Glückliches 2:0 gegen Österreich: Deutschland steht im Halbfinale
In einem umkämpften EM-Viertelfinale behalten die deutschen Fußballerinnen mühsam gegen Nachbar Österreich die Oberhand, zeigen aber die schwächste Turnierleistung.
Als ein Spiel von Herz gegen Herz war das EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Österreich im Vorlauf gerne tituliert worden. Nach dem Nachbarschaftsduell an einem milden Londoner Sommerabend war aber erst einmal kräftiges Durchatmen angesagt: Die DFB-Auswahl hat den Außenseiter Österreich im Community Stadium von Brentford äußerst schmeichelhaft nach der bislang schwächsten Turnerleistung mit 2:0 (1:0) bezwungen.
Lina Magull (25.) und Alexandra Popp (90.) erzielten vor 16.025 Augenzeugen für den fahrigen Rekordeuropameister, der zeitweise schon unverschämtes Glück besaß, weil das tapfere ÖFB-Team gleich drei Mal an Pfosten und Latte scheiterte. Nichtsdestotrotz stehen Deutschlands Frauen erstmals seit dem Olympischen Spielen 2016 wieder bei einem großen Turnier in einem Halbfinale. Kommenden Mittwoch in Milton Keynes werden Mitfavorit Frankreich oder Titelverteidiger Niederlande der Gegner sein, der am Samstag ermittelt wird.
Die deutschen Frauen haben nun das Minimalziel erreicht
Mit dem Erreichen der von Direktor Oliver Bierhoff ausgerufenen Mindestvorgabe bleiben dem Verband indes lästige Grundsatzfragen erspart. Doch beinahe hätten sich Muster des Ausscheidens bei der EM 2017 gegen Dänemark (1:2) und WM 2019 gegen Schweden (1:2) wiederholt. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hatte zuvor postuliert: "Wenn wir scheitern, dann scheitern wir an uns." Gerade mit Blick auf WM 2023 in Australien und Neuseeland sollte die 54-Jährige dieses Turnier noch nicht als Erfolg verbuchen.
Die ÖFB-Kickerinnern, bei denen 20 der 23 Nationalspielerinnen in der deutschen Bundesliga tätig sind oder waren, hatten ihr Hochgefühl direkt mit an die Kew Bridge gebracht. Nach der Schweigeminute für den verstorbenen Uwe Seeler hatte die deutsche Elf erkennbar Schwierigkeiten mit dem frühen Pressing. Das Ensemble in den weißen Jerseys fand nie richtig in diese intensive Partie, in der die Österreicherinnen durch die an den Pfosten köpfende Marina Georgieva erstmals Pech beklagten (13.).
Österreich präsentierte sich robust
Die deutschen Probleme begannen im Spielaufbau gegen den robusten Gegner. Auf frühes Stören verzichtete Voss-Tecklenburg hingegen ohne erkennbaren Grund. So unterbrachen viele Abspielfehler den Spielfluss, der auch nach einem Regenschauer nicht in Gang kam. Beste Spielerin war noch Lena Oberdorf mit ihrem beherzten Vorgehen. Das 1:0 durch das zweite EM-Tor der Mittelfeldspielerin Magull fiel aus dem Nichts, weil Klara Bühl der österreichischen Abwehrchefin Carina Wenninger den Ball abluchste und Alexandra Popp passieren ließ, so dass die Kapitänin vom FC Bayern mit einem Flachschuss vollstreckte. Doch damit war es mit der deutschen Herrlichkeit – abgesehen von einer Chance von Svenja Huth, die aus spitzem Winkel an Torhüterin Manuel Zinsberger scheiterte (43.) – auch schon wieder vorbei.
Fulminant begann die zweite Hälfte, als Giulia Gwinn den Ball nach Ablage der mit vielen guten Offensivaktionen überzeugenden Bühl direkt an den Außenpfosten setzte (46.). Die Bundestrainerin raufte sich am Spielfeldrand die Haare. Voss-Tecklenburg forderte eigentlich ein, dass ihre Mannschaft endlich Dominanz ausübt. Nur ließ sich selbst Merle Frohms von der Verunsicherung anstecken: Ein missglückter Schlag der Torhüterin landete bei Babara Dunst, die ihre Vereinskollegin von Eintracht Frankfurt beinahe mit einem Heber bezwungen hätte – diesmal ging das Spielgerät an die Latte (53.). Doch damit nicht genug der Aluminium-Allergie bei Austria: Auch die Direktabnahme von Sarah Puntigam landete an der Torstange (57.).
Klara Bühl vergab die 100-prozentige Torchance zum 2:0
Nun war das deutsche Glück eigentlich überstrapaziert. Die Einwechslungen von Linda Dallmann und Lena Lattwein brachten dann ein bisschen Beruhigung. Und so kam auch Bühl auf deutscher Seite noch zu einem Lattentreffer (78.) und einer Riesenchance (82.). Den erlösenden zweiten Treffer erzwang dann Kapitänin Popp mit ihrem vierten EM-Tor, als Zinsberger die heranstürmende deutsche Angreiferin anschoss. Ein Gegentor, das der Verlierer nicht verdient hatte.
Ein Wettbewerbsduell der beiden Nationen hatte es noch gar nicht gegeben, sondern einzig zwei Freundschaftsspiele: Im Oktober 2016 siegte das DFB-Team in Regensburg mit 4:2, dann zwei Jahre später in Essen mit 3:1. Das eine Mal stand noch Steffi Jones, das andere Mal Horst Hrubesch in der Verantwortung. Nun hat Voss-Tecklenburg erstmals als Nationaltrainerin den Vorstoß unter die letzten Vier geschafft: Mit der Schweiz war sie bei der EM 2017 bereits in der Vorrunde gescheitert – eine 0:1-Auftaktniederlage im Alpenduell gegen Österreich war damals der Anfang vom Ende. Mit Fortuna im Bunde ist dieser Makel getilgt.
Die Diskussion ist geschlossen.
Gutes Spiel, zuschauen hat Spass gemacht. Was mich am meisten überrascht hat, dass man Fußball spielen kann ohne laufend zu spucken. Hätte nicht gedacht, dass dies überhaupt möglich ist. Da sollten sich die Herren mal die Mädels als gutes Vorbild nehmen.
Ist nur das Pech, wenn der Gegner Latte oder Pfosten trifft? Immerhin hatten die Deutschen auch zwei Aluminiumtreffer und zudem zwei glasklare Torchancen!
Wenn doch der FCA so spielfreudig würde, wie unsere Damen-Nationalmannschaft, dann könnte man sich auf die kommende Saison freuen. ;-)
Ohne Schmäh: Das war doch ganz ansehnlich, vom Willen zum schnellen Abspiel und zu überraschenden Kombinationen geprägt. Klar klappte nicht alles. Tut es bei den Männer aber auch nicht.
Sah das Spiel auch ausgewogen. Natürlich kann dann so etwas auch anders herum ausgehen, aber von einem glücklichen Sieg hätte ich auch nicht geschrieben.
Ich erinnere mich noch, wie Alexandra Popp 2010 in Augsburg bei der U20-Weltmeisterschaft der Frauen ihre ersten Schritte in der Nati machte, Weltmeisterin wurde und mit 10 Toren auch den Golden Schuh und den Goldenen Ball zugesprochen bekam. Bis heute ist sie Rekordtorschützin im U20-Bereich.Tolle Spielerin immer schon gewesen - leider mit viel Verletzungspech.
Man muss nicht immer alles schlechtreden: Bei 2 zu 3 Holztreffern war das Glück nicht gar so einseitig verteilt, wie es in dem Artikel suggeriert wird. Dazu hatte Deutschland noch eine 1000%ige Chance, die leichtfertig vergeben wurde.
Sie haben meine volle Zustimmung - es ist schade, dass das Nationalteam in der Berichterstattung schlechter gemacht wird, als es ist - nach meiner Wahrnehmung geschlechtsunabhängig.
Ich gratuliere unseren Damen zu ihrem Erfolg und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg im Turnier.