
Die EZB dreht weiter an der Zinsschraube

Die Europäische Zentralbank kämpft weiter entschlossen gegen die Teuerung. Der Leitzins wird auf 4,5 Prozent erhöht. Die Entscheidung wird kontrovers diskutiert, denn sie birgt auch Risiken.

Je länger die Inflation hoch bleibt und je schwächer die (deutsche) Konjunktur wird, desto größer wird die Spannung vor den Zinsentscheiden der Europäischen Zentralbank (EZB). Auch vor diesem Donnerstag war viel analysiert und gedeutelt worden. Um 14.15 Uhr war Schluss damit. Pünktlich wie stets veröffentlichte das EU-Organ seinen Beschluss: Der Leitzins steigt weiter – auf dann 4,5 Prozent.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde begründete die seit Juli 2022 inzwischen zehnte Drehung an der Zinsschraube damit, dass ihr Institut weiter mit einer hohen Inflation rechnet. Stand September gehen die EZB-Experten davon aus, dass die durchschnittliche Teuerung im Euroraum dieses Jahr bei 5,6 Prozent liegen wird. Für 2024 prognostiziert man 3,2 Prozent – die Werte gehen also langsamer zurück als bisher erwartet. Erst 2025 nähert man sich mit einer erwarteten Inflationsrate von 2,1 Prozent dem angestrebten Ziel – nämlich Preisstabilität – von zwei Prozent.
Was der Chefvolkswirt der DZ Bank zur Zinserhöhung der EZB sagt
Der Entscheid wurde in Zeiten einer insgesamt schwachen Konjunktur so kontrovers diskutiert, wie zuvor gerätselt wurde, wie weit die EZB gehen wird. So spricht Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank, von einem "guten Signal für die Glaubwürdigkeit der EZB". Holstein schreibt, dass die Erhöhung "etwas überraschend" komme, zumal die EZB ihre Prognose für die Kernrateninflation und den Konjunkturausblick in diesem und den kommenden beiden Jahren nach unten revidiert habe. Er folgert: "Das kann nur als Erfolg des Falken-Lagers verstanden werden, das auf einen weiteren Sicherheitszinsschritt im Kampf gegen die zu hohe Inflation gedrungen haben dürfte." Holstein geht aber auch davon aus, dass die heutige Umdrehung die "vorerst letzte" gewesen sein dürfte. Lagarde bestätigte, dass es Diskussionen im EZB-Rat gab, versicherte aber, dass es eine "solide Mehrheit" für die Erhöhung in dem Gremium gegeben habe. Auch schloss sie nicht aus, dass es eine weitere Runde geben könne.
Ifo-Präsident Clemens Fuest lobt die EZB, die Zinserhöhung sei gut begründet. Die Inflation bleibe trotz der konjunkturellen Abkühlung hoch. Und da die EZB für 2024 ihre Inflationsprognose erhöht habe, sei die Zinserhöhung folgerichtig. Zugleich gab er zu bedenken: „Für Deutschland ist die Zinserhöhung angesichts der Schrumpfung der Wirtschaft schmerzhaft. Die EZB macht aber Geldpolitik nicht nur für Deutschland, sondern für den Euroraum insgesamt.“
Kritik gibt es von DIW-Präsident Marcel Fratzscher
Kritischer positioniert sich dagegen Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW). Er bescheinigt der EZB, ein "erhebliches Risiko" einzugehen. Mit der neuerlichen Erhöhung der Zinsen könne die Zentralbank dazu beitragen, dass die Wirtschaft der Eurozone in die Rezession rutsche, ohne dass sie die Inflation noch schneller senkt. Er begründet das so: "Die Wirtschaft der Eurozone hat sich in den vergangenen Monaten weiter abgeschwächt. Die Risiken einer Rezession sind gestiegen. Die Inflation dagegen ist zwar nach wie vor zu hoch, aber auf einem stabilen Pfad, sodass die EZB ihr Mandat der Preisstabilität in der mittleren Frist wieder erreichen sollte – auch ohne weitere Zinserhöhungen. Der Rat der EZB will mit dieser Entscheidung Härte zeigen und die eigene Glaubwürdigkeit stärken." Dies sei verständlich, aber eben auch riskant. Für die Unternehmen - etwa der Baubranche - wird laut Deutscher Industrie- und Handelskammer die Durststrecke jedenfalls "noch länger".
Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft" am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, versteht die Entschlossenheit der EZB bei der Inflationsbekämpfung "vor allem" als ein Signal an die Lohnpolitik. "Tarifverhandlungen sollen sich darauf verlassen können, dass spätestens 2025 die Rückkehr zur Preisstabilität gelingt und die Löhne keine Aufschläge für zukünftige Inflation benötigen."
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