Special Olympics: Gemeinsam gegeneinander
Bei den Special Olympics für Menschen mit geistiger Behinderung geht es um mehr als den sportlichen Erfolg. Der Allgäuer Anton Schuster war als Radrennfahrer dabei.
Wenn Joachim Schuster seinen Sohn Anton sieht, wie er sich in seinem gelben Nylondress auf sein Rennrad schwingt, kann er es kaum glauben, wie schnell die Zeit vergangen ist. Zehn Jahre ist es mittlerweile her, seit Schuster seinem Kind das Radfahren beigebracht hat. Dass Anton jetzt bei den Special Olympics teilnimmt, dass er selbstständig zur Arbeit radelt, zu Schafkopfrunden ins Vereinsheim geht – nein, das habe er sich vor zehn Jahren niemals träumen lassen. Denn Anton ist schwer geistig behindert. Als er anfing, Fahrrad zu fahren, war der heute 23-Jährige schon ein Teenager.
Zwei Rennen hat Anton bereits hinter sich. „Silber und Bronze habe ich gewonnen“, erzählt er und hält die beiden Medaillen hoch. Er steht zwischen den Pavillons entlang der Radstrecke, einem eigenen kleinen olympischen Dorf. Und wie bei den Olympischen Spielen gibt es auch ein Feuer, das zuvor quer durch ganz Deutschland getragen wurde. Anton lächelt. Er freut sich. In einer Stunde beginnt sein letztes Rennen über zehn Kilometer.
Anton ist gut vorbereitet. Seit neun Jahren geht er jede Woche ins Training des Mindelheimer Velo Clubs. Dort gibt es ein spezielles Programm für behinderte Rennfahrer. „Der Velo Club ist der einzige Verein in Bayern, der vereinsintern die Teilnahme an den Special Olympics anbietet“, sagt Abteilungsleiter Josef Hämmerle. Diskriminierung gebe es nicht. „Die Behinderten nehmen an Sitzungen teil oder treffen sich am Abend mit den anderen Sportlern ohne Behinderung zum Kartenspielen“, sagt Hämmerle.
Vergangenes Jahr haben sich weitere Behinderte der Unterallgäuer Werkstätten angeschlossen. Bei den Special Olympics treten jetzt sechs Radrennfahrer aus dem Allgäu an. „Wir wünschen uns, dass sie so ein Stück Normalität gewinnen“, sagt Werkstattleiter Richard Hack. Es gehe nicht um Leistung, sondern um Integration. Der Sport sei gut für Anton, sagt sein Vater. „Er hat tolle Fortschritte gemacht und auf dem Rad kann er seinen großen Bewegungsdrang ausleben.“
Ein selbstverständlicher Teil der olympischen Familie
Vor den Pavillons haben sich inzwischen mehr Sportler eingefunden, aus Lautsprechern dröhnt Musik. Anton läuft zu den anderen Radfahrern hinüber, singt und tanzt gemeinsam mit Athleten und Betreuern in der warmen Frühlingssonne. In solchen Momenten merkt man, dass es um mehr geht als um den Sport, um mehr als Pokale und Medaillen. Es geht um das gemeinsame Erleben, Menschen mit und ohne Behinderung genießen zusammen die Zeit. Das ist es, was die Veranstalter wollten: „Das Ziel, inklusive Spiele durchzuführen, haben wir erreicht. Wir haben gezeigt, dass Menschen mit geistiger Behinderung ein selbstverständlicher Teil der olympischen Familie sind“, sagt Hans-Jürgen Schulke, Präsident des Organisationskomitees gestern bei der Abschlussveranstaltung. Das Motto „Dabei sein ist alles“ bedeutet hier noch etwas.
Anton setzt seinen Helm auf, schiebt sein schwarz-orange-farbenes Rad zur Startposition. Die Fahrer starten im Abstand von 30 Sekunden, wer am Ende die schnellste Zeit hat, gewinnt. Ob er nervös sei? Nein. „Der Einzige, der aufgeregt ist, bin ich“, sagt sein Vater. „Hoffentlich geht alles gut.“ Anton tritt in die Pedale, verschwindet hinter der ersten Kurve. Nach 14 Minuten und 12 Sekunden kommt er ins Ziel. Anton ist überglücklich, fällt seinem Vater in die Arme. Und das, obwohl er sein Ergebnis noch gar nicht kennt. Kurze Zeit später bekommt er seine Medaille – es ist die goldene. "Kommentar
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