Zum Biathlon-Finale haben fast alle ausgiebig gefeiert. Franziska Preuß jubelte über den Gewinn des Gesamt-Weltcups. Die Norweger Johannes Thingnes und sein Bruder Tarjei Bö beendeten als Biathlon-Könige mit goldener Krone ihre Karrieren. Nebenbei trudelte die Saison für die deutschen Männer mit einer weiteren Enttäuschung aus. Als bester Skijäger des Deutschen Skiverbandes (DSV) landete Roman Rees beim Massenstart-Rennen in Oslo auf dem 15. Platz. Er leistete sich einen Fehlschuss. Zur Hälfte des Rennens war Philipp Nawrath noch in der Spitzengruppe unterwegs gewesen. Am Ende landete der 32-Jährige mit drei Fehlern im Stehendanschlag auf dem 20. Rang. Das Urteil nach dem Saisonfinale von Cheftrainer Felix Bitterling spricht Bände: „Alle anderen (außer Rees und Nawrath, Anm. d. Red.) waren heute nie wirklich dabei. Das zieht sich durch wie ein roter Faden. Es ist gut, dass wir die Saison beenden.“
Gut, dass es vorbei ist? Die deutschen Biathlon-Männer stecken offensichtlich in der Krise. Der Allgäuer Nawrath drückte es noch freundlich aus und meinte in der Abschlussbilanz auf seine Leistung bezogen: „Es war eine durchwachsene Saison. Im ersten Drittel bis Dezember war ich im Weltcup deutlich besser positioniert. Das konnte ich nicht weiter mitnehmen.“ Als bester Deutscher im Gesamt-Weltcup landete Nawrath auf dem 14 . Rang. Dahinter folgen Justus Strelow (16.), Philipp Horn (23.), Danilo Riethmüller (26.) und Johannes Kühn (32.).
Deutschland hat im Biathlon den Anschluss verloren
Die DSV-Athleten haben den Anschluss zu den Topnationen Norwegen, Frankreich und Italien verloren. Am vorletzten Tag der Weltmeisterschaften in Lenzerheide hatte die deutsche Staffel mit Bronze die einzige Männer-Medaille geholt. Nawrath mit zweimal Bronze in den Staffeln (Männer und Mixed) war noch der erfolgreichste deutsche Starter gewesen. Cheftrainer Bitterling kündigte unmittelbar nach den Titelkämpfen in der Schweiz eine Analyse an: „Die Dinge haben nicht zusammengepasst. Wenn sie gut gelaufen sind, haben sie nicht gut geschossen oder umgekehrt.“
Die Probleme bei den Männern zeichnen sich seit Jahren ab. Nach der Heim-Weltmeisterschaft 2023 in Oberhof sprach man im DSV noch davon, dass es das Ziel sei, die Lücke zu den schier übermächtigen Norwegern zu schließen. Davon ist man meilenweit entfernt. Inzwischen geht es darum, die Norweger-Verfolger aus Frankreich, Italien oder Schweden nicht aus den Augen zu verlieren. Zur Mitte der aktuellen Saison sprachen die deutschen Männertrainer davon, dass die Probleme „zwischen den Ohren“ sitzen, also alles reine Kopfsache sei. Inzwischen wird hinter vorgehaltener Hand kritisiert, dass im vergangenen Sommer falsche Schwerpunkte im Training gesetzt wurden.
Biathlon-Trainer Velepec trat überraschend zurück
Unmittelbar nach der WM gab es Konsequenzen im Trainerteam. Uros Velepec trat überraschend als Biathlon-Cheftrainer zurück. Der 58-Jährige habe darum gebeten, von seinen Aufgaben entbunden zu werden, teilte der Deutsche Skiverband mit. Als der Slowene 2023 die Position von Olympiasieger Mark Kirchner übernommen hatte, gab der international erfahrene Velepec eine groß angelegte Schießoffensive aus. Doch die Ergebnisse am Schießstand waren in der abgelaufenen Saison – gepaart mit den großen Abständen zu den Top-Nationen – bereits die Schwachstelle gewesen. Den Männern ist es nie konstant gelungen, Top-Trefferquoten zu erzielen.
Velepecs Nachfolger wurde der 39 Jahre alte Tobias Reiter, der davor im zweitklassigen IBU-Cup für die deutschen Männer verantwortlich war. Zwischen 2014 und 2018 hatte er für die Frauen als Disziplin-Trainer gearbeitet. Reiter war bisher schon der Heimtrainer von Nawrath in Ruhpolding.
Deutsche Biathlon-Männer auf Talfahrt
Es gibt Erklärungsversuche für die Talfahrt der deutschen Biathlon-Männer. „Mit Benedikt Doll hat sich nach der vergangenen Saison der beste deutsche Biathlet verabschiedet. Es kommt zu wenig Druck von unten“, sagt Michael Greis. Der dreifache Goldmedaillengewinner von Turin 2006 fügt an: „Es fehlt bereits bei den Junioren die Leistungsdichte.“ Der 48-Jährige berät als persönlicher Coach Philipp Nawrath und vermutet: „Vielleicht ist bei der deutschen Mannschaft die Konzentration auf das Wesentliche verloren gegangen.“ Für grundlegende Richtungsänderungen sei jetzt allerdings nicht der richtige Zeitpunkt. Es berge große Risiken, im Sommer vor den Olympischen Spielen alles auf den Kopf zu stellen. „Im Biathlonsport muss langfristig gedacht und gearbeitet werden, wenn man wieder Erfolg haben will“, sagt Greis.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden