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Interview: DAK-Chef Storm lobt Koalitionspläne – und warnt

Interview

„Großer Nutzen für Patienten“: DAK-Chef Storm lobt Koalitionspläne und warnt Parteichefs

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    DAK-Chef Andreas Storm: Wenn die angedachten Reformen so kommen, werden die Patienten den größten Nutzen haben und dies mehrfach spüren.
    DAK-Chef Andreas Storm: Wenn die angedachten Reformen so kommen, werden die Patienten den größten Nutzen haben und dies mehrfach spüren. Foto: Marcus Brandt, dpa

    Herr Storm, Sie sind Chef der DAK-Gesundheit, die mit weit über fünf Millionen Versicherten zu den größten deutschen Krankenkassen zählt. Wie bewerten Sie die bisherigen Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD im Bereich Gesundheitspolitik?
    ANDREAS STORM: Wir sehen die bisherigen Verhandlungsergebnisse sehr positiv, weil die nächste Regierung damit große Probleme auf richtige Weise angehen will. Die Vorschläge der Verhandlungsgruppe bieten die Chance für eine Wende in der Gesundheits- und Pflegepolitik, endlich eine nachhaltige und qualitative Stärkung unseres Gesundheitswesens für die Menschen zu erreichen. Es gibt drei zentrale Aspekte: Die Spirale der Beitragserhöhungen in der Kranken- und Pflegeversicherung muss zwingend gestoppt werden. Hier sehe ich die richtigen Ansätze. Zweitens brauchen wir Effizienzsteigerungen auf der Ausgabenseite. Hier werden mit dem Vorschlag eines sogenannten Primärarztsystems die entscheidenden Weichen für eine bessere Patientensteuerung gestellt. Und die Parteien versprechen eine nachhaltige Reform der Pflegeversicherung. Falls all diese Punkte tatsächlich im Koalitionsvertrag verankert werden, wäre das wirklich ein großer Fortschritt für das Gesundheitssystem.

    Was bringen diese Vorschläge außer Finanzfragen den Patientinnen und Patienten? Muss man sich in Zukunft wieder für jeden Facharzttermin eine Überweisung beim Hausarzt holen?
    STORM: Wenn die angedachten Reformen so kommen, werden die Patienten den größten Nutzen haben und dies mehrfach spüren. Sie würden von einer besseren Versorgungsqualität profitieren, von einer besseren Patientensteuerung durch das sogenannte Primärarztsystem und von einer modernisierten Krankenhauslandschaft. Das Primärarztsystem weist einen wesentlich besseren Weg durch das Dickicht des Gesundheitswesens. Ziel ist eine bessere Steuerung der Patienten, sodass Behandlungen nahtlos aufeinander abgestimmt werden - vom Hausarzt über Fachärzte bis zur Physiotherapie. Im Gegenzug erhalten die Patienten eine Termingarantie. Ziel ist, die für gesetzlich Versicherte völlig unbefriedigenden, oft monatelangen Wartezeiten in den Griff zu bekommen.

    Wie soll das gelingen?
    STORM: Wer keinen Facharzttermin erhält, soll das Recht zu einer ambulanten Facharztversorgung im Krankenhaus bekommen. Das wird insgesamt dazu führen, dass wir durch gezielte Steuerung Kosten sparen und gleichzeitig eine qualitativ bessere Versorgung sicherstellen.

    Union und SPD versprechen den Kassen mehr Geld, vor allem für die Kosten der Versorgung der Bürgergeldempfänger. Das hatte schon die Ampel versprochen und nicht eingehalten...
    STORM: Die Krankenkassen erhalten aus dem Bundeshaushalt nur etwa ein Drittel der Mittel, die sie für die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldempfängern benötigen. Hier besteht eine Finanzierungslücke von rund zehn Milliarden Euro. Da dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, sollte sie aus Steuermitteln finanziert werden. Gleiches gilt für die soziale Absicherung von pflegenden Angehörigen. Dafür sind im Koalitionspapier vier Milliarden Euro vorgesehen. Diese versicherungsfremden Leistungen müssen aus der Steuerkasse finanziert werden und nicht allein von Beschäftigten, Rentnern und Arbeitgebern.

    Inwiefern würden die Beitragszahler davon profitieren?
    STORM: Zum Jahreswechsel hatten wir die höchste Beitragserhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik. Eine kurzfristige Stabilisierung ist nur möglich, wenn versicherungsfremde Leistungen in der Kranken- und Pflegeversicherung ausreichend durch Steuermittel finanziert werden. Ohne diese Gelder wären erneute massive Beitragserhöhungen unvermeidlich. Die notwendigen Strukturreformen, wie das neue Primärarztsystem, die Notfall- und die Krankenhausreform, benötigen Zeit, bis sie wirken. Ohne Steuerfinanzierung droht in der Sozialversicherung ein weiterer Beitragstsunami. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe von Union und SPD können die immer weiter nach oben drehende Beitragsspirale brechen.

    Die Gesundheitspolitiker von Union und SPD waren sich schnell einig, aber ihre Pläne kosten viele Milliarden. Glauben Sie, dass die Finanzpolitiker und Parteichefs das einfach so durchwinken?
    STORM: Kurzfristig kosten die Vorschläge zusätzliches Geld, bis die Reformen greifen, mittelfristig werden sie aber zu großen Einsparungen führen. Deshalb ist es wichtig, dass die Parteien die Vorschläge ihrer Gesundheitspolitiker jetzt konsequent umsetzen, denn nur so lässt sich eine Beitragsstabilität bis zum Ende der Wahlperiode erreichen. Das ist entscheidend für die anstehenden Reformen in der Kranken- und Pflegeversicherung. Eine große Reform der Pflegeversicherung wird keine Akzeptanz finden, wenn parallel eine Beitragserhöhung droht. Vor allem geht es auch um die Wirtschaft, die nach drei Jahren endlich aus der Stagnation herauskommen muss. Weiter steigende Lohnnebenkosten wären Gift für den Aufschwung.

    Die neue Koalition will anders als die Ampel die 25 Milliarden Kosten der Klinikreform nicht mehr allein den Kassen aufdrücken, sondern im Sondervermögen für Infrastruktur finanzieren. Wirkt sich das auf die Beiträge aus?
    STORM: Der Gesundheitssektor trägt knapp 13 Prozent zur gesamten Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik bei. Deshalb ist es absolut gerechtfertigt, dass von den geplanten 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz 25 Milliarden Euro in die Krankenhausreform fließen. Ansonsten hätten die Kassen die Beiträge kommendes Jahr erneut um 0,15 Prozentpunkte erhöhen müssen.

    Die Parteien versprechen wolkig eine „große Pflegereform“. Was wären die notwendigsten Punkte?
    STORM: Wir brauchen eine Reform, die in drei zentralen Bereichen Verbesserungen für die Betroffenen bringt: Erstens eine Begrenzung der Eigenanteile in Pflegeheimen, zweitens eine bessere Unterstützung für pflegende Angehörige und drittens eine Überwindung der starren Trennung zwischen ambulanter und stationärer Pflege. Auch hier sehe ich in dem Papier der Arbeitsgruppe die richtigen Ansätze.

    An diesem Wochenende verhandeln nun die Parteichefs über die Vorschläge der Arbeitsgruppen. Was wünschen Sie sich, sollten die Chefs auf ihre Gesundheitspolitiker hören und die nötigen Mittel dafür bereitstellen?
    STORM: Die Parteichefs sollten jetzt eine kluge Prioritätensetzung vornehmen. Die Stabilisierung der Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung muss zu den obersten Prioritäten der künftigen Bundesregierung gehören. Der Vertrauensverlust wäre gewaltig, wenn die nächste Koalition die Erwartungen nicht erfüllt. Das Vertrauen in das deutsche Gesundheitssystem und die Pflege hat bereits stark gelitten. Auch internationale Vergleichsstudien belegen, dass die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat. Um diesen Trend umzukehren, brauchen wir stabile Beiträge und Strukturreformen, um die Qualität der Versorgung zu verbessern.

    Zur Person: Andreas Storm (60) ist seit sieben Jahren Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse DAK-Gesundheit. Zuvor war der Ökonom unter anderem CDU-Staatskanzleichef und Sozialminister im Saarland.

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    4 Kommentare
    Wolfgang Leonhard

    Ich war überrascht über diese positive Überschrift und habe nach konkreten Reformen und Verbesserungen im Text gesucht. Außer nichtssagenden Schlagworten und bloßen Absichtserklärungen habe ich nichts gefunden. Ich frage mich, woher die plötzlichen Verbesserungen kommen sollen. Der Fachkräftemangel und die knappen Ressourcen verschwinden ja nicht einfach, nur weil das System mit Geld auf Pump geflutet wird. Aber das reicht dem DAK-Chef anscheinend.

    Franz Xanter

    Da lacht man sich kaputt über solche Aussagen in dem Artikel. Bessere Steuerung, bessere Terminmöglichkeit bei Facharztnotwendigkeit, wenn nicht dann ab ins Krankenhaus, wo eh schon alles überlastet ist, wenn überhaupt noch offen, aber da wir die Zeitvorgaben bei Rettungsfahrten eh aufweichen, werden einige davon eh nicht partizipieren, da leider zu spät Hilfe ankam, aber wie ich lesen konnte, kein Wort über das unsägliche unwirtschaftliche System der Kassen. Nun denn, lasst die mal mache, nur sehe ich in weiter Ferne keine Verbesserung.

    Maria Reichenauer

    Ein Wischiwaschi-Interview, das nur Zeilen bringt, aber keine neuen Erkenntnisse, nur die üblichen Schlgworte. Außerdem haben wir bis jetzt weder eine Koalition noch eine Regierung. Ich halte es für unlauter, das Fell des Bären zu verteilen, bevor er erlegt ist.

    Anton Bäurle

    Ich würde als erstes die 100 Krankenkassen in Deutschland um mindestens 75% reduzieren um den unnützen Wasserkopf zu reduzieren und vor allem die exorbitanten Gehälter der sogenannten Vorstände zu sparen. Das wäre doch mal ein Schritt in die richtige Richtung! Aber wer sägt schon gerne auf dem bequemen Ast auf dem er sitzt. Unser Gesundheitssystem ein Selbstbedienungsladen.

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