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Schummeln für den Sieg: Die Skispringer stehen unter Generalverdacht

Skispringen

Schummeln für den Sieg: Die Skispringer stehen unter Generalverdacht

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    Sven Hannawald, der letzte deutsche Sieger der Vierschanzentournee, spricht von einer „Watsche“ für die sauberen Athleten.
    Sven Hannawald, der letzte deutsche Sieger der Vierschanzentournee, spricht von einer „Watsche“ für die sauberen Athleten. Foto: Angelika Warmuth, dpa

    Vor einer Woche war die Welt der Skispringer noch in Ordnung. Wer weit nach unten segelte, dessen „System funktioniert“, wie die Springer gerne formulieren. Seit einigen Tagen springen jedoch Zweifel mit, ob die Leistungen allein durch konsequentes Training zustande kommen. Bei der WM in Trondheim flog ein Schwindel auf, der sich zum handfesten Skandal ausgeweitet hat. Eine Videoaufnahme rätselhafter Herkunft zeigt, wie an den Anzügen der Norweger genäht und manipuliert wurde. Der WM-Gastgeber hatte bei Anzügen eine nicht erlaubte Naht angebracht, die für mehr Stabilität nach dem Absprung sorgen soll. Beim Fliegen in der Luft sollen die Springer zudem von der zusätzlichen Steifigkeit profitiert haben. Seitdem herrscht dicke Luft in der Skisprung-Familie.

    Kaum ein Tag vergeht ohne neue Enthüllungen. Am Mittwoch waren die Top-Athleten Marius Lindvik und Johann André Forfang sowie Teamtrainer Magnus Brevig, der Assistenztrainer Thomas Lobben und der Servicemitarbeiter Adrian Livelten gesperrt worden. Norwegens Verband hat die vorsätzliche Manipulation der Anzüge von Lindvik und Forfang eingestanden. Beide Weltmeister betonen aber, sie selbst hätten von den illegalen Praktiken nichts gewusst.

    Hannawald glaubt nicht an Einzelfälle

    Einen Tag darauf zog der Ski-Weltverband Fis die nächsten Konsequenzen und suspendierte drei weitere norwegische Springer. Kristoffer Eriksen Sundal, Robert Johansson und Robin Pedersen werden gesperrt, wie Fis-Pressesprecher Bruno Sassi bei einer Pressekonferenz am Holmenkollen in Oslo mitteilte. Besonders skurril: Alle drei waren nur wenige Minuten zuvor im Training noch an den Start gegangen. Pedersen und Sundal waren bei der Heim-WM in Trondheim Teil des Bronze-Quartetts im Teamwettbewerb. Auch Fis-Renndirektor Sandro Pertile saß in Oslo auf dem Podium und sah zerknirscht drein: „Der Schaden ist bereits enorm.“

    Nicht nur der Weltverband Fis, vor allem Norwegens Skisprung-Mannschaft steht im Kreuzfeuer der Kritik. Die Version von Lindvik und Forfang, wonach sie von den Betrugsmaschen nichts gewusst haben wollen, stößt vielen Rivalen und Experten übel auf. Der vorerst letzte deutsche Vierschanzentournee-Sieger Sven Hannawald fand klare Worte. „Wie kann man so dreist sein und uns alle irgendwie gefühlt verarschen, indem man sagt, ich konnte nichts dafür? Wenn das so sein soll, dann sind es die zwei blindesten Springer auf der ganzen Welt“, sagte Hannawald über Lindvik und Forfang.

    Dass es sich bei den Manipulationen der WM-Gastgeber lediglich um Einzelfälle gehandelt haben soll, wird in der Springerszene angezweifelt. „Die Art der Dreistigkeit, die da an den Tag gelegt wird, die übersteigt jegliche Vorstellungen“, schimpfte Hannawald im Sportschau-Podcast der ARD. Für alle anderen Springer sei dies „eine Watsche ins Gesicht“.

    Wellinger sieht eine skurrile Situation

    Der Ski-Weltverband versucht aufzuklären und zugleich die Saison irgendwie über die Bühne zu bringen. „Wir werden die Regeln nicht ändern, aber wir werden das Prozedere ändern“, sagte Pertile. Ab sofort dürfen die Athleten bis zum Saisonfinale Ende März nur noch mit einem Sprunganzug antreten, den sie 30 Minuten vor dem Wettkampf erhalten. Andreas Bauer hatte zu Wochenbeginn neue Kontrollmethoden gefordert. „Bisher wird alles händisch überprüft, menschliche Messungenauigkeiten sind nicht auszuschließen. Wir müssen jetzt so schnell wie möglich auf die moderne Technik umsteigen und wie am Flughafen 3D-Scanner nutzen“, sagte der Chef der Fis-Materialkommission aus Oberstdorf.

    Gesprungen wurde in Norwegen weiterhin. Die Slowenin Nika Prevc (19) verbesserte am Freitag im Training den Frauen-Weltrekord in Vikersund auf 236 Meter. Die Männer waren Donnerstag in Oslo im Einsatz gewesen. Ohne die fünf suspendierten Norweger belegte Karl Geiger beim Weltcup-Sieg des Japaners Ryoyu Kobayashi am Holmenkollen Rang drei. Andreas Wellinger wurde Siebter. Sein Kommentar zur Lage im Skispringen: „Es ist ein bisschen eine skurrile Situation. Wir reden nur noch über Dinge, über die wir gar nicht reden wollen.“ Die aktuelle Situation sei „nicht unbedingt prickelnd“.

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