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Foto: Imago Images
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Ein Memminger Start-Up will mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz die Personalrekrutierung verbessern und beschleunigen.

Künstliche Intelligenz
27.09.2020

Söder will Künstliche Intelligenz stärken - ein Allgäuer Start-up bleibt auf der Strecke

Von Uli Bachmeier

Markus Söder gibt vor, künstliche Intelligenz vorantreiben zu wollen. Das Beispiel der Firma LogOn zeigt, dass derweil vielversprechende Projekte auf der Strecke bleiben.

Was für eine Vision! 100 neue Professoren sollen nach dem Willen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) künftig dafür sorgen, dass Bayern im Bereich der Künstlichen Intelligenz in Zukunft ganz vorne mitspielt in der Welt. Der Plan klingt plausibel und hat in der Vergangenheit oft funktioniert: Wer gezielt viel Geld in die Forschung investiert, der wird irgendwann mit gewinnbringenden Innovationen und neuen Arbeitsplätzen belohnt und kann auf neuen Geschäftsfeldern vielleicht sogar US-Internet-Riesen Paroli bieten. Dazu muss nur morgen oder übermorgen die Saat aufgehen, die heute ausgebracht wird. Was aber, wenn in der Zwischenzeit zarte Pflänzchen verdorren, weil in der Corona-Krise hinten und vorne der Mut fehlt, weiter zu investieren?

LogOn-Inhaber Peter Kolb: Unser Produkt ist einzigartig

In Memmingen ist in den vergangenen Jahren so ein Pflänzchen herangewachsen. Seine digitale Start-up-Firma LogOn, so sagt Inhaber Peter Kolb, war kurz davor, Früchte zu tragen. Sein Produkt sei einzigartig und in der Entwicklung der Konkurrenz um zwei Jahre voraus. Er habe mit seinen aktuell 13 Voll- und Teilzeitmitarbeitern ein digitales Instrument entwickelt, das künstliche Intelligenz für die Personalrekrutierung von Unternehmen einsetzt. Das selbstlernende System soll Firmen und potenzielle Mitarbeiter auf digitalem Weg zusammenbringen und das aufwendige analoge Verfahren für beide Seiten nicht nur erheblich verkürzen, sondern auch erfolgreicher gestalten. Problemlos anzuwenden sei es obendrein. Eine Firma brauche nicht einmal eine IT-Abteilung, um das System zu integrieren. „Bei uns heißt es: klick and play.“

Dass es Bedarf gibt, steht für Kolb außer Frage. Im Durchschnitt dauere es heute 86 Tage, bis eine Firma eine Stelle besetzen könne, und die Quote der Fehlbesetzungen sei hoch. Umgekehrt fangen Fachkräfte, die eigentlich willig wären, sich beruflich zu verändern, erst gar nicht an zu suchen, weil sie den Aufwand für Stellensuche und Bewerbung scheuen. Möglicherweise wissen viele auch gar nicht, dass sie sich bei einem anderen Unternehmen verbessern können. LogOn umwirbt potenzielle Wechselwillige mit dem Slogan „Suchen war gestern – ab sofort wird gefunden.“ Den Unternehmen verspricht er, die Rekrutierungskosten zu senken und ihnen lästige Arbeit abzunehmen.

Bis zur Krise sei alles nach Plan gelaufen – mit der Hausbank, mit einem Investor und mit den ersten Kunden. Bis Ende dieses Jahres, so kalkulierte Kolb, wäre LogOn mit „plus null“ rausgekommen. Für die Folgezeit rechnete er mit 10 bis 15 Prozent Umsatzrendite. Und mit einem Großinvestor wäre, wie er sagt, in drei Jahren ein Wachstumsschub möglich gewesen. Das anvisierte Ziel: 15 Millionen Umsatz, 60 Prozent Rendite. Doch dann kam Corona.

Kolb weiß nicht, wie er die Durststrecke ohne frisches Geld schaffen soll

Jetzt steht das digitale Start-up an einer Weggabelung. Kolb weiß, dass es einen riesigen Markt gibt: Personalberater und Vermittler setzten zuletzt allein im Markt für Hochqualifizierte bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr um. Er weiß, dass sich der Arbeitsmarkt wandelt: Statt ein- oder zweimal in ihrem Berufsleben werden Beschäftigte in Zukunft viel öfter den Arbeitgeber wechseln. Aber er weiß nicht, wie er die aktuelle Durststrecke ohne frisches Geld überwinden soll.

Sein Problem: „Digital-Unternehmen können per Definition in den ersten Jahren keinen Gewinn machen.“ Seine Hausbank dürfe ihm nicht weiter helfen, sein Investor habe im Moment selbst zu kämpfen und der Versuch, Unterstützung von der staatlichen Bayerischen Beteiligungsgesellschaft (BayBG) aus dem 40-Millionen-Euro-Eigenkapitalfonds zu bekommen, sei gescheitert.

Etwa 740.000 Euro für zwei Jahre würden reichen, sagt Kolb. Er selbst könnte sich noch einmal mit rund 270.000 Euro beteiligen. Das würde reichen, um in Memmingen bleiben zu können – und damit in der Region Augsburg, die nach Söders Worten zum Zentrum für Künstliche Intelligenz in Bayern werden soll. Kolbs Alternative heißt Tschechien. Dort sei er mit einer großen Mediengesellschaft im Gespräch, die bereit sei, Millionen zu investieren – allerdings unter der Bedingung, sein Start-up gleich ganz zu übernehmen. Das versucht er zu vermeiden.

Söder und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) haben bundesweit viel Lob und Anerkennung bekommen für die Milliardeninvestitionen in die bayerischen Hochschulen. Erst am Donnerstag ließen sie sich im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses für ihren Einsatz im Bereich Wasserstoff und Künstliche Intelligenz feiern. Und auf der Homepage der BayBG versichert Aiwanger, dass mit dem 40-Millionen-Fonds jetzt „effiziente Instrumente für die Erhöhung des Eigenkapitals bei Mittelständlern und Start-ups zur Verfügung stehen.“

Die Antwort, die Kolb von der BayBG erhielt, liest sich anders. Dort heißt es, man bedauere, dass LogOn die Voraussetzungen für eine Förderung nicht erfülle. Und weiter: „Aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel für das Start-up Shield Bayern sowie der Vielzahl der gestellten Anträge müssen wir eine Ermessensentscheidung treffen und Ihren Antrag leider ablehnen. Bei der Vielzahl an Anträgen sind es oft nur Nuancen, die letztendlich den Ausschlag geben.“

Stefanie Schuhknecht (Grüne): LogOn ist kein Einzelfall

Nach Aussage der schwäbischen Landtagsabgeordneten Stephanie Schuhknecht (Grüne) ist LogOn kein Einzelfall. Sie wisse von mehreren vielversprechenden Start-ups, denen nicht geholfen werde. Sie sagt: „Ein Start-Up-Schutzschild, der am Ende hauptsächlich Unternehmen hilft, die es großteils auch ohne Hilfe geschafft hätten, hat seinen Namen nicht verdient. Der Freistaat hätte es in der Hand gehabt, jetzt nicht nur großspurig in neue Projekte und Professuren bei der KI zu investieren, sondern vielleicht die mageren Bundesmittel des Schutzschilds mit einem eigenen Programm und besseren Kriterien aufzustocken, um ein Vertrocknen oder eine Abwanderung von durchstartenden Unternehmen aus Bayern zu verhindern.“

Kolb hat die Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben. Er will jetzt die örtlichen Abgeordneten um Unterstützung bitten. Staatssekretär Klaus Holetschek (CSU) hat bereits ein Gespräch zugesagt.

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