Es ist eine forsche Idee, die der Europaparlamentarier Sergey Lagodinsky (Grüne) am Sonntag in einem Papier vorgestellt hat. Die EU sollte gezielt Tech-Plattformen aufkaufen und dann zusammen mit privaten Unternehmen betreiben, forderte er. Anfangen möchte Lagodinsky mit der chinesischen Videoplattform Tiktok. Die steht in den USA gerade teilweise zum Verkauf. „Eine ideale Gelegenheit für einen solchen Einstieg“, meint Lagodinsky. Er will den europäischen Teil der Plattform übernehmen lassen.
In anderen Parteien stößt die Idee weitgehend auf Ablehnung. Es sei zwar ein „spannender Vorschlag, um mehr Aufmerksamkeit auf die Diskussion zu lenken“, sagt Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, unserer Redaktion. Jedoch sei die Idee nicht praktikabel. Ähnliche Töne kommen aus der Union. Das Argument: Was wäre, wenn China im Gegenzug deutsche Firmen im Reich der Mitte aufkaufen würde? Ähnlich äußerte sich auch der Augsburger Abgeordnete und digitalpolitische Sprecher der FDP, Maximilian Funke-Kaiser. „Staatlich finanzierte Social-Media-Plattformen als Alternative zu bestehenden Plattformen sind weder praktikabel noch sinnvoll.“ Und ergänzt: „Der Eingriff in den Wettbewerb darf nur die Ultima Ratio sein, schließlich zieht diese Praxis einen Rattenschwanz an ordnungspolitischen Fragen nach sich.“
Die Macht von Plattformen wie Facebook oder X wird zum Problem
Dabei ist man sich über Parteigrenzen hinweg weitgehend einig, dass Falschnachrichten und die Macht der Plattform-Betreiber zunehmend zum Problem werden. „Wir müssen unsere digitale Freiheit gegen die Tech-Giganten verteidigen“, sagt Zimmermann. „Insbesondere dann, wenn diese selbst immer mehr verschwörungstheoretisch ausgerichtet sind.“ Angefacht wurde die Debatte kürzlich durch die offene Wahlwerbung von X-Besitzer Elon Musk für die AfD sowie die Ankündigung von Meta-Chef Mark Zuckerberg, in den USA künftig auf externe Faktenchecks zu verzichten.
In der Europäischen Union unterliegen die Plattformen dem Digital Services Act (DSA). Demnach können die Unternehmen mit Strafzahlungen von bis zu sechs Prozent ihres weltweiten Umsatzes bestraft werden, wenn sie rechtswidrige Inhalte nicht entfernen. Darunter fallen beispielsweise Morddrohungen oder Beleidigungen. Auch gezielte Desinformationskampagnen können strafbar sein. Allerdings sind die Regeln dabei weitaus schwammiger. Denn reine Falschbehauptungen sind nicht ohne weiteres justiziabel. Und die Tech-Unternehmer wehren sich vehement gegen jede Form der Einmischung. Im Fall von X drohte der amerikanische Vizepräsident J.D. Vance im Wahlkampf gar damit, Nato-Staaten die Unterstützung zu entziehen, sollten sie die Plattformen bestrafen.
Friedrich Merz fordert eine strengere Regulierung
Die Sorge über zunehmende Desinformation griff kürzlich auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz auf. In seinem Newsletter forderte er eine strengere Regulierung der Plattformen. „Richtig und falsch mögen die falschen Kategorien sein, anhand derer Inhalte geprüft werden. Aber soll deshalb alles erlaubt sein?“, schrieb er. Wer bereit sei, alles hinzunehmen, „der liefert die Meinungsfreiheit binnen kürzester Zeit den Feinden der Meinungsfreiheit aus“, schrieb Merz. „Und dann ist es auch um den Rest unserer Demokratie nicht mehr gut bestellt“. Konkrete Vorschläge für eine Regulierung jedoch lieferte Merz nicht.
Jens Zimmermann fordert ein entschiedeneres Vorgehen der EU-Kommission gegen die Plattformen. Vor allem die laufenden Verfahren gegen Musks Plattform X sollten zeitnah abgeschlossen werden. „Zudem erwarte ich, dass die Kommission umgehend ein entsprechendes Verfahren gegen Meta einleitet, sollten die entsprechenden Änderungen tatsächlich so umgesetzt werden.“ Funke-Kaiser von der FDP ergänzt: „Konzerne wie Meta müssen sich – unabhängig von der Unternehmenspolitik in den USA – weiterhin an geltendes deutsches und europäisches Recht halten.“
Die EU-Kommission bleibt nicht untätig
Immerhin: Gegen X versucht die EU-Kommission den DSA aktuell mit Nachdruck durchzusetzen. So forderte die Kommission das Unternehmen auf, ihr Zugang zu internen Dokumenten über dessen Algorithmen sowie zu Programmierschnittstellen zu gewähren. Damit soll geprüft werden, ob X sich an die Vorschriften der Europäischen Union hält. Bisher zeigte das Unternehmen wenig Kooperationsbereitschaft.
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