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Fußball: 25 Jahre WM-Sieg: Was aus Frankreichs Träumen wurde

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25 Jahre WM-Sieg: Was aus Frankreichs Träumen wurde

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    Am 12. Juli 1998 wurde Frankreich erstmals Fußball-Weltmeister - nicht alle Träume verwirklichten sich danach.
    Am 12. Juli 1998 wurde Frankreich erstmals Fußball-Weltmeister - nicht alle Träume verwirklichten sich danach. Foto: Uwe Speck, Witters

    Der 12. Juli des Jahres 1998 war ein magischer Tag für Frankreich. Im Stade de France fand an diesem Abend das Finale der Fußball-WM statt, die Gastgeber gewannen mit 3:0 gegen Brasilien. Es war der erste Sieg bei einer Weltmeisterschaft in der Geschichte der fußballbegeisterten Grande Nation. Und eigentlich sollte es so viel mehr sein. Nicht nur sportlich schien Frankreich auf dem Gipfel angekommen. Zwei Tage vor dem Nationalfeiertag schien der Beweis erbracht: Es klappt doch alles in diesem Land, in dem viele Einwohner ihre Wurzeln in Afrika oder arabischen Ländern haben. Der Fußball schien eine Vision zu liefern für das, was sonst noch möglich ist: Erfolg, Glück, ein friedliches Zusammenleben der Kulturen. Heute weiß man, dass diese Sichtweise etwas zu naiv war - und das nicht nur wegen der Gewaltexzesse im November 2005 und vor einigen Wochen. Damals wie heute waren es vor allem junge Migrantenkinder, die sich radikalisierten.

    An diesem Sommerabend vor 25 Jahren schien aber noch alles möglich zu sein. Frankreichs Präsident Jacques Chirac betonte am Tag nach dem Erfolg die integrative Kraft dieses WM-Sieges: "Diese Mannschaft, die so viele Wurzeln hat, hat gezeigt, dass es in Frankreich möglich ist, zusammenzuleben, indem man die Vielfalt akzeptiert und respektiert." Lilian Thuram, einer der Schlüsselspieler des Teams, stimmte ein: "Der Sieg hat gezeigt, dass wir alle Franzosen sind, unabhängig von unserer Herkunft." Der renommierte Soziologe Didier Lapeyronnie sprach gar von einem "kraftvollen Ausdruck des multikulturellen Frankreichs und einer Triumph über den Rassismus".

    Manches wirkt wie ein Vorgriff auf die deutsche Debatte

    Noch einen Monat zuvor hatte das noch anders ausgesehen. Die Nationalmannschaft war im Vorfeld des Turniers Gegenstand von Diskussionen gewesen. Viele Spieler wie Thuram, der auf der Karibikinsel Guadeloupe aufwuchs oder der Final-Doppeltorschütze Zinédine Zidane, dessen Eltern Algerier sind, hatten ihre Wurzeln in afrikanischen oder arabischen Ländern. Jean-Marie Le Pen, damaliger Vorsitzender des rechtsextremen Front National, sagte kurz vor dem WM-Start: "Unsere Mannschaft ist nicht mehr wirklich französisch. Sie besteht aus Spielern mit Wurzeln aus aller Welt." 

    Es wirkt aus deutscher Sicht wie ein Vorgriff auf eine Debatte, die die deutsche Nationalelf erst später erfassen sollte. Auch in deutschen Trikots stecken mittlerweile viele Einwandererkinder - und nicht jedem gefällt das. Kurz vor der EM 2016 hatte AfD-Vize Alexander Gauland gesagt, Nationalverteidiger Jérome Boateng werde im eigenen Land als fremd empfunden: "Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben." In Deutschland solidarisierte sich damals eine breite Mehrheit mit Boateng. Ende der 90er war in Frankreich hingegen ein Schlagwort geboren, das den Zusammenhalt symbolisieren sollte: "black, blanc, beur" sollte ausdrücken, dass Schwarze, Weiße und Araber zusammen für Frankreich die beste Mannschaft der Welt sein können. 

    Kylian Mbappe repräsentiert in vielerlei Hinsicht das moderne Frankreich. .
    Kylian Mbappe repräsentiert in vielerlei Hinsicht das moderne Frankreich. . Foto: Bruno Fahy, belga/dpa

    Kylian Mbappé wirkt wie die Ein-Mann-Variante von "black, blanc, beur"

    Die Sache mit dem WM-Sieg gelang Frankreich 2018 erneut. Bester Spieler des Teams war ein gerade mal 19-Jähriger aus den Pariser Banlieues, dessen Vater aus Kamerun stammt und dessen Mutter Algerierin ist: Kylian Mbappé. Mbappé, der mittlerweile 24 Jahre alt ist, ist zum Weltklassespieler gereift und repräsentiert in vielerlei Hinsicht das moderne Frankreich. Vielleicht deswegen hat der Spieler von Paris St. Germain einen direkten Draht zu Staatspräsident Emmanuel Macron. Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erklärt: "Macron zeigt sich immer wieder mit Mbappé, er ist in Frankreich der absolute Superstar und der Sympathieträger schlechthin." 

    Das ging sogar soweit, dass sich Macron vor einem Jahr dafür eingesetzt hat, dass Mbappé nicht zu Real Madrid wechselte, sondern in Paris blieb. "Macron hat davon gesprochen, dass das Land Mbappé noch brauche." Der junge Fußball-Profi scheint die Ein-Mann-Version von "black, blanc, beur" zu sein. Dass sein Vereinswechsel ein Staatsakt ist, zeigt, in welchem Maße Fußball im Nachbarland politisch aufgeladen ist. "Wenn man sich vorstellt, dass in Deutschland ein Bundeskanzler einen Spieler davon überzeugt, beim FC Bayern zu bleiben, wirkt das aus unserer Sicht fast schon absurd", so Ross. In Frankreich ist aber genau das passiert.

    Jacob Ross ist Frankreich-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
    Jacob Ross ist Frankreich-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Foto: Jacob Ross

    Mbappé und seine Mitspieler nutzen ihre Stimme für den Frieden

    Über soziale Netzwerke meldete sich Mbappé Anfang Juli zu Wort. Zusammen mit einer französischen Nationalflagge schrieb er: "Die Zeit der Gewalt muss enden." Viele Spieler würden selbst aus den Arbeitervierteln kommen und könnten den Schmerz und die Traurigkeit nachvollziehen. Doch Gewalt löse keine Probleme. Dass die Nachricht von Mbappé und vieler seiner Mitspieler aus der Nationalelf in den Banlieues angekommen ist, daran hegt Ross keinen Zweifel: "Die Nationalelf ist einer der wenigen Institutionen, die sowohl in den reichen Innenstadtbezirken als auch in den Banlieues gehört werden." 

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