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Jürgen Klopp: Erste Pressekonferenz bei Red Bull

Fußball

Im Namen der Dose: Jürgen Klopp und der Angriff aufs Fußball-Establishment

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    Will von einem ruinierten Ruf nichts wissen: Jürgen Klopp ist jetzt auch das wichtigste Werbegesicht von Red Bull.
    Will von einem ruinierten Ruf nichts wissen: Jürgen Klopp ist jetzt auch das wichtigste Werbegesicht von Red Bull. Foto: Kerstin Joensson, afp

    Die Plätze sind schon kurz nach dem offiziellen Einlass knapp geworden. Eineinhalb Stunden vor Beginn der Vorstellung von Jürgen Klopp ist der Hangar 7 am Salzburger Flughafen geöffnet. „Wos is‘n heid los?“ fragt einer der Journalisten, die offenbar öfter hier sind, scherzhaft. Los ist natürlich Jürgen Klopp. Jener Mann, der als „Head of Global Soccer“ künftig die Geschicke der Fußball-Standorte leiten soll, die im Zeichen der roten Bullen betrieben werden.

    160 Journalistinnen und Journalisten sind gekommen, aus Ägypten, Polen, Bosnien, Slowenien, Frankreich, England. Angelockt wurden sie durch den größten Transfer, der dem Sportkonzern Red Bull bislang gelungen ist. Klopp soll das sein, was er auch bei seinen vorherigen Stationen war: Zugpferd, Chefstratege, Magnet der Emotionen. In Verbindung mit der Kraft, die hinter Red Bull steht, ist es nichts weniger als ein Angriff auf Europas Fußballelite.

    Dass nur die Nummer eins der Anspruch der Österreicher sein kann, zeigt schon das Setting: Im Hintergrund landen und starten Flugzeuge, die Alpen bieten ein eindrucksvolles Panorama – und neben der Bühne, auf der Jürgen Klopp Platz genommen hat, ist ein Formel-1-Bolide geparkt. Es ist das Auto, mit dem Max Verstappen viermal den Titel gewonnen hat.

    Klopp soll die Formel 1 im Fußball gewinnen – das weiß der 57-Jährige auch. Übersetzt auf das prominenteste Projekt, RB Leipzig in der Bundesliga, bedeutet das die Deutsche Meisterschaft. Vorerst jedenfalls. Bei der Vorstellung, die komplett auf Englisch stattfindet, nimmt Klopp die Vorlage aus dem Rennsport auf: „Ich will wissen, wie Max Verstappen eine Kurve mit 180 Stundenkilometern nimmt. Und wenn ich das weiß, möchte ich das in die Sprache des Fußballs übersetzen.“ Damit sei seine Aufgabe schon recht klar umschrieben, so Klopp: „Wir wollen von anderen Sportarten lernen, wir wollen den Fußball besser machen. Es gibt 1000 Dinge, die wir im Fußball lernen können. Und wir werden die Ersten sein, die es wissen.“ Von Titeln wollte er nicht sprechen: „Das schafft nur Schlagzeilen. Wir wollen die Besten sein, die wir sein können.“

    Der Name Klopp soll im Poker um die besten Profis helfen

    Oliver Mintzlaff, der als Geschäftsführer der Red Bull GmbH neben Klopp sitzt, formuliert den Anspruch deutlicher: „Unser Ziel ist es, immer zu gewinnen. Dafür machen wir diesen Sport. Natürlich wollen wir auch die Deutsche Meisterschaft gewinnen.“ Mit Klopp scheinen die Chancen dafür gestiegen, so Mintzlaff: „Die Expertise von Jürgen hat bislang gefehlt. Wir haben 800 Athleten in 50 Sportarten unter Vertrag, wir machen sehr viel. Und wir lernen bislang nichts voneinander. Das soll sich nun ändern.“ Dazu macht Mintzlaff unumwunden klar, dass auch die Zugkraft Klopps im Poker um die besten Profis helfen soll: „Wenn wir einen Spieler überzeugen wollen, zu uns zu kommen und Jürgen ist mit dabei – dann hilft uns das natürlich.“

    Kontakt habe es schon lange gegeben – etwa, als Klopp noch Trainer in Liverpool und Mintzlaff Sportchef bei RB Leipzig war. „Dann hat er doch noch mal seinen Vertrag in England verlängert“, so Mintzlaff. Als Klopp seinen Abschied von der Anfield Road verkündete, glühten die Drähte wieder. „Wir haben nicht lange verhandelt. Wir haben sofort gemerkt: Das passt zusammen.“ Klopp hatte sein Ende als Trainer damit begründet, dass ihm für die Arbeit an der Seitenlinie die Kraft fehle: „Ich muss der Funke sein, der das Feuer entfacht. Aber ich habe keine Energie mehr.“

    Im September 2016 hatte Klopp schon mal einen Einblick in seine Zukunftsplanung gegeben. Damals, mit 49 Jahren, hatte er einen Satz gesagt, der aus heutiger Sicht wie eine Prophezeiung wirkt: „Dass ich mit 60 noch auf der Trainerbank sitze, ist sehr, sehr unwahrscheinlich.“ Knapp ein Jahr war er damals Trainer des FC Liverpool. Ein Verein, der in seine Vita passt. Denn, so Klopp: „Sollten es am Ende mit Mainz, Dortmund und Liverpool nur drei Vereine gewesen sein, waren es auf jeden Fall drei geile.“ Auf die Trainerbank, das hat er seit seinem Ende in Liverpool immer wieder betont, zieht es ihn nicht mehr zurück.

    Jürgen Klopp (links) und Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff: „Wir haben sofort gemerkt: Das passt zusammen.“
    Jürgen Klopp (links) und Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff: „Wir haben sofort gemerkt: Das passt zusammen.“ Foto: Jan Woitas, dpa

    Ob es sich bei den Vereinen, die unter dem Dach von Red Bull organisiert sind, um, wie Klopp sagt, geile Vereine handelt, darüber gibt es mindestens geteilte Meinungen. Vielen gilt das „Konstrukt Red Bull“, wie die organisierte Fanszene es nennt, als Inbegriff der Überkommerzialisierung, des Ausverkaufs an den Werten des Fußballs. Denn wie kann ein Verein wie RB Leipzig einzigartig sein, wenn es von ihm Klone in Österreich, Brasilien, New York, Paris und überall auf der Welt gibt?

    Auch dazu gibt es ein Zitat von Klopp. In einem Video-Interview mit der Deutschen Fußball-Liga DFL sprach er über das Red-Bull-Modell und ging auf die Kritik daran ein. Diese könne er nur zu einem Teil nachvollziehen, wegen der Anschubfinanzierung zum Start des Projekts. Seither werde aber sinnvoll mit den Mitteln gearbeitet, und überhaupt: „Die ganze Idee ist eine Fußball-Idee und nicht eine Geld-Idee.“ Tatsächlich dürfte Red Bull Klopp mit nahezu unbegrenzter Kompetenz gelockt haben, zusammen mit zumindest erheblichen finanziellen Mitteln. Klopp – das ist der ultimative Angriff von Red Bull auf das Establishment des Fußballs, das zumindest in Deutschland FC Bayern heißt.

    Klopp – das war aber auch lange der gute Mensch im Milliardengeschäft Fußball. Der „Normal One“, der letzte Normalo. Alle stürzten sich auf den Mann, der immer zu wissen schien, was richtig und was falsch ist. In Werbepausen von Fußballübertragungen ist „Kloppo“ fast omnipräsent, er macht Werbung für Autos, Brauereien, Finanzprodukte, Fitnessgeräte, Sportartikel. Man würde ihm wörtlich alles abkaufen – aber eben nicht, zu Red Bull zu gehen. Nachdem Anfang Oktober seine Verpflichtung publik geworden war, war die Enttäuschung unter den Fans riesig. Der Schriftsteller und Fußballfan Wolfram Eilenberger twitterte stellvertretend für viele: „Reinigend und schön, mit welcher Stringenz Jürgen Klopp uns letzter Illusionen beraubt.“

    Dass es was auf die Mütze geben würde, habe ich mir gedacht. Aber ich war überrascht davon, welchen Stellenwert diese Sache in Deutschland hat.

    Jürgen Klopp, Chefstratege von Red Bull

    Klopp ging mit der Kritik um, wie Klopp es eben tut, er konterte mit beißender Ironie. Auf dem 80. Geburtstag von Werner Brombach, dem Chef der Erdinger Brauerei, sagte er Ende des vorigen Jahres in München: „Als ich mich für Red Bull entschieden habe, haben die Leute gesagt, ich hätte meinen Ruf total ruiniert. Ich mache heute Abend noch ein Selfie mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Bayern, mit dem aktuellen und der zukünftigen, dann ist mein Ruf außerhalb von Bayern im Eimer.“

    Im Podcast von Toni Kroos hatte Klopp zuvor nachdenklichere Töne angestimmt: „Dass es was auf die Mütze geben würde, habe ich mir gedacht. Aber ich war überrascht davon, welchen Stellenwert diese Sache in Deutschland hat.“ Die letzten neun Jahre verbrachte er in England, sei immer nur kurz zu Besuch in Deutschland gewesen. Es waren Jahre, in denen aus dem erfolgreichen und allseits beliebten Fußballtrainer ein nationales Idol wurde.

    Klopp war eine Art deutscher Botschafter im Ausland

    Klopp begeisterte die Massen bei einem der größten Vereine der Welt, gewann Titel und Herzen. Irgendwann war er so etwas wie eine Art Botschafter im Ausland. Er zeigte, dass Deutsche erfolgreich und sympathisch sein können – eine Kombination, die zuvor als ausgeschlossen galt. Als erst zweiter Nicht-Engländer nach Nelson Mandela wurde er zum Ehrenbürger Liverpools ernannt. Als Klopp in Liverpool aufhörte, so schien es, hätte er jeden Job haben können – vom Bundestrainer bis zum Bundeskanzler. Auf den Einstieg bei Red Bull reagierte der Großteil der deutschen Bevölkerung bestürzt. Bei seinem Heimatverein Mainz waren Plakate zu sehen, auf denen zu lesen war: „Bist du beKLOPPT?“

    An diesem Nachmittag in Salzburg verweist Klopp auf die Erfahrungen, die er in Liverpool gemacht habe: „Der Verein gehört einem Hedgefonds. Und trotzdem ist der Klub emotional wie wenige. Soll ich vergessen, dass ich diese Seite des Fußballs gesehen habe?“ Auch bei Leipzig und allen anderen Vereinen gehe es vor allem um Emotionen, so Klopp. Das habe ihm der Sonntag gezeigt, als er sein erstes Leipzig-Spiel als neuer RB-Chefstratege gesehen habe, es war ein Sieg gegen Werder Bremen. „Ich habe mich im Stadion umgesehen und habe 47.000 Menschen gesehen. Und ich habe mir gedacht: Verdienen die es nicht auch, guten Fußball zu sehen? Doch, sie verdienen es.“ Neue Konzepte zu entwickeln, um den Fußball zu verbessern, sei nun seine Aufgabe. „Es ist ein Traumjob.“

    Ob dieser neue Traumjob nicht doch vom vorherigen – dem als Trainer – abgelöst werden wird? Etwa dann, wenn in Leipzig der Coach wackelt? Klopp schließt das aus: „Ich werde nicht Trainer eines Red-Bull-Teams werden, der Plan ist komplett anders.“ Auch der Job als deutscher Nationaltrainer sei für ihn kein Thema. Kurz, nachdem sein neuer Posten bekannt geworden war, gab es Gerüchte, wonach Klopp im Vertrag eine Ausstiegsklausel für die Aufgabe als Bundestrainer hat. Dementiert wurde damals schon – und auch an diesem Nachmittag in Salzburg. „Es gibt keine Vereinbarung. Ich mache die Dinge aus vollster Überzeugung und bin jetzt hier.“ Zudem habe Deutschland kein Problem auf dieser Position: „Wir haben mit Julian Nagelsmann den besten Nationaltrainer, den man kriegen kann. Er hatte einen enormen Einfluss auf diese Mannschaft. Ich hoffe, er macht diesen Job noch sehr lange.“

    Die nächsten Tage wird Klopp vor allem auf Reisen verbringen, eine Vorstellungsrunde bei den RB-Filialen in New York und Brasilien steht an, später sollen Japan und Paris folgen. Ein Büro in Salzburg sei nicht geplant, denn: „Die Welt ist jetzt mein Büro.“

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    1 Kommentar
    Rainer Kraus

    Wir sollten hinterfragen, warum Kloppo für eine ausländische Firma tätig wird? Anscheinend gibt es in Deutschland keine geeigneten Jobs mehr für Unternehmer jeglicher Art.

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