Geiselnahme am Hamburger Flughafen: Zeuge schildert Kindesentführung
18 Stunden lang befand sich ein bewaffneter Mann mit seinem Kind als Geisel auf dem Vorfeld des Hamburger Flughafens. Ein Zeuge hat die Kindesentführung zuvor beobachtet.
Vor der 18-stündigen Geiselnahme einer Vierjährigen auf dem Hamburger Flughafen hat die Mutter laut einem Zeugen verzweifelt versucht, ihren Ex-Partner zu stoppen. Die Frau habe auf der Straße geschrien und probiert, sein Auto anzuhalten, sagte am Montag in Stade ein Nachbar der Mutter der dpa. Der Mann habe die Frau fast angefahren, danach sei sie auf der Straße zusammengebrochen. Der 24-Jährige war nach eigenen Angaben Zeuge der Kindesentführung geworden.
Laut Polizei hatte der 35-Jährige am Samstag seine von ihm getrennt lebende 38 Jahre alte Ehefrau in Stade aufgesucht und die gemeinsame Tochter in seine Gewalt gebracht. Er habe zweimal mit einer Pistole in die Luft geschossen, das Kind in einen schwarzen Wagen gesetzt und sei geflüchtet.
Zeuge beobachtete Kindesentführung
Er habe der Frau helfen wollen, sagte der Zeuge. Sein Bruder habe dann aber geschrien, dass der Mann eine Waffe habe. "Ich war schockiert", sagte der 24-Jährige. Der Mann habe das Kind ins Auto reingeschoben und sei mit hoher Geschwindigkeit weggefahren. Er habe nicht nur die Frau, sondern auch einen anderen Nachbarn fast angefahren. Die Familie kenne er nicht persönlich.
Die dramatischen Szenen spielten sich in einem Wohnviertel mit rot geklinkerten Mehrfamilienhäusern und Reihenhäusern ab. "Es ist eine ziemlich ruhige Gegend", sagte der 24-Jährige.
Dem 35-Jährigen war bereits im Sommer 2022 durch ein Familiengericht das Sorgerecht für seine Tochter entzogen worden, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade am Montag sagte. Er war schon in der Vergangenheit wegen Kindesentziehung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Auch dem Jugendamt des Landkreises Stade ist die Familie bekannt. "Nähere Hintergründe können wir aus Gründen des Sozialdatenschutzes und aus Rücksicht auf das Kindeswohl an dieser Stelle nicht mitteilen", sagte ein Behördensprecher der dpa.
18-stündige Geiselnahme am Flughafen Hamburg
Mit dem Kind flüchtete der Mann in Richtung Hamburg. Am Flughafen hatte er eine Absperrung durchbrochen und war mit dem Auto aufs Vorfeld des Airports gefahren. Dafür nutzte er einen Mietwagen, wie die Polizeiinspektion Stade am Montag bekannt gab. Nach einem mehr als 18-stündigen Nervenkrieg hatte sich der Mann am Sonntagnachmittag der Polizei ergeben. Die Geiselnahme ging unblutig zu Ende.
Der Geiselnehmer mit türkischer Staatsbürgerschaft sollte im Lauf des Montags dem Haftrichter vorgeführt werden. "Noch gibt es keinen Haftbefehl, es hat noch keine Vorführung beim Haftrichter stattgefunden", sagte Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering am Vormittag.
Aus "polizeitaktischen Gründen" wenig Infos zum Täter
Die Polizei Hamburg hielt sich zunächst mit weiteren Informationen zu dem 35 Jahre alten Geiselnehmer vom Hamburger Flughafen zurück. Die Frage, ob der Mann möglicherweise beim Airport gearbeitet habe und deshalb mit den Örtlichkeiten vertraut war, konnte der Sprecher mit Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren nicht beantworten. "Darüber hinaus kann ich auch aus polizeitaktischen Erwägungen keine Auskunft dazu erteilen", hieß es weiter.
Der Täter war laut Polizei nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen in einem Untersuchungsgefängnis untergebracht worden. Dabei seien Beweismittel sichergestellt, der Mann erkennungsdienstlich behandelt und ihm Blut entnommen worden, erklärte ein Polizeisprecher dazu.
Hamburger Airport will Sicherheitskonzept erhöhen
Als Reaktion auf die Geiselnahme will der Hamburger Flughafen sein Sicherheitskonzept erhöhen. "Wir werden weitere bauliche Maßnahmen umsetzen, um mögliche Zugangspunkte zum Sicherheitsbereich zu verstärken", sagte eine Flughafensprecherin dazu am Montag in Hamburg. Vorfälle wie die Geiselnahme zeigten, dass die Sicherheitskonzepte laufend neu bewertet werden müssen. "Das gilt für die gesamte kritische Infrastruktur, aber eben auch ganz konkret für den Flughafen Hamburg."
Unter anderem hatte die AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen kritisiert. "Weihnachtsmärkte und Volksfeste sind stärker gesichert als der Hamburger Flughafen", sagte der Fraktionschef und innenpolitische Sprecher Dirk Nockemann. "Das ist verwunderlich, denn vor einigen Monaten spazierten Klimakleber bereits auf das Rollfeld und hielten den Betrieb auf." Es könne doch nicht sein, dass eine Drahtschere oder eine Autofahrt ausreiche, um den Flughafen lahmzulegen.
Bund stellt sich hinter örtliche Sicherheitsmaßnahmen
Grundsätzlich seien die deutschen Flughäfen sehr sicher, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Zugleich würden jeder Vorfall und jede mögliche Gefahr sehr ernst genommen, und man stehe mit Betreibern und Behörden dazu in engem Austausch, machte ein Sprecher des Verkehrsministeriums deutlich. Solche Vorfälle seien zudem Anlass, Sicherheitskonzepte zu hinterfragen, erläuterte eine Sprecherin des Innenministeriums.
Das Bundesinnenministerium dankte den Einsatzkräften und erläuterte, die örtlichen Notfallkonzepte für eine solche Lage hätten gegriffen. Der Ablauf werde Gegenstand von Ermittlungen sein. Generell seien die Betreiber dazu verpflichtet, das Gelände gegen unberechtigten Zugang zu sichern, die Aufsicht darüber liege bei den Ländern.
Wenige Stunden nach dem unblutigen Ende der Geiselnahme war der Flughafen am Montagmorgen wie geplant in den Normalbetrieb gestartet. Gegen 6.00 Uhr waren die ersten Maschinen in Richtung Lissabon und Frankfurt am Main abgehoben, wie aus dem im Internet veröffentlichten Flugplan hervorging. Im Anschluss sollten weitere Maschinen eng getaktet folgen. Bereits am Sonntag war der Flugbetrieb nach dem Ende des Polizeieinsatzes gegen 17.30 Uhr wieder angelaufen. Bis Betriebsende war es noch zu Streichungen und Verzögerungen gekommen. (dpa)
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Die Frage, wie ein Privatauto auf das Rollfeld des Hamburger Flughafens Fuhlsbüttel gelangen konnte, sollte schon ausführlich beantwortet und daraus für die zukünftiger Vermeidung die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden?
Gleichzeit sollte der vermeidliche Geiselnehmer sich glücklich schätzen seine Tat in Deutschland verübt zu haben, in anderen Ländern hätte er den heutigen Sonntag nicht erlebt.