Wer seinen Platz im Glasgower Celtic Parks einnimmt, kommt an einem Schriftzug vorbei, der sich überall im Innenraum des Stadions wiederfindet. „Welcome to paradise“, willkommen im Paradies, ist überall auf Schildern zu lesen. Für Gästeteams hat die Stimmung indes wenig Paradiesisches an sich. Es dürfte wenig Stadien geben, die bei der Geräuschkulisse mithalten können. Bayerns Sportvorstand Max Eberl sagte nach dem 2:1 bei Celtic: „Wir sind gut aus aus diesem Hexenkessel, der nur Paradies heißt, herausgekommen.“ Gut ist etwas untertrieben, denn nach dem Sieg haben die Münchner beim Rückspiel am Dienstag beste Karten, das Ticket für das Achtelfinale in der Champions League zu lösen. Das Gefühl, mit einer Heimniederlage den Arbeitstag zu beenden, kannten die Celtic-Profis lange nicht mehr. Saisonübergreifend warteten die Schotten seit 35 Heimspielen auf eine Niederlage.
Warum das so ist, bekamen eben auch die Bayern zu spüren. Schon nach nicht mal 30 Sekunden lag der Ball im Bayern-Kasten. Nicolas Kühn, ehemals für die zweite Mannschaft der Münchner aktiv, hatte ihn im Tor untergebracht. Wegen einer Abseitsstellung wurde der Treffer nicht gegeben. Was Manuel Neuer sich bei der Szene gedacht hat? „Dass es Abseits war“, sagte der Bayern-Kapitän nach Abpfiff. Eberl wiederum bezeichnete die Szene als „Schockmoment“: Dieser saß „relativ tief“. Vielleicht waren die Gedanken auch bei den letzten Auswärtsauftritten in der Königsklasse. Drei der vier Gruppenspiele in der Fremde gingen verloren. Am Mittwochabend jedoch verloren die Bayern nicht den Faden, so Eberl: „Danach waren wir wach.“ Tatsächlich biss sich die Bayern-Mannschaft ins Spiel hinein, holte sich immer mehr die Spielkontrolle zurück und schlug dann innerhalb von wenigen Minuten doppelt durch Michael Olise (45.) und Harry Kane (49.) zu.
Bayern-Verteidiger Dayot Upamecano wurde gegen Celtic zum Mann des Spiels
Den starken Pass auf Olise spielte übrigens einer, der nicht immer frei von der Kritik war: Dayot Upamecano. Weil der Franzose auch in der Defensive überragte, wurde er zum Spieler des Spiels gewählt. Ungewöhnliche Ehren für einen Defensivspieler - zumal für einen, der oft in der Kritik steht. Eberl sieht das als Bestätigung für die Leistung des Spielers. „Ich habe ihn die ganze Saison schon sehr stark gesehen.“ Ja gut, sicherlich. Dazu passt jedenfalls, dass eine Szene von „Upa“ im Strafraum gegen den Ex-Augsburger Arne Engels nicht als Foul und damit als Elfmeter gepfiffen wurde. Nach einem minutenlangen Studium der Videobilder blieb Schiedsrichter Gil Manzano bei seiner Entscheidung: weiterspielen.
Fast wirkt es, als ob Upamecanos Leistung sinnbildlich für die solideren Bayern steht. Wichtig sind Siege, zumal solche in der Champions League, zwar immer. In diesem Fall hat der Erfolg aus Glasgow auch eine Signalwirkung. Denn vor dem Wiedersehen mit Celtic steht ein Abstecher nach Leverkusen an. Siegen die Bayern am Samstagabend beim Deutschen Meister, wächst der Vorsprung auf elf Punkte an, was fast schon die vorzeitige Meisterschaft bedeuten würde. Die Schmach der 0:3-Pleite aus dem Vorjahr, die wiederum die Vorentscheidung im Meisterrennen war, soll vergessen gemacht werden. „Es ist an der Zeit, dass wir sie schlagen“, sagte Manuel Neuer. Ob man dann den Champagner für die Titelfeier schon mal kalt stellen kann? Neuer konterte gelassen: „Der ist immer kalt gestellt.“
Joshua Kimmich sieht die Mannschaft defensiv gereift
Dass die Bayern-Mannschaft in Glasgow einen Entwicklungssprung vollführt hat - davon ist Joshua Kimmich überzeugt. Nach den jüngsten, eher weniger überzeugenden Auswärtsspielen in der Champions League habe man den Fokus voll auf die Defensive gelegt, betonte der Nationalspieler bei DAZN: „Wir wissen, dass es wichtig ist, vor allem in der Champions League, die Fehler zu vermeiden. Das haben wir in den letzten Auswärtsspielen hart gelernt. Ich fand, dass wir einen Schritt nach vorne gemacht haben.“
Stimmt generell. Zur Wahrheit gehört es aber auch, dass die Münchner nicht über 90 Minuten sattelfest waren. Speziell in der Schlussphase hätte noch einiges anbrennen können: Guerreiros schlampiger Pass auf Neuer blieb noch ungesühnt, weil Celtic-Angreifer Daizen Maeda den Ball am leeren Tor vorbei schoss. Fünf Minuten später jubelte der Japaner aber dann doch, weil nach einer Ecke Chaos im Bayern-Strafraum herrschte (79.). Der Anschlusstreffer brachte die Energie zurück in den Celtic Park. Vorstandschef Jan-Christian Dreesen formulierte es auf der nächtlichen Bankettrede so: „Die letzten 20 Minuten habt ihr es nochmal spannend gemacht.“ Am Ende habe das Team die Bewährungsprobe zusammen geschafft - nicht die schlechtesten Vorzeichen für die nächsten Aufgaben.
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