Es hat ein bisschen gedauert, bis alles richtig saß und stand. Ein Mannschaftsfoto ist stets eine Herausforderung, zumal die deutschen Fußballerinnen im Sportzentrum Buchlern in Zürich vor dem Klicken der Auslöser selbst noch Hand anlegten. Kapitänin Giulia Gwinn richtete bei Sara Däbritz erstmal die Frisur, ehe die deutsche Frauen-Nationalmannschaft in zweifacher Ausfertigung posierte: einmal nur mit Trainerstab, einmal mit dem gesamten Staff. Überall nur strahlende Gesichter, weil eine piekfeine Sportanlage im idyllischen Ambiente einer bewaldeten Anhöhe als Trainingsstätte genauso perfekte Bedingungen bot wie ein exquisites Fünf-Sterne-Hotel am Fuße des Uetlibergs als Teamquartier.
Gwinn hat weniger beeindruckt, dass in den 80er und 90er Jahren hier Freddie Mercury, Muhammad Ali, Elton John und Rihanna genächtigt haben, sondern dass das DFB-Teammanagement liebevolle Überraschungen für jede Spielerin parat hielt. Man habe „Bilder von dem Weg aus den U-Mannschaften“ vorgefunden, dazu „Briefe von unseren Liebsten – so etwas sieht und liest man gerne.“ Die Verteidigerin vom FC Bayern drückte bei der ersten Pressekonferenz aus der Eventlocation Folium am Kalanderplatz eine „Riesen-Vorfreude“ aufs Turnier aus. Sie könne das EM-Auftaktspielam Freitag gegen Polen in St. Gallen (Freitag 21 Uhr/ARD) kaum mehr erwarten – und sich überdies nicht daran erinnern, jemals so optimistisch gewesen zu sein. „Es ist ein unfassbares Potenzial in diesem Team. Ich bin zutiefst überzeugt, was Großes zu erreichen.“ Wer die Vorzeigefußballerin vom Bodensee ein bisschen kennt: Dieses Statement hatte ihr kein PR-Stratege geflüstert.
Die Teamhymne wird von Wolfgang Petry gesungen
Sie gab auch zu, dass Schlagersänger Wolfgang Petry eine Teamhymne aufgenommen habe, die das erste musikalische Gemeinschaftswerk der DFB-Frauen darstellt. Zum „Wolle“-Hit „Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n“ hätten alle mitgesungen, sagte Gwinn und lachte: „Ich glaube, da kann sich jeder drauf freuen, was da für Engelsstimmen herausgekommen sind.“ Wichtiger bleibt gleichwohl, dass in ihrer Heimatregion am Bodensee „vor family und friends“ zunächst ein sportliches Ausrufezeichen gesetzt wird. Weil der zweite Gruppengegner Dänemark in Basel (8. Juli) einiges von früherer Stärke eingebüßt hat, kann das Viertelfinalticket bereits vor dem Showdown gegen den WM-Dritten Schweden in Zürich (12. Juli) gelöst werden. Man wisse zwar, „dass im Viertelfinale jemand wartet, der uns alles abverlangen wird“, sagte die Wortführerin eingedenk drohender Duelle in der K.o.-Runde gegen Frankreich oder England, „aber uns muss man erst einmal schlagen“.
Hörte sich alles in allem so an, als würde gerade kein Wölkchen die Stimmung trüben. Dazu gehört, dass die deutsche Anführerin bei dieser EM durchgängig mit der Regenbogenbinde aufläuft. „Für uns ist es erst mal schön, dass es möglich gemacht wurde. Es war auch gar keine Frage, die Binde zu wechseln.“ Bei der EM 2022 in England hatte Vorgängerin Alexandra Popp auch die bunte Binde am Arm geführt, bei der WM 2023 in Australien jedoch darauf verzichtet. Gwinn findet richtig, „diese Werte nach außen zu tragen: Die Mannschaft steht einfach für so viel.“
Auch Christian Wück ist anzusehen, dass sein erstes Turnier im Frauenfußball die Vorfreude geschürt hat. Mit einer weißen Kappe gegen die Sonne geschützt rief der Bundestrainer seine Anweisungen vormittags über den mit nicht ganz blickdichten Planen umgebenen Trainingsplatz. Nachmittags gestattete der 52-Jährige ein Teamevent mit einer Bootsfahrt über den Zürichsee, von dem sich unzählige Postkartenmotive eröffnen.
Saskia Bartusiak stand bei den letzten Titeln noch auf dem Platz
Wück fällt es nicht sonderlich schwer, die letzten Tage „zu nutzen, um dieses Teamgefüge weiter zu stärken. Wir liegen voll im Zeitplan.“ Seine Assistentin Saskia Bartusiak zeichnete ein ähnliches Bild. Sie müsse nicht von den Erfolgen ihrer Karriere erzählen, um der aktuellen Generation noch irgendeine Hilfestellung zu liefern, betonte die 42-Jährige, denn „es gibt nicht den klassischen Weg“. Die Frankfurterin war als eine der weltbesten Verteidigerinnen aktiv daran beteiligt, bei der EM 2013 in Schweden und 2016 bei den Olympischen Spielen in Brasilien die bislang letzten Titel für Deutschlands Frauen zu gewinnen. Wird in der schönen Schweiz nun ein neues Erfolgskapitel geschrieben? Die Zuversicht ist schon mal titelverdächtig.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden