Die Europameisterschaft 2024 ist nach vielen Maßstäben ein voller Erfolg. Die Stadien sind prall gefüllt. In den Städten und auf den Fanmeilen liegen sich Menschen unterschiedlichster Nationen in den Armen. Die Organisation läuft reibungslos, größere Zwischenfälle gab es keine.
In einem Punkt jedoch begeistert diese EM nicht: in fußballerischer Hinsicht. Bislang fielen bei diesem Turnier 2,25 Tore pro Spiel. Das ist der drittniedrigste Wert, seit die Europameisterschaft 1996 auf 16 Teilnehmer erweitert wurde. Bei der letzten Europameisterschaft durften die Fans noch 2,78 Tore pro Spiel bestaunen, bei der WM in Katar lag der Wert bei 2,69 Toren pro Spiel.
Frankreichs Offensive kam ohne Tor aus dem Spiel ins Halbfinale
Ausgerechnet die Favoriten verweigern das offensive Spiel. Es genügt ein Blick auf die Teilnehmer des Halbfinals. Frankreich hat das Kunststück geschafft, die Vorschlussrunde zu erreichen, ohne ein einziges Tor aus dem Spiel zu erzielen. Ihre mageren drei Tore fielen per Elfmeter oder Eigentor.
Die Franzosen verlassen sich auf die individuelle Klasse ihrer Verteidiger. Ein hohes Pressing wagen sie nicht, bei eigenen Angriffen bleiben stets sechs bis sieben Mann hinter dem Ball. Ihr Erfolgsrezept: Sie haben im gesamten Turnierverlauf erst ein Gegentor kassiert. Dabei trafen sie mit den Niederlanden, Belgien und Portugal auf durchaus kreative Gegner. Doch auch diese wagten sich gegen Frankreich nicht weit vor. Zu groß war die Angst, von Kylian Mbappé ausgekontert zu werden. So ist es kein Zufall, dass bei Partien mit französischer Beteiligung gerade einmal 0,8 Tore pro Spiel gefallen sind.
Englands Fußball ist grauenhaft anzusehen
Die Franzosen mögen wenigstens noch von sich behaupten können, dass sie die Kunst des Verteidigens beherrschen. Der englische Fußball hingegen verdient das Prädikat „grauenvoll“. Die Engländer verfügen über keinerlei Ordnung im Spielaufbau, keinerlei Ideen, keinerlei Finesse. Dabei stehen Trainer Gareth Southgate die wohl großartigsten Individualisten zur Verfügung, die ein Nationaltrainer auf den Platz stellen kann. Doch sein Motto lautet: Safety first! Die Engländer spielen derart befreit von Risiko, dass sie schon wieder riskant spielen. Denn durch ihr völlig fehlendes Pressing laden sie selbst B-Nationen der Marke Slowakei zum Toreschießen ein. Bislang ist ihnen das Glück hold.
Die Niederländer zeichnen sich wiederum durch ihre völlig fehlende Kreativität aus. Xavi Simons versucht als Spielgestalter immerhin noch, Dribblings oder geniale Pässe einzustreuen. Gegen die Türkei blieb ihnen am Ende nur die Holzhammermethode. Brachialstürmer Wout Weghorst sorgte dafür, dass diese Strategie aufging.
Die wenigen Farbtupfer dieser EM radierten sich gegenseitig aus. Spanien überrannte im Achtelfinale zunächst die konterstarken Georgier, ehe sie im Viertelfinale auf Deutschland trafen. Die spanische wie die deutsche Nationalmannschaft sind die einzigen Favoriten, die in diesem Turnier dezidiert offensiven Fußball spielen. Sie greifen mit mehr als drei Mann den gegnerischen Strafraum an. Wenn sie den Ball verlieren, ziehen sie sich nicht zurück, sondern suchen sofort den Zweikampf. Umso bitterer ist die Tatsache, dass sie bereits im Viertelfinale aufeinandertrafen. Die Spanier müssen nun die Fahne des kreativen wie offensiven Fußballs hochhalten.
Im Halbfinale treffen die Spanier auf Frankreich. Man kann sich ausmalen, wie diese Partie ablaufen wird: Die eine Mannschaft greift an, während sich die andere Elf weit zurückzieht. Die Befürchtung liegt nahe, dass sich am Ende das defensiv stabilere Team durchsetzen wird. Es würde zu dieser Europameisterschaft des Defensivfußballs passen.
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