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Zukunft der Arbeit: Bischofskonferenz fordert neue Debatte über den Wert der Arbeit

Arbeitsmarkt

Welchen Wert hat die Arbeit?

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    Auf der Hannover Messe sind die Trends zu sehen, die künftig den Arbeitsmarkt bestimmen werden. Die digitale Transformation wird die Arbeitswelt stark verändern.
    Auf der Hannover Messe sind die Trends zu sehen, die künftig den Arbeitsmarkt bestimmen werden. Die digitale Transformation wird die Arbeitswelt stark verändern. Foto: Michael Matthey, dpa

    Die Arbeit ist zum Reizthema geworden. Bei der Bundestagswahl ist die Union angetreten, mit dem Versprechen, das Bürgergeld zu schleifen. Aus der Wirtschaft werden derweil die Klagen über den Fachkräftemangel immer lauter. Gleichzeitig wünschen sich offenbar immer mehr Menschen weniger zu arbeiten und erhoffen sich eine bessere „Work-Life-Balance“. Und um das Gewirr komplett zu machen, häufen sich nun die Meldungen über Massenentlassungen aus der Industrie. Kurz: Beim Thema Arbeit lauern derzeit wohl so viele Konflikte wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

    Mitten hinein in dieses Spannungsfeld steuert nun die Deutsche Bischofskonferenz mit einem Impulspapier, das der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer am Mittwoch in Nürnberg zusammen mit der Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, vorgestellt hat. „Die versöhnende Kraft der Arbeit“ ist die Gedankensammlung überschrieben und macht damit schon im Titel klar, was die Bischöfe zu der unerwarteten Initiative motiviert hat. „Arbeit ist mehr als ein Job. Sie ist das Rückgrat unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts“, sagte Wilmer. Und den sehen die Kirchenvertreter bedroht.

    Die sozialen Sicherungssysteme hängen an der Arbeit

    Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger ist der Leiter der Arbeitsgruppe, die das Papier verfasst hat. Er sagt: „Wir werden uns künftig noch intensiver fragen müssen: Wie können wir die Lasten für die Absicherung der Grundrisiken des Lebens gerechter verteilen? Alle diese Risiken hängen direkt an der Arbeit.“ Von der Rente über das Gesundheitssystem oder die Arbeitslosenversicherung - unsere Sozialsysteme leben von der solidarischen Finanzierung durch die Erwerbstätigen. Doch die werden durch den demografischen Wandel weniger - und vielleicht weniger gebraucht.

    Denn durch die Digitalisierung der Arbeitswelt und den Einzug Künstlicher Intelligenz übernehmen Maschinen zunehmend nicht mehr nur manuelle, repetitive und körperlich anstrengende Tätigkeiten. Auch Aufgaben, für die bislang gut qualifizierte - und entlohnte - Menschen zuständig waren, können nun Computer ausführen. Das weckt Ängste. Denn der Verlust des Arbeitsplatzes wird als einschneidender empfunden als eine Trennung, betonte Nahles.

    Dazu trage auch die Sprache in der Politik bei, kritisierte die Agenturchefin: „Wenn über Arbeitslose geredet wird, kommt immer gleich der Vorwurf, das seien alle Totalverweigerer. Das gibt es auch, und in diesen Fällen bin ich durchaus dafür, den Geldhahn abzudrehen. Aber die große Mehrheit der Betroffenen ist erst einmal erschüttert über den Verlust des Arbeitsplatzes. Das kann jeden treffen.“

    Jung, männlich, aus der Stadt und Migrationshintergrund ist ein Risiko

    Doch das Risiko, arbeitslos zu sein, ist nicht gleich verteilt. „In Deutschland bestimmt die soziale Herkunft den beruflichen Erfolg viel stärker als in anderen Ländern“, beklagte Wilmer. Darum fordern die Bischöfe mehr Einsatz für das Bildungssystem. Sie schlagen Befähigungsgleichheit statt nur Chancengleichheit als Leitbild vor. Schulen in sozialen Schwerpunkten müssten besser ausgestattet sein, damit die Kinder so gefördert werden können, dass sie nicht nur formal die gleichen Chancen zum Aufstieg haben, sondern auch tatsächlich die Fähigkeiten erwerben können, um erfolgreich in einem Beruf zu starten.

    „Als katholisches Arbeitermädchen vom Lande war ich als Kind zu meiner Zeit in der denkbar ungünstigsten Startposition“, sagte Nahles. Doch Bildungsreformen und die Unterstützung von Leuten außerhalb der Familie hätten ihr den Weg zum Abitur geebnet. Heute ist das Klumpenrisiko für Arbeitslosigkeit anders verteilt, erklärt Nahles: „Junge, in der Stadt, mit Migrationshintergrund, das sind heute vielfach die Ausschlusskriterien.“

    Andrea Nahles hofft auf eine notwendige Debatte

    Während die einen arbeiten wollen, aber nicht können, gibt es aber auch andere, die arbeiten können, aber das gerne reduzieren wollen. „Work-Life-Balance“ heißt das Modewort, das auf eine Reduzierung der Arbeitszeit abzielt. Die Bischöfe kritisieren die aus ihrer Sicht in diesem Begriff durchscheinende Trennung von Arbeit und Leben in zwei scheinbar getrennte Sphären. Die Arbeit dürfe nicht das ganze Leben bestimmen. Sonst herrsche auch in anderen Lebensbereichen nur noch die Logik der Effizienz und Produktivität. Arbeit habe aber noch mehr Dimensionen als nur den Gelderwerb. „Arbeit ist ein Ort der Menschwerdung“, sagt Wilmer.

    Die Debatte, was das künftig bedeutet, beginnt gerade erst. Nahles sagt: „Wir können nicht auf die Herausforderungen von heute mit den Antworten von gestern reagieren. Ich wünsche mir schon, dass bei den Koalitionsverhandlungen die Spur für einen neuen Konsens gelegt worden ist. Aber die Debatte ist notwendig.“

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