Bald-Bundeskanzler Friedrich Merz hat sein Kabinett präsentiert und damit gleich für mehrere Überraschungen gesorgt. So hat sich der CDU-Politiker nicht nur für einige eher unbekannte Namen entschieden, sondern auch drei Ministerposten mit Vertretern aus der Wirtschaft besetzt, die zuletzt politisch nicht aktiv waren.
Pro: Wirtschaftsvertreter bringen andere Sichtweisen in die Politik
Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal: Der Bundestag ist voller Abgeordneter, die nichts anderes kennen als Politik. Seiteneinsteiger wie der neue Digitalminister Karsten Wildberger oder Rückkehrer wie die neue Wirtschaftsministerin Katharina Reiche bringen deshalb etwas Befruchtendes mit in die Bundespolitik: andere Sichtweisen, effizienteres Denken, praktische Erfahrungen. Auch der künftige Staatsminister für Kultur und Medien, Wolfram Weimer, und der neue Agrarminister Alois Rainer gehören in einem etwas weiteren Sinne zu den Wirtschaftsleuten im Kabinett von Friedrich Merz, Verleger der eine, Metzgermeister der andere. Sie alle wissen besser als jeder Jurist, jeder Politologe und jeder Beamte im Parlament , worauf es bei der Wirtschaftswende ankommt.
Als die Grünen in der Ampelkoalition Spitzenpositionen in Ministerien mit Greenpeace-Aktivisten und Öko-Funktionären zu besetzen begannen, hat darüber kaum jemand öffentlich Klage geführt. Dabei waren das lupenreine grüne Lobbyisten. Die Quereinsteiger jedoch, die Merz geholt hat, kommen weder direkt aus einem Wirtschaftsverband noch aus einer vergleichbaren Organisation. Der Vorwurf, sie seien nur notdürftig getarnte Interessensvertreter der Arbeitgeber- oder Kapitalseite, zielt schon deshalb ins Leere. Und überhaupt: Gemessen werden sollten die Neuen allein an ihrer Arbeit, mit der sie ja noch nicht einmal begonnen haben. Üblicherweise lässt man ihnen 100 Tage Zeit.
Auch der Vorwurf, hier regierten Manager und Unternehmer ohne demokratisches Mandat mit, führt in die Irre. In einer perfekten politischen Welt haben Minister und Staatssekretäre gar kein Abgeordnetenmandat, schließlich soll ein Parlament ja die Regierung kontrollieren. Gewählt ist der Kanzler, der dem Bundespräsidenten seine Minister zur Ernennung und gegebenenfalls auch wieder zur Entlassung vorschlägt. Nancy Faeser und Boris Pistorius, das nur nebenbei, hatten bisher auch kein Abgeordnetenmandat. Vorgeworfen haben ihnen das nicht einmal ihre politischen Gegner. (Rudi Wais)

Contra: Manager als Minister schaden der Glaubwürdigkeit
Friedrich Merz hat gleich drei Ministerposten mit Wirtschaftsvertretern besetzt, die allesamt kein Bundestagsmandat besitzen. Ministerinnen und Minister ohne Abgeordnetenmandat gab es zwar vorher schon, jedoch waren diese bereits in anderen politischen Positionen tätig. Ministerposten direkt aus der Wirtschaft zu besetzen, ist nicht nur ein schlechtes Zeichen für die Demokratie – sondern auch für die Glaubwürdigkeit der neuen Bundesregierung.
Die Wirtschaftsnähe der Union ist wahrlich nichts Neues, doch mit welcher Unverblümtheit sich Friedrich Merz den Lobbyverbänden anbiedert, nimmt nahezu groteske Züge an. Katherina Reiche soll Wirtschaftsministerin werden und wechselt als Chefin von „Westenergie“, der größten Tochter des Energiekonzerns Eon, zurück in die Politik. Sie sorgte bereits 2015 für Aufsehen, als sie nach 17 Jahren als CDU-Abgeordnete direkt zu einem Lobbyverband wechselte – knapp vor der Einführung von Karenzzeiten für Regierungsmitglieder und Staatssekretäre. Während es für den Wechsel aus der Bundesregierung zu Unternehmen und Verbänden seitdem Regeln gibt, gilt das für den umgekehrten Fall nicht. Ein fatales Signal für die Glaubwürdigkeit.
Ja, der designierte Digitalminister Karsten Wildberger hört als CEO der Mediamarkt-Saturn-Gruppe auf und verzichtet auf gutes Gehalt. Und auch Wolfram Weimer, zukünftiger Staatskulturminister, gibt seine Geschäftsführer-Tätigkeit ab – an seine Frau. Klar, Ministerinnen und Minister dürfen keine Nebentätigkeiten in Form von Aufsichtsratsmandaten oder Verbandspositionen haben. Doch keiner der drei bisherigen Wirtschaftsvertreter muss seine Unternehmensanteile offenlegen, da sie keine Bundestagsabgeordneten sind. Für gewählte Abgeordnete gilt, dass Beteiligungen ab einer Schwelle von fünf Prozent der Anteile offengelegt werden müssen. Wer also glaubt, dass bisherige Manager komplett frei von Einflüssen ihrer bisherigen Tätigkeit agieren, gibt sich einer Illusion hin. Nicht umsonst jubeln Wirtschaftsverbände deutschlandweit über die Besetzung.
Alle drei haben sicherlich Expertise auf ihren Gebieten, aber haben sie auch das Beste im Sinn für die gesamte Gesellschaft? Zweifelhaft. (Felix Gnoyke)
Ein zweischneidiges Schwert - Wirtschaftsmanager als Minister. Aber warum: Leider tummeln sich in den Parteien und im Parlament vermehrt zu viele Personen, die nur Politik gelernt haben, aber nie im Leben aktiv in der Wirtschaft oder Verwaltung Erfahrung gesammelt haben. Oft haben Politiker heute weder eine abgeschlossene Ausbildung , von Berufserfahrung ganz zu schweigen. Nur um die derzeit verfahrene Lage in den Griff zu bekommen bedarfs es Profis und nur die richtige politische Haltung.
Das Handelsblatt nennt ehemalige herausragende Wirtschaftsminister wie Erhard und Schiller und meint: „Diese Männer hatten Visionen – und sie hatten Macht.“ Ich denke, die genannten ehemaligen Wirtschaftsminister hatten die richtige Sichtweise und sie gingen auch verantwortungsbewusst mit ihrer Macht um. Heute dagegen erhalten „Experten mit anderer Sichtweise“ Ministerposten und auch „Lobbyismus?“ steht hier in der Überschrift.
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