension der Probleme kaum Relevanz. Lässt mich allerdings vermuten, dass Sie Unternehmerin sind, denn als Arbeitnehmer kann man da meines Wissens nicht tricksen.
Vor allem zeigt sich jetzt die wahre Verantwortlichkeit für das "scharfe" Hartz4, denn die SPD wollte es damals so gestalten, dass es angepasst wird nach den Erfahrungen, was die Union über den Bundesrat verweigert hat.
Die SPD hat lange darunter gelitten es eingeführt zu haben, jetzt macht sie einen neuen Anlauf und wird wieder von der Union daran gehindert/ausgebremst.
Vielleicht geht nun einigen ein Licht auf wer für die Härten wirklich verantwortlich ist.
Vor mehr als 60 Jahren war für mich als Kind eine Herzoperation überlebensnotwendig. Damals lehnte die Bauernkrankenkasse die Kostenübernahme hierfür ab und der Bundespräsident schrieb meinen Eltern, dass auch anderweitig keine staatlichen Mittel bereitgestellt werden können. Damit sowas heute nicht mehr geschieht, bin ich sehr für große Solidarität mit Kranken und Schwachen.
Am 3. 11. bei „Illner“ ging es zwar hauptsächlich um das Flüchtlingsthema. Wer aber dabei Boris Palmer aufmerksam zugehört hat, weiß von den Schwierigkeiten, Arbeitskräfte für einfache Arbeiten längerfristig zu binden. Und wer es nicht so gut findet, dass junge gesunde Menschen dauerhaft von Transferleistungen leben, während ihre Arbeitskraft dringend benötigt wird, der wird wohl ein Nachdenken über die Sanktionsmöglichkeiten nicht von vornherein ablehnen.
Das Bürgergels ist nicht gescheitert, sondern im Vermittlungsausschuss, in dem, wie es die Demokratie bei uns will, ein Kompromiss ausgehandelt wird. Gescheitert ist mit dieser Überschrift lediglich ein objektiver, fachgerechter Journalismus.
Das Bürgergeld, die Bezeichnung gefällt mir absolut nicht, in der jetzigen Form ist gescheitert. Minister Heil hat m.e. gut gearbeitet. Mit etwas gutem Willen hätte man o.w. zustimmen können. Die Ablehnungsgründe der Union betrachte ich als vorgeschoben und sachlich nicht gerechtfertigt.
hoffentlich kommt jemand einmal auf die idee, den c parteien den anspruch auf christlich abzuerkennen. als sauter und abgesicherter profi-politiker lebt es sich 10 mal leichter ! die umverteilung von unten nach oben ist auch in diesem fall eklig-schäbig .
Besonderen Sanktionseifer entwickeln die seltsamen Unionschristen - allen voran die CSU - nur gegen den ärmeren Teil der Bevölkerung.
Die bestens versorgten geschäftstüchtigen Schlawiner in ihren eigenen Reihen stehen dagegen unter der Ägide der Parteispitzen.
@Georg Kr.:
Herr Kr., Belege über Fehlverhalten von Leuten der Union gibt es leider zuhauf.
Aber bricht für Sie nicht auch eine Welt zusammen, wenn es stimmt, dass Klimaaktivisten für ihre Aktivitäten entlohnt werden? – vgl. „Versteuertes Nebeneinkommen“ unter msn.com und unter https://www.focus.de/panorama/welt/versteuertes-nebeneinkommen-klima-kleberin-bekommt-fuer-ihren-protest-geld-aus-deutschland_id_179456975.html
@ HELMUT EIMILLER
So lange nicht bekannt ist, welche "reichen Leute" hinter diesem „Climate Emergency Fund“ stehen, kann über die Herkunft der Gelder und die dahinter stehende Motivation in alle denkbaren Richtungen spekuliert werden.
Ehrlich gesagt, staatliche Subventionen der Umweltzerstörung sollten jedoch mindestens genau so viel Anlass zur Kritik bieten.
"Mit stolzen 55 Mrd. €/a subventionieren die Staaten der Europäischen Union noch immer fossile Brennstoffe, vor allem Kohle und Treibstoffe. 15 Mitgliedsstaaten subventionieren fossile Brennstoffe gar noch stärker als erneuerbare Energien. Damit werde die angestrebte Energiewende behindert, klagen Fachleute des EU-Rechnungshofes in ihrem Bericht „Energiebesteuerung, CO2-Bepreisung und Energiesubventionen“.
https://www.ingenieur.de/fachmedien/bwk/energieversorgung/55-milliarden-euro-fuer-fossile-brennstoffe/
Das Bürgergeld ist nicht gescheitert, sondern befindet sich jetzt im Vermittlungsausschuss des Bundesrats. Und die CSU muss aufpassen, dass sie mit ihrer Fundamentalopposition nicht plötzlich allein dasteht.