Donnerstag, 30. Mai:
Der Regen der vergangenen Tage soll noch stärker werden. Der Deutsche Wetterdienst warnt vor einer prekären Wetterlage. Durch das Tief Orinoco könnten an einigen Stellen, vor allem im Süden und Osten Deutschlands, binnen 48 Stunden bis zu 150 Liter abregnen. Weil der Boden durch einen besonders feuchten Mai bereits mit Wasser gesättigt ist, sei mit Hochwasser an Bächen und Flüssen sowie mit Überschwemmungen zu rechnen.
Freitag, 31. Mai:
Der unwetterartige Starkregen spitzt die Hochwasserlage im Landkreis zu. Immer mehr Gewässer treten über die Ufer. Besonders betroffen sind Neufnach, Zusam und Schmutter. Auch im südlichen Landkreis steigen die Pegel. In der Nacht wird das Rückhaltebecken südlich von Langenneufnach geöffnet. Es hat ein Fassungsvermögen von rund 240.000 Kubikmetern. Aus den kleinen Flüssen Neufnach und Schmutter werden über Nacht große und reißende Fluten. Der Deutsche Wetterdienst warnt weiter vor extremen Dauerregen. Es werden Niederschlagsmengen zwischen 30 und 60 Liter pro Quadratmeter erwartet. In der Nacht erreicht der Messepegel in Fischach die vierte Meldestufe.
Samstag, 1 Juni:
Vormittag: Bereits ab 6 Uhr warnt die Feuerwehr Fischach die Menschen, die an Neufnach und Schmutter wohnen. Der Pegel der Schmutter liegt um 7.30 Uhr bei 283 Zentimetern und damit höher als bei den schweren Hochwassern von 1981, 1991 und 2022. Der höchste jemals gemessene Stand wurde am 22. August 2005 erreicht. Er lag bei 316 Zentimetern. Helfer von BRK und Wasserretter treffen in Fischach ein.

Vier Menschen werden mit dem Hubschrauber aus ihren von den Fluten eingeschlossenen Häusern gerettet. 4000 bis 5000 Sandsäcke werden aufgetürmt. Mütter und Kinder aus dem Fischacher Wohlfühlhaus werden in die Turnhalle nach Willmatshofen gebracht, wo für sie ein Nachtlager eingerichtet wird. Dort wird für die Gäste auch gekocht. In Langenneufnach wird ein Zeltlager mit 30 Kindern und Jugendlichen sowie Betreuern geräumt. Das BRK und die DLRG sind mit Rettungsbooten vor Ort.

Über ein Dutzend Menschen werden von den Wasserrettern mit Booten abgeholt und in Sicherheit gebracht. Der Landkreis Augsburg ruft den Katastrophenfall aus. Damit greift eine einheitliche Kommandostruktur bei Behörden und Hilfsorganisationen, außerdem können sie so mehr Helfer mobilisieren und schneller Gebiete räumen oder sperren lassen. In Nordendorf wird der Notfallplan aktiviert und mithilfe der Bevölkerung und ortsansässiger Firmen unzählige Sandsäcke für die Verstärkung der bestehenden Deiche gefüllt. Mit von Deichfolien und Pflastersteinpaletten entsteht ein provisorischer Deich am südlichen Ortsrand.

Mittag: Der Pegel in Fischach erreicht 300 Zentimeter. Dann fällt er leicht. Nördlich von Burgwalden bricht der Damm eines Fischweihers. Millionen Liter Wasser fließen plötzlich durch das Anhauser Tal. Der Diedorfer Ortsteil Anhausen wird zum Teil evakuiert. Betroffene sollen sich selbstständig in die Diedorfer Schmutterhalle begeben. Ein Zurückziehen in höhere Stockwerke sei nicht ausreichend, heißt es aus dem Landratsamt.
B300 in Gessertshausen und Diedorf gesperrt
Nachmittag: Die Flut des gebrochenen Damms in Burgwalden erreicht Diedorf. An den Bahnunterführungen Oggenhofstraße und Schmutterstraße besteht Lebensgefahr, die B300 ist ab der Diedorfer Ortsmitte gesperrt. Am Nachmittag machen sich Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Hermann ein Bild von der Flut in Diedorf.

Im südlichen Landkreis sind hunderte Einsatzkräfte vor allem entlang der Singold und am Feldgießgraben beschäftigt. Südlich von Langerringen am Burghofweiher wird in einer Notaktion ein Entlastungskanal gegraben. So lässt sich der Damm retten. Die Regierung von Schwaben richtet ab 16 Uhr auf dem Gelände der Messe Augsburg eine Notunterkunft für betroffene Personen aus den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg ein.

Abend: Gegen 17 Uhr müssen Menschen in Dinkelscherben ihr Zuhause verlassen. Eine Evakuierungsaufforderung gilt jetzt auch für Teile von Batzenhofen, Gablingen, Achsheim, Eisenbrechtshofen, Biberbach, Hahnenweiler und Nordendorf. Auch in Kühlenthal müssen Menschen ihre Häuser verlassen.
Nordendorf: Damm soll gehalten werden
Nordendorf wird zum Brennpunkt. Bürgermeister Tobias Kunz beruft den Krisenstab ein, der Hochwasser-Notfallplan wird aktiviert: Er sieht unter anderem vor, die nicht unmittelbar betroffene Bevölkerung zur Hilfe aufzurufen. Jede helfende Hand ist nötig, um Sandsäcke zu befüllen. Der Damm soll gehalten werden. Die Flut zwischen Westendorf und Nordendorf soll mit einem mobilen Deich gestoppt werden.

Helfer füllen unermüdlich Sandsäcke
Nacht: In Turnhalle in Altenmünster wird ein Nachtlager eingerichtet. Während die Helfer im nördlichen Landkreis unermüdlich Sandsäcke befüllen und stapeln, erreicht der Schmutter-Pegel in Achsheim einen historischen Höchststand: Er liegt um 22.30 Uhr bei 185 Zentimetern. Zum Vergleich: Beim Hochwasser im August 2005 waren es 162 Zentimeter. Die Marke für das hundertjährige Hochwasser liegt bei 160 Zentimetern.
Sonntag, 2. Juni
Morgen: Die Überflutungen ziehen erste Stromausfälle nach sich. Im südlichen Landkreis steigt der Grundwasserpegel und lässt Keller volllaufen.

Nachmittag: Die Wassermassen lassen den Behelfsdeich in Nordendorf umkippen. Nach und nach bahnt sich das Wasser sden Weg fast in den gesamten Ort, die Abwasserkanäle und -pumpwerke laufen voll und fallen aus. Die Zusam, die am Pflegeheim Benevit in Altenmünster vorbeifließt, schwillt immer mehr an. Die Lage spitzt sich im Laufe des Nachmittags zu, als im ganzen Ort die Stromversorgung zusammenbricht. Das in der Einrichtung installierte Notstromversorgungssystem wird aktiviert und sichert den Betrieb.

Abend: Die B2 zwischen Nordendorf und Mertingen und die Staatsstraße 2382 Meitingen-Langenreichen ist gesperrt. Letztere ist massiv unterspült. Gesperrt werden auch die Kreisstraßen A 23 Nordendorf-Ehingen, A 24 Nordendorf-Donauwörth sowie A6 Anried bis zur Landkreisgrenze Günzburg. Nicht mehr befahrbar ist auch die Kreisstraße A21 in Altenmünster an der Nahtstelle zur Staatsstraße 2027 in Fahrtrichtung Eppishofen.

Nacht: Der Katastrophenschutz kommt zur Überzeugung, dass das Pflegeheim in Altenmünster mit 56 Bewohnerinnen und Bewohnern evakuiert werden muss. Alle Bewohner werden gegen Mitternacht mit den Rettungskräften in die Notunterkunft nach Augsburg gebracht.

Lage im nördlichen Landkreis verschhärft sich
Montag, 3. Juni: Die Lage in den Gemeinden entlang der Schmutter im nördlichen Landkreis verschärft sich. Besonders betroffen ist Nordendorf und Hahnenweiler, ein Ortsteil von Allmannshofen. Das komplette Betriebsgelände der Käserei Reißler steht unter Wasser. Der Pegel bei Achsheim bleibt auch am Montagvormittag auf der höchsten Hochwassermeldestufe 4. Wie sich herausstellt, sind viele Häuser im Landkreis durch ausgelaufenes Öl verschmutzt. Betroffene Gebäude werden nach und nach durch die Einsatzkräfte erfasst. Das Abpumpen von ölbelastetem Wasser wird über den Landkreis Augsburg gemeinsam mit dem THW organisiert.

In einigen Gemeinden werden Sammelstellen für Hochwasser-Müll eingerichtet. Die Container füllen sich schnell. Die Kläranlagen in den Gemeinden Allmannshofen, Ehingen, Nordendorf und Westendorf sind aufgrund des Hochwassers nur noch bedingt aufnahmefähig. Die Lechwerke bitten, sich von elektrischen Anlagen im öffentlichen Bereich fernzuhalten, falls diese überflutet sind (zum Beispiel Stromleitungen, Ortsnetzstationen). Überflutete Bereiche sollten deshalb nicht betreten werden. Das gilt auch für die Uferbereiche von Gewässern – sie könnten abbrechen. In vielen Gemeinden des Landkreises fällt weiterhin die Schule aus.
Dienstag, 4. Juni:
Nach und nach werden gesperrte Straßen wieder für den Verkehr freigegeben.
(Das Protokoll der Jahrhundertflut ließe sich noch weiter fortsetzen. Für einige Betroffene dauert die Katastrophe immer noch an, weil längst nicht alle Schäden behoben sind.)

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