Auf die Schiedsrichter schimpfen gehört nicht nur beim Eishockey für viele Fans zum Stadionbesuch dazu. Vonseiten der Klubs dagegen gibt es nur selten Kritik zu hören. In der Deutschen Eishockeyliga (DEL) zieht das nämlich schnell Geldstrafen nach sich, die, so ist zu hören, gerne mal im niedrigen vierstelligen Bereich liegen können. Umso ungewöhnlicher war, was am Sonntagabend nach dem Spiel zwischen Nürnberg und Mannheim passierte. Stefan Ustorf, Sportdirektor der unterlegenen Ice Tigers, eilte zum Mikrofon von Magentasport und holte zum Rundumschlag aus. Eine indiskutable Schiedsrichterleistung sei das gewesen, „das Schlechteste, was ich in 30 Jahren Profi-Eishockey gesehen habe. Die zwei gehören nicht in unsere Liga. (...) Die Schiedsrichterentscheidungen waren für beide Mannschaften eine absolute Frechheit.“ Besonderes Augenmerk legte er auf einen Treffer der Nürnberger, dem Martin Frano und Achim Moosberger wegen Torwartbehinderung die Anerkennung verweigerten: „Dieses Tor nicht zu geben, grenzt ja schon fast an Betrug.“
Hat die DEL ein Schiedsrichter-Problem?
In den Kommentaren unter dem Video, das Magentasport bei Instagram teilte, sammelte sich in kürzester Zeit vor allem Zustimmung. Der gebürtige Kaufbeurer Ustorf hat selbst über 600 DEL-Spiele absolviert und gewann mit den Eisbären Berlin sechs deutsche Meistertitel. Sein Wort hat Gewicht im deutschen Eishockey. Mit seiner Kritik an den Schiedsrichtern trifft er einen wunden Punkt, denn schon seit Längerem wird in der Liga über deren Leistungen gesprochen. In Fankreisen herrscht die Meinung, dass die DEL ein Schiedsrichter-Problem hat. Auf Anfrage unserer Redaktion wollte ein DEL-Sprecher die Leistungen der Unparteiischen nicht kommentieren. Die Bewertung geschehe intern.
Eishockey tut sich schwer, Schiedsrichternachwuchs zu finden
Insgesamt 23 Hauptschiedsrichter sind in der DEL tätig, nach Angaben der Liga nur ein Teil hauptamtlich. Die anderen üben den Job nebenberuflich aus. Über die Vergütung gibt die DEL keine Auskunft. Nur so viel: „Die Vertragsschiedsrichter haben individuelle Verträge, die Amateure werden nach festen Sätzen entlohnt.“ Sieben Hauptschiedsrichter stammen aus dem Ausland. Das größte Problem beim Thema Schiedsrichter ist die Nachwuchsgewinnung. Die DEL schreibt auf eine entsprechende Frage: „Internationale Schiedsrichter sind schwierig zu bekommen, da die Nachfrage aus allen Ländern sehr hoch ist. Deutsche Schiedsrichter auf dem Niveau der Penny DEL zu finden, ist ebenfalls herausfordernd, da die Auswahl leider nicht sehr groß ist.“
Als Leiter Schiedsrichterwesen ist Lars Brüggemann der Hauptverantwortliche bei der DEL. Im Kooperationsvertrag zwischen DEL und Deutschem Eishockeybund (DEB) ist geregelt, dass die Einteilung und Beobachtung der Schiedsrichter „ausschließlich durch die DEL erfolgt“. Es ist ungewöhnlich, dass der Dachverband einer Sportart das Schiedsrichterwesen in seiner höchsten Profiliga dieser selbst überlässt. Wie sich diese Konstruktion auf die Qualität auswirkt, scheint für viele Beobachter klar: Das Niveau sinkt.
Fehlende Regelkenntnisse bei vielen Fans
Differenzierter sieht das Michael Sammereier. Er betreibt die Seite del-refs.de, die nach eigenen Angaben „von Fans für Fans und unabhängig von DEL und DEB“ ist. Dort sind Statistiken aller Spiele der Hauptrunde und Play-offs der DEL seit der Saison 2016/17 gesammelt. Auf Anfrage unserer Redaktion sagt Sammereier, dass ein großes Problem bei der Bewertung der Schiedsrichter „die fehlende Regelkenntnis bei den meisten Fans“ sei. Er erlebe das oft genug selbst im Stadion, dass nach einer regelkonformen Entscheidung Pfiffe von den Rängen kämen, weil den Fans das Regelwerk an dieser Stelle nicht bewusst sei. „Und ich würde den Fans hier auch keinen Vorwurf machen. Das Regelwerk im Eishockey ist faktisch sehr komplex. Gleichzeitig ist der Sport sehr schnell. Das macht es natürlich nicht einfacher, übrigens auch für die Schiedsrichter nicht.“ Sammereier sieht DEL und DEB in der Pflicht, mehr Bewusstsein für bestehende und neue Regeln zu schaffen.
Trotzdem würden aber auch die Schiedsrichter Fehler machen. „Man muss sich als Fan immer klar sein, dass man auf den Rängen oder vor dem TV natürlich ein ganz anderes Bild hat, als der Schiedsrichter vor Ort. Für den ist es kaum möglich, jede Situation zu sehen.“ Die Einführung des Videobeweises für große Strafen sei deshalb „ein sehr guter Schritt in die richtige Richtung“ gewesen. Im Gegensatz zu vielen Fans attestiert er den Schiedsrichtern in der DEL ein kontinuierlich steigendes Niveau. „Das erfordert aber natürlich auch entsprechenden Nachwuchs. Daran scheitert es wohl aktuell am meisten.“
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