Sobald Tedros Adhanom Ghebreyesus in den vergangenen Tagen über das Pandemie-Abkommen sprach, hellte sich seine Laune sichtbar auf. „Das Pandemie-Abkommen kann die Welt durch verstärkte Zusammenarbeit sicherer machen“, versprach der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation. Das „historische“ Abkommen solle verhindern, dass die Welt noch einmal in eine Katastrophe wie die Corona-Pandemie rutscht. Am Dienstag stieg die Stimmung von Dr. Tedros, wie er genannt wird, noch einmal. Der frühere Außenminister Äthiopiens strahlte, als die WHO-Mitgliedsländer den Pandemie-Vertrag nach drei Jahren Feilschen annahmen. Schauplatz: Die Weltgesundheitsversammlung in Genf.
Der Vertrag regelt unter anderem eine geordnete Beschaffung von Schutzmaterial im Fall einer Pandemie, bessere Überwachung von Krankheiten bei Tieren und Menschen, einen Technologietransfer, so dass auch in ärmeren Ländern Medikamente und Impfstoffe produziert werden können. Ein neues System soll zudem sicherstellen, dass Impfstoffe zügig produziert und ärmere Länder fair mit Impfstoffen versorgt werden.
USA treten aus der WHO aus
Das Ja zum Pandemie-Abkommen bescherte dem Generaldirektor und seiner schwer angeschlagenen Organisation eine kurze Atempause. Kaum war der Applaus verklungen, schaltete die WHO wieder in den Krisenmodus. Denn der Rückzug der USA hat die oberste globale Gesundheitswächterin in einen Überlebenskampf gestürzt, der Austritt des jahrzehntelang wichtigsten Mitgliedslandes wird Anfang 2026 wirksam. Das Gesundheitsfachmagazin The Lancet beschrieb die Lage der WHO vor kurzem als „katastrophal“. Dabei obliegt der WHO die Koordinierungsfunktion bei einem globalen Gesundheitsnotstand.
Bis das Pandemie-Abkommen seinen Schutz entfalten kann, dürften zudem einige Jahre verstreichen. Noch haben sich die Staaten nicht auf einen essenziellen Anhang zu dem Vertrag geeinigt: Darin sollen sie einen Mechanismus schaffen, um den Austausch und den Zugang zu Krankheitsauslösern mit Pandemiepotenzial zu ermöglichen. Pharmafirmen und Labore könnten dann aufgrund des erworbenen Wissens Impfstoffe und Medikamente beschleunigt entwickeln. Im Gegenzug sollen Vakzine, Therapeutika und Diagnostika gerecht verteilt werden. Schon während der Covid-19-Seuche aber stritten sich die Länder genau über diese Themen.
Experten äußern Kritik am Pandemie-Vertrag
Regierungen gehen davon aus, dass die anstehenden Verhandlungen sich mindestens weitere zwölf Monate hinziehen werden. Das Ergebnis muss von einer kommenden Weltgesundheitsversammlung abgesegnet werden. Dann erst können die Mitgliedsländer den Vertrag unterzeichnen und ratifizieren. Sobald 60 Staaten die Ratifizierung abgeschlossen haben, wird das Abkommen in Kraft treten.
Wenn es soweit ist, soll der Vertrag die Souveränität der Staaten nicht antasten. Viele Vorgaben gelten im Rahmen nationaler Gesetze: Nur die Länder selbst können Abriegelungen, Impfkampagnen oder Grenzschließungen anordnen. Die WHO ist dazu weiter nicht befugt.
Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ kritisiert genau diese mangelnde Verbindlichkeit des Abkommens. Melissa Scharwey von Ärzte ohne Grenzen sagte in einer Anhörung des Bundestages. „Ein Ansatz, der auf Freiwilligkeit beruht, hat sich schon während der Corona-Pandemie als unwirksam erwiesen.“ Diplomaten weisen zudem darauf hin, dass die mächtige US-amerikanische Pharmaindustrie und ihre Forschungseinrichtungen nicht an den Vertrag gebunden sein werden.
Weltgesundheitsorganisation steckt in finanziellen Schwierigkeiten
Seit der WHO Gründung 1948 waren die USA wichtigster Impulsgeber der WHO und führten sie zu ihren größten Erfolgen: etwa die Ausrottung der Pocken. Die USA steuerten als größte Beitragszahler bis zu 20 Prozent der Milliarden-Haushalte bei. Mit Präsident Donald Trump änderte sich alles. Kurz nach seiner Vereidigung unterschrieb Trump das Austritts-Dekret und kommentierte: „Das ist eine große Sache.“
Das Programm-Budget der WHO für die Jahre 2026 und 2027 soll nun um 22 Prozent sinken. Ohne die US-Milliarden muss die bürokratisierte WHO sparen, wo es nur geht. Viele der rund 9.500 Angestellten und Mitarbeiter haben ihre Kündigung bereits erhalten. Es drohen Stilllegungen ganzer Einheiten und Kürzungen bei Programmen wie gegen Malaria, Tuberkulose und andere schwere Krankheiten. Der Schrumpfprozess trifft viele notleidende Menschen. Im Gaza-Streifen und im Westjordanland fehlen der WHO 46 Millionen US-Dollar. Auf dem Spiel stehen der Wiederaufbau zerstörter Krankenhäuser und die Verlegung verletzter Kinder in Hospitäler. In Afghanistan sind 80 Prozent der WHO-unterstützten „wesentlichen Gesundheitsdienste“ existenziell gefährdet. Die Unterbrechung von US-finanzierten Projekten könnte, so WHO-Chef Tedros, „20 Jahre Fortschritt zunichtemachen“.
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