Es war fast wie eine Erlösung. Wenn es am Ende keine Medaille geworden wäre, Isabel Gose hätte die Welt nicht mehr verstanden. Bis zu ihrer ersten olympischen Bronzemedaille war die Karriere der Magdeburgerin auch eine Laufbahn der verpassten Chancen. Gegen die achtmalige Europameisterin Simona Quadarella hatte Gose in wichtigen Rennen schon mehrfach das Nachsehen gehabt, in Paris distanzierte sie die Italienerin souverän wie selten auf der letzten der 30 Bahnen über 1500 Meter Freistil.
Isabel Gose war das am Abend in der La Defense Arena alles sehr bewusst. „Die internationalen Medaillen, die ich bis jetzt gesammelt habe, waren jedes Mal Medaillen, wo wirklich starke Mädels gefehlt haben“, sagte die 22-Jährige in Paris. Vor dem Rennen habe sie Zweifel gehabt, gab sie offen zu. „Ich war sehr aufgeregt, hatte sehr viel Respekt vor diesem Wettkampf und bin einfach nur super happy, dass das alles aufgegangen ist.“
Dramatischer Wettkampf: Gose gegen Quadarella über 1500m Freistil
Gose hatte bei den Weltmeisterschaften im Februar zweimal Bronze und einmal Silber gewonnen. Die achtmalige Olympiasiegerin Katie Ledecky aus den USA hatte wegen Olympia auf die Titelkämpfe in Doha verzichtet, in Paris war die komplette Weltelite am Start. „Ich bin wirklich stolz darauf, dass unsere harte Arbeit, die letzten Trainingslager und die letzten Trainingswochen zum Ziel geführt haben“, sagte Isabel Gose. Gerade auch das Duell mit Simona Quadarella hatte sie beschäftigt. In Paris verwies sie die 25-Jährige auf Rang vier. „Das war ein Konkurrenzkampf, den ich über die letzte Saison schon gut kennengelernt habe, jetzt habe ich sie im richtigen Rennen geschlagen.“
Gose weiß, dass sie nach ihrer ersten olympischen Medaille in Zukunft mehr Druck aushalten muss, „aber ich habe mit dieser Bronzemedaille mental einen ganz großen Schritt nach vorne getan“. Vergessen war das Duell mit der Italienerin bei den Weltmeisterschaften von Doha. Die knapp verfehlte Goldmedaille in einem wahren Krimi und dem Silberrang über 800 Meter Freistil hatten bei ihr für Tränen gesorgt: „Ich kriege so eine Chance nie wieder.“ Neun Hundertstelsekunden lagen nach 800 Metern zwischen Weltmeisterin Quadarella und ihr. Bei der letzten Wende hatte sie noch geführt, am Ende spielte Quadarella aber ihre Stärke und Erfahrung aus.
Olympia: Isabel Gose überwindet ihre Rivalität mit Quadarella
In Paris lief es besser – und umgekehrt. Nach ihrem furiosen Endspurt hielt sich Isabel Gose völlig entkräftet am Beckenrand fest, ihr Olympiatraum war Wirklichkeit geworden. Im Sog von Rekordweltmeisterin Katie Ledecky war die Magdeburgerin mit deutschem Rekord das bislang größte Rennen ihres Lebens geschwommen – und schaffte es nach Gold bei den Europameisterschaften 2022 und drei Medaillen bei den Weltmeisterschaften in Doha auch auf der olympischen Bühne aufs Podest, nach 15:41,16 Minuten schlug die zweite Medaillengewinnerin der deutschen Mannschaft zwar elf Sekunden nach dem US-Superstar an, doch die Freude war unbeschreiblich: Gose konnte sich auch bei der Siegerehrung kaum vom Anblick ihrer Olympiamedaille lösen.
An die französische Lokalmatadorin Anastasiia Kirpichnikova, die von den Zuschauern frenetisch angefeuert wurde, kam sie auf den letzten Metern zwar nicht mehr heran. Aber ihre italienische Dauerrivalin ließ sie nach langem Kopf-an-Kopf-Rennen noch hinter sich. Ihre Magdeburger Trainingskollegin Leonie Märtens belegte den achten Platz.
Gose siegt über Zweifel und Konkurrenz in Paris
Der Plan von Bundestrainer Bernd Berkhahn ging in Paris auf. Gose orientierte sich an Quadarella, die neben ihr schwamm. Kirpichnikova lag vor dem Duo auf Platz zwei und hielt konstant ihren Vorsprung – bis auf der letzten Bahn, als Gose immer näherkam. Ihre starke Form hatte Gose auch schon als Fünfte über 400 Meter mit deutschem Rekord unter Beweis gestellt. Eine weitere Chance hat sie noch in Paris: Über 800 Meter zählt sie als Vierte der Weltjahresbestenliste zum erweiterten Favoritenkreis.
Star des Abends in der La Defense Arena war aber Léon Marchand, sein Endspurt über 200 Meter Schmetterling ein Ereignis. Frankreichs Nationalheld lag vor der letzten Wende zurück, ehe er plötzlich nochmals entscheidend die Geschwindigkeit steigerte. 17.000 Zuschauer schrien ekstatisch, die Arena schien zu explodieren, als Marchand auf den letzten zehn Metern an Tokio-Olympiasieger und Weltrekordler Kristof Milak vorbeirauschte und das nächste Gold für Frankreich gewann. Wenig später, unglaublich, gewann Marchand auch über 200 Meter Brust sein drittes Gold. Am Freitag springt der Superstar zum Finale über 200 Meter Lagen ins Wasser. Es gibt keine Zweifel an seinem vierten Olympiasieg.
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