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Porträt
03.01.2018

Georg Kirner: Das verrückte Leben des letzten bayerischen Abenteurers

1984, die Wüste Thar in Vorderindien: Georg Kirner, eindeutig an der Tracht zu erkennen, kommt mit Einheimischen ins Gespräch.
3 Bilder
1984, die Wüste Thar in Vorderindien: Georg Kirner, eindeutig an der Tracht zu erkennen, kommt mit Einheimischen ins Gespräch.
Foto: Georg Kirner

Georg Kirner hat fast 200 Länder bereist und mehrere Flugzeugabstürze hinter sich. Eine Geschichte über Urvölker, Kälte-Training im Großmarkt und einen besonderen Weltrekord.

„Tschüss-freie Zone“ ist auf dem handgroßen Schild zu lesen, das neben der Eingangstür seines Hauses klebt. Damit ist sofort klar: Georg Kirner ist Bayer. Und was für einer, sollte man vielleicht hinzufügen. Der Mann hat so viel gesehen, dass es für drei Leben reicht.

Es klingt wundersam, wenn man hört, was Kirner schon alles passiert ist. Dreimal stürzten Flugzeuge ab, in denen er saß, dreimal überlebte er; einmal, weil er beim Aufprall gerade auf der Toilette saß. Er überwand Krankheiten wie Malaria, Hepatitis A und B und ließ sich von Medizinmännern kurieren. Kurz und gut: Georg Kirner, den alle nur Schorsch nennen, zählt zu den letzten Abenteurern vom alten Schlag. Einer, der ohne Hightech-Unterstützung, oft ganz auf sich allein gestellt, in unbekannte Gegenden dieser Erde vordrang.

Wer Kirner heute trifft, merkt nichts mehr von den früheren Krankheiten. Nach wie vor ist der 81-Jährige ein Energiebündel. Das Haar ist voll, im Gesicht sprießt ein Bart. Schon als er in sein Haus in Baldham bei München bittet, beginnt er zu erzählen. Ungezählte Erinnerungsstücke schmücken die Zimmer und Flure: Blasrohre aus Neuguinea, Skalpelle der Inkas, tausend andere Sachen. Sie sind Zeugnisse seiner Reisen, die ihn in bisher 197 Länder führten.

Zuletzt hat Kirner mit seiner Frau drei Wochen Urlaub auf La Gomera gemacht, der zweitkleinsten Kanareninsel. Für einen wie ihn ist das keine echte Reise, eher so etwas wie ein Familienausflug. Zurzeit beschäftigt er sich auch nicht mit Reisen, sondern mit einem ganz anderen Thema: dem Wildschütz Jennerwein. Kirner hat dessen Todesumstände recherchiert und dazu ein Büchlein veröffentlicht. Eine Originalbüchse des Jennerwein hängt in seiner Stube, sogar ein Musical hat er über ihn geschrieben.

Das Lebensthema des Georg Kirner aber ist das Weltenbummeln. Wobei das Wort „bummeln“ den Strapazen nicht gerecht wird, denen sich Kirner in den letzten gut 50 Jahren ausgesetzt hat. Er schleppt einen großen Ordner an, legt ihn auf den Tisch und sagt: „Schau ihn einfach durch, dann können wir darüber sprechen.“ Mit Kirner ist man schnell beim Du. Beim Durchblättern merkt man gleich: Dieser Mann hat einen extremen Antrieb, sich immer wieder auf die Suche zu begeben – nach Urvölkern, nach Fremden, nach Exotischem. Da finden sich dann seine wichtigsten Reisen wie in einer Briefmarkensammlung chronologisch geordnet.

Der erste Härtetest stand an, als er noch ein Baby war

Wie wird man eigentlich Abenteurer? Das ist ja nicht wie beim Buchhalter, Maurer oder Ingenieur, die nach festgelegter Ausbildung am Ende ein Berufszertifikat bekommen. Kirner sitzt in seiner Bauernstube auf einer gemütlichen Eckbank, schmunzelt vergnügt ob dieses Gedankens, die Augen blitzen, und er zeigt auf ein Votivtäfelchen aus dem Jahr 1936, das da hängt.

Denn das erste große Abenteuer hat er praktisch schon kurz nach seiner Geburt erlebt. Das Baby wurde sozusagen einem Härtetest unterzogen, als es getauft werden sollte. Der Pfarrer hatte die Eltern weggeschickt, weil sie nicht verheiratet waren. In Scham versunken, merkten sie auf dem Pferdefuhrwerk nicht, dass das in eine Rossdecke eingewickelte Kind vom Wagen gefallen war. Sie fanden es, blau gefroren, gerade noch rechtzeitig im Schnee. Zum Dank wurde eben dieses Votivtäfelchen gestiftet.

Die Karriere als Abenteurer war Kirner ansonsten nicht vorgezeichnet. Sein Leben begann in ärmlichsten Verhältnissen. Auf der Alm seiner Großmutter im Spitzingsee-Gebiet, wo er aufwuchs, standen seiner Sehnsucht zunächst die Berge im Weg. Und die Großmutter konnte die Fragen nicht beantworten, die ihn beschäftigten: Was liegt hinter den Bergen? Wo fliegen die Vögel im Winter hin?

Einmal kam ein Holzfäller aus Tirol herüber. Wie es denn bei ihm in Tirol aussehe, fragte der kleine Schorsch. Der Holzfäller antwortete: „Ganz genauso wie bei euch.“ Und wie schaut es woanders aus? Der Arbeiter daraufhin: „Das weiß ich nicht genau, aber ich habe gehört, dass es irgendwo in der Wüste Pyramiden geben soll, 100 Meter hoch und 5000 Jahre alt. Und in Italien gibt es eine Stadt, die ins Wasser gebaut ist.“ Von da an wusste Kirner: Er muss hinaus in die Welt.

Wie so oft war es der Zufall, der als Katalysator zum Verwirklichen der Pläne diente. Kirner lernte den Luftfahrt-Unternehmer Ludwig Bölkow kennen. Der verschaffte ihm nicht nur eine kaufmännische Ausbildung, sondern anschließend auch einen Job als Zoll- und Wirtschaftsfachmann. Gleichzeitig gab er ihm Rückendeckung, oft monatelang, um unbezahlten Urlaub nehmen zu können. Der legendäre Ingenieur hatte einen Narren an dem jungen Oberbayern gefressen. „Junge, warum bist du nicht mein Sohn geworden“, soll er gesagt haben.

Als sein Fahrrad gestohlen wurde, kaufte er sich ein Kamel

Seine erste Fahrt führte Kirner über Italien nach Afrika. Das war 1960, und er war 24. Mit 250 Mark in der Tasche, dem Fahrrad seines Vaters und einem Rucksack voller Träume machte er sich auf den Weg. Jetzt sah er alles, was er immer hatte sehen wollen: Venedig und seine Kanäle, die Pyramiden in Ägypten. Und er machte sich einen gewieften Pragmatismus zu eigen. Als ihm sein Rad gestohlen wurde, kaufte er sich kurzerhand ein Kamel und schloss sich einer Beduinenkarawane an. Zwischendurch verdiente er sich mit Hilfsarbeiten Geld. Zu Fuß ging es weiter bis zum Kilimandscharo und zum kleinwüchsigen Volk der Pygmäen. Eine heftige Malaria setzte seinem Reisedrang ein Ende – aber nur vorläufig.

Alle Fahrten aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Bei der Frage, was seine prägendste Expedition war, muss Kirner nicht lange überlegen: „Tibet“, sagt er und streicht sich ein wenig versonnen über das strubbelige Kinn. 14 Mal war er inzwischen dort. Im indischen Dharamsala, am Fuße des Himalaja, lebte er mal drei Monate im Kloster des Dalai Lama. Etwa 5000 Tibeter sind dort zu Hause, genauer gesagt, an einem bis auf 2000 Meter aufragenden Bergrücken, der sich über die hauptsächlich von Indern bewohnte Stadt in der Ebene erhebt. „Glauben Sie, dass ich wiedergeboren werde?“, fragte Kirner den Dalai Lama. Der antwortete: „Genieße einfach dieses Leben, es könnte schon dein letztes sein!“

Das nahm sich der Bayer zu Herzen. Vor allem die Urvölker interessierten den Hobby-Ethnologen. So kam er auch 1984 in die Wüste Thar in Vorderindien. Es gibt ein Foto, das ihn in bayerischer Tracht mit Einheimischen zeigt. Georg Kirner sagt, dass er oft in Lederhose in ferne Länder gereist sei, weil sie in unwirtlicher Umgebung schlichtweg pflegeleicht ist.

Der Abenteurer besuchte auch Baummenschen in Neuguinea. Die Insel auf der anderen Seite der Erdkugel war selbst im 20. Jahrhundert noch voller Geheimnisse. Erst 1933 drangen Weiße ins Hochland vor und sahen, dass dort Menschen leben. Und zwar hunderttausende. Die Welt hatte sie vergessen. Und Kannibalismus gehörte zum Alltag.

Auch dort stürzte Kirner mit dem Flugzeug ab. „Nur aufgrund des Waldes unter uns sind wir nicht direkt auf den Boden gestürzt, sondern wurden von den Baumgipfeln abgefangen“, sagt er. Als der Flieger doch auf den Boden knallte, sei er erst wieder zu sich gekommen, als seine Beine unter dem Wrack der Maschine eingeklemmt waren. Ureinwohner entdeckten die Verunglückten. „Sie hatten anscheinend gesehen, dass dieser Göttervogel auf die Erde gekracht ist.“

Einer dieser Männer schob dem Nichtraucher aus Oberbayern eine Art selbstgedrehte Zigarette aus Urwaldblättern in den Mund. Gestenreich forderte er den Fremden auf, dieses Ding zu rauchen. Kirner schaut einen an, als erwarte er eine Antwort. Dann klärt er selbst auf: „Und was war? Das war ein Narkotikum! Auf einmal hatte ich nämlich keine Schmerzen mehr. Sie brachten mich dann auf einem ein oder zwei Tage langen Fußmarsch zu sich in den Kral, wo sie mich gepflegt und wiederhergestellt haben.“

Er könnte hunderte Geschichten erzählen. Die vom Inkadorf in Peru, das er entdeckt hat, die von der Fahrradfahrt allein durch Russland oder die von seinem Studium der Kaffeekultur im Jemen. Zu den Höhepunkten gehörten natürlich auch die Expeditionen an den Nord- und Südpol. „Ich bin der älteste Mensch der Welt, der den Nord- und den Südpol zu Fuß erreicht hat.“ Mit 67, stellt er nicht ohne Stolz fest.

Da war er schon 67: Georg Kirner im Jahr 2003 am Südpol - bei etwa minus 50 Grad, wie der Oberbayer erzählt.
Foto: Georg Kirner

Viele haben den Globetrotter einfach nicht ernst genommen

Eine andere Geschichte handelt von seinem Vorhaben, die Ausrüstung vor der Forschungsfahrt in die Kälte auf ihre Tauglichkeit zu testen. „Ich habe in München in der Großmarkthalle angerufen und gefragt, ob sie einen Raum hätten, in dem es ungefähr 60 Grad minus hat.“ Der Mann am anderen Ende meinte dann: „Ja, so was haben wir selbstverständlich. Ich kann Ihnen für das Fleisch auch ein Sonderangebot machen.“ Worauf Kirner erwiderte: „Nein, nein, ich will da nichts kaufen, ich will da übernachten.“ Worauf der Mann von der Großmarkthalle belustigt meinte: „Da sind Sie aber bei uns komplett falsch. In Haar, draußen in der Nervenheilanstalt, haben sie günstige Zimmer für Sie. Dort nimmt man gerne Leute auf, die bei 60 Grad minus übernachten wollen.“

Wie so oft in seinem Leben hatte man den Globetrotter zunächst nicht ernst genommen. Letztlich konnte er sich aber doch durchsetzen und einige Nächte im Kühlraum verbringen. „Ich bin jeden Abend mit dem Rad zur Großmarkthalle gefahren, weil ich den Tagesbetrieb nicht stören wollte“, erzählt er.

Sage und schreibe 40000 Kilometer hat Kirner allein mit dem Fahrrad in unwegsamsten Gegenden zurückgelegt. Sandstürme, Raubüberfälle, Entführungen und Mordanschläge hielten ihn nicht davon ab, immer wieder seinen Jugendtraum aufs Neue zu verwirklichen. Ein Großteil der abgelegenen Paradiese, die er bereist hat, existiert nicht mehr. Der Fortschritt und seine Folgen haben die jahrhundertelang unberührten Lebensräume zerstört. Bei solchen Gedanken wird der ansonsten so lebenslustige Mann auf einmal ganz nachdenklich.

Alles in allem ist der Kirner Schorsch einer, der mit sich im Reinen ist. „Am Ende möchte ich nicht auf ein Leben zurückblicken, das voller Versäumnisse war“, lautet seit jeher sein Credo. Das muss er sich nun wirklich nicht vorwerfen. Kirner hat fast die ganze Welt gesehen. Auf Expeditionen will er künftig verzichten, er will sich nicht mehr den Strapazen aussetzen. „Die großen Sachen sind vorbei“, sagt er und fügt schmunzelnd hinzu: „Am schönsten ist es sowieso in Bayern.“

Wenn einer wie er das sagt, dann könnte da etwas dran sein.

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