Bevor Friedrich Merz Kanzler wurde, stellte er im Wahlkampf schon mal eines klar: Absolute Priorität während seiner Amtszeit werde die Wirtschaft haben. Deutschland bleibe seit Jahren weit hinter seinen Möglichkeiten zurück, beklagte der CDU-Politiker. Gemessen an seinen Aussagen dürfte die Berufung der Wirtschaftsministerin eine der schwierigsten Personalentscheidungen des Regierungschefs gewesen sein. Seine Wahl ist auf Katherina Reiche gefallen, die dafür eine Karriere in der Wirtschaft aufgab und in die Bundespolitik zurückkehrte. Der Druck auf die Ministerin ist hoch.
Vor Reiche war das Wirtschaftsministerium die Bühne für Männer mit markigen Ansagen. Robert Habeck (Grüne) wollte von seinem unweit des Berliner Hauptbahnhofs gelegenen Haus nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das Klima und gefühlt die ganze Welt retten. Pressekonferenzen des Grünen-Politikers gerieten oft zur Show, auf die Details kam es oft nicht so sehr an – Habeck stand für die große Linie. Andererseits sicherte er die Energieversorgung des Landes nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Ähnlich wie Habeck, wenn auch ein wenig leiser, trat bereits sein Vorgänger Peter Altmaier auf. Der CDU-Politiker versprach viel, der Wettbewerbsfähigkeit des Landes vermochte er indes keine Impulse zu geben. Der Minister hatte in seiner Amtszeit allerdings direkt mit den ökonomischen Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen.
Anders als Habeck: Reiche konzentriert sich auf Wirtschaft und Energie
Mit Reiches Amtsantritt ändert sich einiges im Bundeswirtschaftsministerium, das bezieht sich nicht nur auf die Optik. Die Liegenschaft in der Scharnhorststraße wird umfassend saniert, die Pläne dafür liegen schon länger in der Schublade. Altmaier mietete bereits 2021 ein Ausweichgebäude in der nahen Chausseestraße an. Direkt hat Reiche damit also nichts zu tun, aber die Umbaumaßnahmen sind eine gute Illustration des Ressortumbaus.
Während Habeck als eine Art Superminister auch noch das Thema Klima beanspruchte und in sein Ministerium zog, kann sich Reiche auf die Bereiche Wirtschaft und Energie fokussieren. Verglichen mit ihrem Vorgänger tut sie das bisher eher lautlos. In der Öffentlichkeit machte sich die Wirtschaftsministerin zunächst vergleichsweise rar. Ihren Antrittsbesuch in Washington absolvierte sie beispielsweise ohne den üblichen großen Pressetross, mit dem sich Politiker bei dieser Gelegenheit gerne umgeben. Reiche, die in zwei Wochen 52 Jahre alt wird, etabliert damit offenbar einen neuen Führungsstil. Die meisten Abteilungsleiter hat die Ministerin bereits ausgetauscht und sich unter anderem mit Thomas Steffen einen erfahrenen neuen Staatssekretär ins Haus geholt.
Wirtschaftsministerin Reiche: Erst die zweite Frau in diesem Amt
Unter den knapp zwei Dutzend Wirtschaftsministern der Nachkriegsgeschichte gab es bisher erst eine Frau. Brigitte Zypries (SPD) leitete das Ressort von 2017 bis 2018, die Volljuristin war eher sachfremd. Reiche hingegen studierte nach dem Abitur in Potsdam Chemie, der Schritt lag offenbar nahe: Ihrer Familie gehörte bereits zu DDR-Zeiten das Unternehmen Hesco, das seit 70 Jahren Kunststoff verarbeitet. 1998 zog sie als jüngste CDU-Abgeordnete in den Bundestag ein. Nach wechselnden Funktionen machte die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sie zur Parlamentarischen Staatssekretärin im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, das auch für Klimapolitik und Erneuerbare Energien zuständig war. Von 2013 an arbeitete Reiche als Staatssekretärin im Verkehrsministerium. 2015 wurde sie Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Zuletzt war die Mutter dreier Kinder Chefin der E.ON-Tochter Westenergie.
Nahtlose Wechsel von der Politik in die Wirtschaft (und zurück) rufen regelmäßig Kritik hervor. Beim Pressetermin in Berlin allerdings zeigt sich die andere Seite. Anlass ist die Herabsetzung der Alarmstufe Gas durch das Wirtschaftsministerium, ein eher harmloses Thema. Darüber hinaus werden kenntnisreich Fragen gestellt, die Palette reicht von den LNG-Terminals bis hin zur Stahlproduktion.
Klimaziel kein Selbstläufer
Reiche antwortet konzentriert, zeigt sich gut im Stoff. Sie habe kürzlich die Klimaziele kassiert, wirft ihr ein Journalist vor. Die Ministerin stutzt, überlegt kurz, und weist das dann zurück. Selbstverständlich stehe sie zum Ziel der Klimaneutralität bis 2045, stellt sie klar. Sie lege aber Wert auf die Feststellung, dass die Erreichung dieses Ziels „alles andere als easy-going“ sei, ergänzt Reiche.
Ein „neues Wirtschaftswachstum“ verspricht die Bundesregierung gleich im ersten Kapitel ihres Koalitionsvertrages. Mit Durchhalteparolen ist, das haben die letzten Jahre gezeigt, das nicht zu schaffen. Eine gesunde Portion Realismus scheint angebracht.
Zitat: "Mit Reiches Amtsantritt ändert sich einiges im Bundeswirtschaftsministerium, das bezieht sich nicht nur auf die Optik." Richtig. Sie hat Führungspersonal im großen Stil ausgetauscht. Und die, die gehen mußten, taten das sicherlich nocht für ein Butterbrot. Sonst noch was Wesentliches unter Miniksterin Reiche?
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