Die Eskalation kam nicht unerwartet. Wer in den vergangenen Wochen in die Fanszene der Würzburger Kickers hineingehorcht hatte, der konnte bereits ahnen, dass zumindest jener Teil der Anhängerschaft, der sich der Ultra-Bewegung zurechnet, es nicht so einfach hinnehmen würde, dass sich der FC Schweinfurt 05 ausgerechnet im Derby die Krone als Meister der Fußball-Regionalliga aufsetzt. Dazu muss man wissen, dass die beiden unterfränkischen Klubs sich in jahrzehntelanger gegenseitiger Abneigung verbunden sind. Das manifestiert sich auch dadurch, dass die Schweinfurter regelmäßig ganz plakativ und stimmgewaltig, immer auch mit einer wenig freundlichen Grußadresse an die Kickers, ihre Fan-Freundschaft mit deren Stadtrivalen Würzburger FV feiern.
Was sich aber am vergangenen Freitagabend im Schweinfurter Sachs-Stadion ereignete, überraschte in der Wucht dann doch. Je nach Zählweise waren es rund um die 100 pyrotechnischen Gegenstände, die im Auswärtsblock abgebrannt und aus diesem heraus abgefeuert wurden.
Als Schiedsrichter Markus Pflaum die ab der 83. Spielminute permanent unterbrochene Partie kurz nach Wiederanpfiff mit dem Schlusspfiff beendet hatte und die Schweinfurter durch den 2:1-Sieg als Drittliga-Aufsteiger feststanden, wurde im Gästeblock auch noch Feuer gelegt. Das Feuerwerksarsenal, das nach Schlusspfiff im Gästeblock gefunden wurde, hätte wohl gereicht, um noch einmal 90 Minuten durchzuballern, berichteten Insider später.
Auch Fans des FC Augsburg beteiligten sich an der umstrittenen Pyro-Aktion
Dass die Feuerwerker im Würzburger Fan-Block bei ihren Raketenschüssen in Richtung Spielfeld und Zuschauerränge sowie mit Böllerwürfen auch mehr als billigend in Kauf nahmen, dass sich Menschen verletzten, gab der Sache eine besondere Brisanz. Unter denen, die da zündelten, waren auch Fans des FC Augsburg. Erkennbar war dies auch an den üblichen Szene-Symbolen. Am Zaun vor dem Gästeblock war auch eine kleine Fahne zu sehen, einige Fans hatten sich mit Sturmmasken in den Augsburger Farben Rot-Grün-Weiß vermummt. Den Kickers-Anhang und den des FCA verbindet eine lange Freundschaft. Gegenseitige Besuche sind nicht unüblich. Oft unterstützen Augsburger Fans ihre Freunde bei Regionalliga-Partien in der Provinz.
Kickers-Spiele sind für viele bayerische Regionalliga-Klubs der atmosphärische Höhepunkt der Saison. Eine Ultra-Szene, wie sie sich in dieser Ausprägung speziell nach dem Absturz aus der 2. Bundesliga in die Regionalliga und mit dem Ende der Corona-Maßnahmen entwickelt hat, ist in der vierten Liga im Freistaat eine Ausnahme. Eben diese Szene steht nun nach den Ereignissen, wie es der Verein in einem Statement nach der Partie verbreitete, „unter verstärkter Beobachtung“. Die Konsequenz: Der Klub sperrte den von den Fans in Eigenleistung zum Stehplatzblock umgebauten Bereich, in dem die Ultras ihren Stammplatz haben. Auch, und das war der eher symbolische Teil der Maßnahme, sollte die Torhymne geändert werden. Die Melodie hatten nämlich die Fans zuletzt ausgewählt. Ein Zeichen, dass sich der Verein in Zukunft nicht mehr in irgendeiner Weise den Takt vorgeben lassen will, sollte das wohl sein.
Der Heimauftritt gegen Fürth II wird zum Geisterspiel
Am Ende spielt das Ganze für das letzte Saison-Heimspiel aber eh keine Rolle mehr. Der Bayerische Fußball-Verband hat auf den brandgefährlichen Pyrotechnik-Exzess nämlich mit Härte reagiert. Der Verbandsanwalt hat beim Sportgericht eine Einstweilige Verfügung erwirkt. Die Kickers-Heimspiele sollen „bis auf Weiteres“ ohne Zuschauer stattfinden. Die Partie gegen die SpVgg Greuther Fürth II am Samstag wird zum Geisterspiel, „weil dies zur Aufrechterhaltung von Ordnung, Recht und Fairness im Fußballsport notwendig ist“, wie es in der Mitteilung des Verbandes dazu heißt. In Würzburg zeigt man sich von der Härte der Maßnahmen überrascht. Dort „ist man der Überzeugung, dass die vom Verein bereits getroffenen Maßnahmen einen sicheren und verantwortungsvollen Ablauf des Heimspiels gewährleistet hätten. Zudem hält der Verein kollektive Sanktionen für ungeeignet, da sie auch jene Fans treffen, die sich stets friedlich und vorbildlich verhalten“, heißt es in einem Vereins-Statement.
Die Palette mit möglichen Strafen ist groß. Von einem weiteren Zuschauerausschluss bis hin zu einem Punktabzug, der nach der durch Zuschauerfehlverhalten verursachten Spielunterbrechung dieser Länge in der Regionalliga Bayern sogar ausdrücklich in der Rechts- und Verfahrensordnung festgelegt ist. Das eigentliche Sportgerichtsverfahren hat gerade erst begonnen. Der Abend in Schweinfurt, der für die Kickers aufgrund des Verhaltens der Anhänger ohnehin schon eine Schande war, wird den Klub noch eine ganze Weile beschäftigen.
Man kann keinem einigermaßen logisch denkenden Mensch erklären, wie solche Mengen an Pyrotechnik unbemerkt in das Stadion kommen können. Dass hier mehr als geduldet wird, scheint sicher.
Das sind keine Fans, denn durch ihr Verhalten schädigen sie auch das Ansehen ihres Vereins. Folglich sollten sie mit aller Härte bestraft werden - neben höchsten strafrechtlichen Konsequenzen sollten sie lebenslang kein Stadion mehr von innen sehen dürfen. Es ist inzwischen unerträglich, wie manche "Fans" meinen, sich alles erlauben zu dürfen - von Aufklebern, die überall pappen, über Schmierereien bis eben zu solchen Exzessen. Wenn sich die Vereine deutlichst gegen diese "Fankultur" positionieren und das mit Maßnahmen untermauern würden, vielleicht würde das Problem dann eingedämmt.
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