Israel sei zum „Reizthema“ geworden, doch Kenntnisse über seine Geschichte seien wenig verbreitet: So eröffnete Pfarrer Ernst Sperber den Abend im evangelischen Gemeindezentrum St. Johannes. Er hatte seinen Studienfreund Pfarrer Dr. Oliver Gußmann eingeladen, der als Referent beim Verein Christen und Juden Bayern in der Evangelischen Kirche in Bayern tätig ist. Gut 30 Zuhörer lockte das Thema an, das Pfarrer Gußmann betont sachlich präsentierte. Sein Ziel sei es, „Hintergründe verständlich zu machen, nicht irgendeine Lösung zu präsentieren“.
Weil diese Hintergründe mehrere tausend Jahre in die Geschichte der Region zurückreichen und in den vergangenen 150 Jahren zudem äußerst komplex wurden, war sein Vortrag durchaus fordernd. Er skizzierte die Entstehung der Begriffe „Israel“ und „Palaestina“ in biblischer Überlieferung und in der Antike. Sie spielten in der wechselvollen Geschichte der Region über viele Jahrhunderte keine Rolle – bis Ende des 19. Jahrhunderts europäische Juden verstärkt einwanderten. 1882 lebten etwa 24.000 Juden in der Region, 1948 waren es 640.000. 1922 übertrug der Völkerbund Großbritannien das Mandat für „Palästina“. Ziel war, den Rahmen für ein jüdisches Gemeinwesen zu schaffen, dabei aber die Rechte der alteingesessenen Bevölkerung zu sichern. Doch gewalttätige Spannungen nahmen zu. 1947 lehnten arabische Staaten einen Teilungsplan der Vereinten Nationen ab. Als sich Großbritannien zurückzog, riefen Juden am 8. Mai 1948 umgehend den Staat Israel aus. Sofort brachen Kämpfe mit Nachbarstaaten aus. Israel konnte sein Staatsgebiet sichern, ging dabei aber auch gegen arabische Bewohner vor. Rund 700.000 Menschen, die Hälfte der palästinensischen Bevölkerung, flohen aus Israel nach Jordanien, den Libanon und ins Westjordanland.
Der Konflikt eskaliert
Es war sicher auch dem knappen Zeitrahmen geschuldet, dass Pfarrer Gußmann die Geschichte des Staates Israel nur anhand der Konflikte mit Nachbarstaaten und Palästinensern skizzierte. 1967 der „Sechs-Tage-Krieg“, in dem Israel das Westjordanland, den Sinai und die Golanhöhen besetzte. Ab 1970 häuften sich Terroraktionen palästinensischer Gruppen im Lande und außerhalb, wie bei den Olympischen Spielen in München. 1973 konnte Israel im „Jom-Kippur-Krieg“ einen „Überraschungsangriff“ arabischer Staaten zurückschlagen. Doch der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern eskalierte.
Ab 1993 ein Hoffnungsschimmer – die PLO und Israel verhandelten in Oslo ein Friedensabkommen, das die gegenseitige Anerkennung und Schritte zur palästinensischen Autonomie vorsah. Spätestens die Ermordung von Premierminister Jitzchak Rabin 1996 durch einen israelischen Extremisten beendete die Entwicklung. Danach wurde Benjamin Netanjahu erstmals Israels Regierungschef. Israel verschärfte die Kontrolle über Palästinensergebiete und erlebte vermehrt Attentaten auf die eigene Bevölkerung. 2005 kam es zu einer Spaltung der Palästinenser-Vertretung. Die Hamas kontrollierte nun den Gazastreifen, die PLO das Westjordanland. Der terroristische Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 habe in Israel alte Traumata geweckt. „Eine Lösung ist schwierig“, so Pfarrer Gußmann.
Ist „Gott“ die Lösung für den Konflikt?
Die anschließende Aussprache machte vor allem deutlich, wie die komplexe Situation viele ratlos lässt. „Gott soll eingreifen“, so ein Zuhörer. Die mehr als 200 israelischen Siedlungen im Westjordanland nannte Gußmann einen „großen Unrechts-Prozess“, der habe zu „teilweise rechtsfreien Räumen geführt – es ist ganz schwierig, hier neutral zu bleiben“. Auf der anderen Seite vertrete die Hamas eine „sehr extremistische Position des Islam“ und ziele auf die Vernichtung Israels, „mit denen können Sie nicht reden“. Sein Rat: „Zuhören ist wichtig, gegen Gewalt Position beziehen – und die Friedenskräfte fördern.“ Und Pfarrer Sperber stellte abschließend fest: „Wir können von hier aus keine Lösung bringen. Wir sollten faire Gesprächspartner sein, sowohl für Juden wie für Palästinenser.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden