Lebensmittel, Energiekosten, Freizeitausgaben: Angesichts der rasant gestiegenen Preise des alltäglichen Lebens dürften viele der 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner auf eine kräftigere Rentenerhöhung gehofft haben als jene 3,5 Prozent, die der Chef der Deutschen Rentenversicherung, Alexander Gunkel, nun offiziell für das kommende Jahr angekündigt hat. Auch die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, blickt besorgt auf die Entwicklung. "Durch die Inflation bleibt von einer Rentenerhöhung von 3,5 Prozent so gut wie nichts übrig", sagt die VdK-Chefin im Gespräch mit unserer Redaktion. „Damit werden vor allem arme Rentnerinnen und Rentner die Kostensteigerungen – vor allem für Lebensmittel und Energie – kaum stemmen können. Ihnen bleibt nur Sparsamkeit und Verzicht.“
Renten können mit Anstieg der Inflation nicht Schritt halten
Die Renten hielten mit dem Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten in den vergangenen Jahren nicht mit: Im Juli 2021 gab es im Westen eine Nullrunde, seitdem stiegen die Altersbezüge zwar dank zweier scheinbar kräftiger Erhöhungen um exakt zehn Prozent. Doch im gleichen Zeitraum kletterten die Lebenshaltungskosten um über 16 Prozent: Allein Strom wurde trotz Energiepreisbremsen um knapp 50 Prozent teurer, auch wenn die Tarife wieder langsam sinken.
„Vor allem für Rentnerinnen und Rentner mit wenig Geld sind 3,5 Prozent nicht genug, um sie vor Altersarmut zu schützen“, warnt VdK-Chefin Bentele. „Sie brauchen sofort mehr Unterstützung und deshalb einen einfachen, unbürokratischen Zugang zu Härtefallfonds, fordert sie. „Die Bundesregierung muss endlich konsequent gegen Altersarmut vorgehen und mit dem angekündigten Rentenpaket II die gesetzliche Rente stärken“, betont sie und schiebt eine alte Forderung nach. „Selbstständige und Abgeordnete sollten so schnell wie möglich auch in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden“, sagt Bentele.
Nach 35 Jahren Arbeit liegt die Durchschnittsrente bei 1692 Euro brutto
Derzeit beträgt die Durchschnittsrente bundesweit nach mindestens 35 Versicherungsjahren 1692 Euro brutto, auch Bayern bewegt sich dabei nur im Mittelfeld. Die Rentenerhöhung brächte in diesem Fall knapp 60 Euro brutto mehr im Monat, über 700 Euro im Jahr. Allerdings fällt selbst nach 35 Beitragsjahren die Rente für Frauen im Schnitt ein Viertel geringer aus als bei Männern.
Immerhin besteht die Chance, dass die Rentenerhöhung zum Juli 2024 nicht erneut vollständig von der Inflation aufgefressen wird: Die Wirtschaftsweisen rechnen nach einer Inflation von 6,1 Prozent für das Gesamtjahr 2023 im kommenden Jahr nur noch mit einer weiteren Teuerungsrate von 2,6 Prozent.
Allerdings dürfte damit die Zeit kräftiger Lohnerhöhungen bei den Tarifabschlüssen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern möglicherweise enden. Die Renten hängen aber an der allgemeinen Lohnentwicklung, weshalb es in diesem und vergangenem Jahr noch die höchsten Erhöhungen seit den Neunzigerjahren gab.
DGB-Bundesvorstandsmitglied Anja Piel betont deshalb die Bedeutung der Tarifverträge nicht nur für die aktiven Beschäftigten. „Die angekündigte Rentenerhöhung zeigt: Auf die gesetzliche Rente ist Verlass“, sagt die Gewerkschafterin. „Sie würde allerdings noch besser ausfallen, würden mehr Betriebe in Deutschland auch Tariflohn bezahlen. Denn gute tarifliche Löhne sorgen für gute Renten und ordentliche Rentenerhöhungen.“
DGB kritisiert: Immer weniger tarifgebundene Jobs ziehen Renten nach unten
Allerdings geht die sogenannte Tarifbindung besonders im Westen der Republik seit vielen Jahren stark zurück: Arbeiteten 1998 noch 68 Prozent der Beschäftigten in einem Job mit Branchentarifvertrag, waren es zuletzt nur noch 43 Prozent. „Deswegen braucht es für eine gute Rente neben einem dauerhaft stabilisierten und perspektivisch höheren Rentenniveau auch mehr Tarifbindung in Deutschland“, betont DGB-Vorständin Piel. „Gute Löhne sind gefragt statt vollmundiger Versprechen, die Aktienrente würde es schon richten“, kritisiert Piel die Politik der Ampelkoalition.
Das Rentenniveau gibt an, wie hoch die Rente eines Beschäftigten, der 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet hat, im Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn ausfällt. Bei einem sinkenden Rentenniveau steigen die Renten weniger stark an als die Löhne. „Es ist an der Zeit, das Rentenniveau deutlich zu erhöhen, und zwar von 48 Prozent idealerweise auf 53 Prozent“, fordert VdK-Chefin Bentele. „Zudem brauchen wir Löhne, mit denen die Menschen eine Rente erwirtschaften können, die im Alter zum Leben reicht“, betonte sie.
Rentenversicherungschef Gunkel erwartet auch für die nächsten Jahre Rentenerhöhungen zwischen 2,6 und 3,0 Prozent. Für die nächsten fünf Jahre dürften zudem die Rentenversicherungsbeiträge für Beschäftigte und Arbeitnehmer stabil bleiben, erklärte er.