
Gesetz zur Kinderpornografie wird zum Problem


Exklusiv Wer kinderpornografisches Material auf dem Handy hat, um es zu melden, macht sich strafbar. Trotz Kritik lässt sich Justizminister Buschmann Zeit mit einer Anpassung.
Stellen Sie sich vor, Sie wollen etwas Gutes tun und das intime Video einer 13-Jährigen, das an einer Schule die Runde macht, der Polizei melden. Damit Sie ein Beweismittel haben, lassen Sie sich das Video zuschicken – und machen sich damit strafbar, riskieren eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Denn Sie sind damit im Besitz von Kinderpornografie.
Schuld ist das Gesetz zur Verbreitung, zum Erwerb und zum Besitz derartiger Inhalte, das 2021 von der Großen Koalition verschärft wurde. Expertinnen und Experten warnten schon damals davor, dass damit nicht nur Kriminelle und Pädophile, sondern auch Eltern, Lehrkräfte und Betreuende bestraft werden, die lediglich aufklären wollen. Diese Warnungen haben sich inzwischen bewahrheitet. Und obwohl eine Änderung des betreffenden Paragrafen 184b im Strafgesetzbuch bereits mehrfach von der Justizministerkonferenz angemahnt wurde, scheint sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Zeit zu lassen.
Wer kinderpornografische Inhalte verbreitet oder besitzt, macht sich strafbar
Aufmerksamkeit erregt hat der Paragraf jüngst im Fall einer Lehrerin an einer Westerwälder Schule. Sie hatte Medienberichten zufolge von dem kinderpornografischen Video einer 13-jährigen Schülerin erfahren und lud sich dieses auf ihr Handy, um die Mutter zu informieren. Nun drohen der Frau mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe sowie der Verlust ihres Beamtenstatus und damit ihres Berufs.
Auf Anfrage erklärte ein Sprecher von Minister Buschmann, das Bundesjustizministerium arbeite gegenwärtig an einem Referentenentwurf, "damit im Paragraf 184b Strafgesetzbuch eine tat- und schuldangemessene Sanktionierung auch bei Taten am unteren Rand der Strafwürdigkeit in allen Einzelfällen wieder gewährleistet werden kann". Heißt: Eine Anpassung des Paragrafen, der sowohl Eltern als auch Betreuungskräfte bestraft, die eigentlich bloß zur Aufklärung eines kinderpornografischen Verbrechens beitragen wollen, ist in Arbeit.
Zu weiteren Details könne man sich jedoch nicht äußern, wie der Sprecher ergänzte. „Wir werden den entsprechenden Entwurf zeitnah vorlegen. Wir wollen das natürlich entsprechend sorgfältig erarbeiten.“ Das erfordere „ein bisschen Zeit in der Ausgestaltung“. Auf Nachfrage, ob es einen Brief an die Richterschaft geben werde, der empfehle, in einem Fall wie der Lehrerin aus dem Westerwald abwartend zu urteilen, sagte der Sprecher: „Wir werden natürlich nicht auf die Justiz hinwirken, etwas nicht zu verhandeln oder etwas nicht zu tun, was gerade geltendes Recht ist.“
Bundesjustizministerium arbeitet an einem Referentenentwurf
Zu den scharfen Kritikern der aktuellen Gesetzgebung gehört der Deutsche Richterbund (DRB). Sven Rebehn, DRB-Bundesgeschäftsführer, sagte unserer Redaktion: "Aus Sicht der Justizpraxis müssen die handwerklich verunglückten Strafverschärfungen gegen Kinderpornografie aus dem Jahr 2021 schnellstmöglich korrigiert werden. Die Änderungen sind vor zwei Jahren gegen den Rat aller Experten durchgesetzt worden, deren Bedenken sich leider voll bestätigt haben."
Inzwischen würden sich die Hilferufe zum Beispiel von Lehrern und Eltern, die in Klassenchats auf Fälle von Kinderpornografie aufmerksam geworden sind und die Dateien in bester Absicht gesichert oder an die Schulleitung weitergeleitet haben, häufen. "Die vermeintlich gute Tat des Aufklärens wird für sie zum Bumerang. Schriftliche Strafbefehle oder Einstellungen von Verfahren gegen Auflagen sind nach geltendem Recht nicht mehr möglich. Die Justiz muss deshalb eine Vielzahl von Fällen verfolgen, die eigentlich nicht vor die Strafgerichte gehören", so der DRB-Bundesgeschäftsführer. Das binde viel Personal in den ohnehin überlasteten Staatsanwaltschaften und Gerichten, das dringend für die Bekämpfung der kriminellen Szene gebraucht werde.
Vorschläge aus der Justizpraxis für eine Korrektur der missglückten Strafvorschriften liegen laut Rebehn bereits seit Monaten auf dem Tisch: "Es ist höchste Zeit, dass der Bundesjustizminister die Ampel-Gespräche darüber zum Abschluss bringt und im September ein Reparaturgesetz vorlegt. Das Thema ist dringlich."
Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.
Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.
Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.
Hier kann man sehr schön das unkoordinierte, fehlerhafte und dumm-gefährliche Vorpreschen von Politikern und Politikerinnen gegenüber den Wählenden sehen. Mit der fachlichen Qualifikation insbesondere der beratenden Fachleute scheint es nicht sehr weit her zu sein. Sehr beunruhigend ist auch, dass entsprechend vorhandene Warnungen von tatsächlichen Fachleuten vollkommen ignoriert wurden. Mit der deutschen Politik geht es leider immer mehr bergab.
Ich habe mich alleine ein dreiviertel Jahr auf die Straße mitten in Augsburg gestellt um gegen Kindesmissbrauch, Gewalt an Kindern zu demonstrieren.. und keinen hat es interessiert. Ich bin beschimpft, beleidigt, bedroht und sehr krank geworden.. Ich kann nicht begreifen wie ein Staat, Eltern oder Gesellschaft ihre Nachkommen so vernachlässigen und bei soviel Unrecht wegsehen können. Kinder haben ein Recht auf Schutz und Fürsorge, was das Grundgesetz schon hergibt.. Deutschland ist Politisch wie Gesellschaftlich ein kinderfeindliches Land, weil sie Kinder nur als Kostenfaktor sehen, der keinen Mehrwert schafft. Der Welt deren unbegleitete Kinder wir aufnehmen zeigt unsere Politik ein freundliches Gesicht, kümmert sich aber nicht darum, sondern geben sie an die Bürger weiter.
Mich wundert die plötzliche Fürsorge der Grünen und all der anderen Parteien.. sie schaffen es nicht mal den Kinderschutz ins Grundgesetz zu bringen.. Wir beklagen dass in den Kriegsländern wie der Ukraine, es Kinder schlecht geht, sehen aber unsere eigenen Kinder in einem nicht Kriegsland nicht, die vergewaltigt, missbraucht, geschlagen, unterdrückt und sogar ermordet werden..
Solange unsere Gesellschaft, Eltern diese (oft bekannten ) Männer schützt und wegsehen, wird es nicht aufhören.
Diese Doppelmoral wird man auf Dauer nicht aufrecht erhalten können.. irgendwann schlagen diese Kinder brutal zurück.. Daher auch der große Hass auf die Erwachsenen.. sie fühlen sich von Ihnen im Stich gelassen..
Was ist jetzt daran so schwierig, das Gesetz zu korrigieren, Herr Buschmann? Es reicht doch ein neuer Absatz, der diejenigen, die lediglich Beweise weiterleiten, straffrei stellt. Ob man einen Beweis lediglich weiterleitet oder vorher monatelang auf seinem Handy hatte, lässt sich technisch sicher ohne Aufwand nachweisen. Wenn es um Autofahrer ginge, wäre das Gesetz schon längst verabschiedet. Trauerspiel!
Was jetzt wieder in die Öffentlichkeit getragen wird .. das kennen wir schon seit Jahrzehnten.. und hat bisher nur ganz wenigen Kindern geholfen.
Ganz so einfach ist es nicht wie Sie es darstellen, @Gabriele S.. Wie wollen Sie denn beweisen, daß man nur beweisen wollte? Ich kenne den Königsweg nicht.
Jeder kann dank dieser fragwürdigen Rechtssprechung zum Straftäter werden. Wie einfach ist es für einen Dennunzianten, jemand, dem man schaden will, Drogen, Hehlerware, rechtsradikale Literatur, Bilder nackter Kinder unterzuschieben oder einfach nur anonyn eine Straftat zu unterstellen. Als erstes wird dann von der Polizei um 6 in der früh die Wohnung durchwühlt und so ein Staatsanwalt will, der unschuldige erstmal in Untersuchungshaft gesteckt.
Und wenn dann ein Konsument und Vertreiber von Kinderpornos erwischt wird und dann angibt er hätte das nur zur Beweissicherung?
Konsumenten und Vertreiber haben ja nicht nur ein Bild oder Video sondern bestimmt mehrere und denen fehlt ja in der Regel die Geschichte, wie sie dazu gekommen sind und von wem sie Schaden abwenden wollen. So viel Gespür trau ich den Ermittlungsbehörden schon zu.
Dieses Gesetz fördert unsere eh schon gewachsene Wegschau-Gesellschaft. An der Schule von der westfälischen Lehrerin werden sicherlich die Augen jetzt zugemacht. Und? Wollen wir da hin?
Lieber Michael G. Wenn irgendein Vollidioten Ihnen ein Kinderporno aufs Handy schickt, dann zeigen Sie das bei der Polizei an und werde dann selbst auch angezeigt. Dann gehen Sie freiwillig für 1 Jahre in den Knast?