"Zwölf Stämme": Jetzt geht das Theater von vorne los
Sektenmitglieder der „Zwölf Stämme“ schicken ihre Kinder wieder nicht in den Unterricht. Sie kritisieren die Zustände in den öffentlichen Schulen. Die Behörden warten ab.
Was die Eltern der umstrittenen Glaubensgemeinschaft „Zwölf Stämme“ ihren Kindern beibringen wollen, schreiben sie selbst in einer Pressemitteilung: „erstens, ihren Schöpfer mit ganzem Herzen und ganzer Seele zu lieben und zweitens, ihren Nächsten so zu lieben wie sich selbst“. Das öffentliche Schulsystem, so heißt es weiter, sei nicht fähig, die Kinder auf das „Königreich Gottes vorzubereiten“.
Die Sektenmitglieder wissen um den Verstoß gegen die Schulpflicht
Und deshalb geht das ganze Theater jetzt wieder von vorne los. Noch während etliche Eltern der Sekte bei den Familiengerichten in Nördlingen und Ansbach um das Sorgerecht für ihre Kinder kämpfen, haben Sektenmitglieder ihre Kinder wieder nicht zur Schule geschickt. Das ist ein Verstoß gegen die in Deutschland herrschende Schulpflicht. Und die Sektenmitglieder wissen das.
Das Pikante daran ist: Es geht um Kinder, die erst kürzlich zu ihren Eltern zurückdurften, bestätigte das Landratsamt Donau-Ries auf Anfrage. Im September vergangenen Jahres holten Jugendamt und Polizei in einem Großeinsatz 40 Kinder vom Gelände der Glaubensgemeinschaft aus Klosterzimmern bei Nördlingen. Seit längerem war bekannt, dass die Sekte körperliche Züchtigung, also Schläge, als legitimes Erziehungsmittel ansieht. Ein RTL-Reporter hatte mit versteckter Kamera dokumentiert, wie Mitglieder der „Zwölf Stämme“ Kinder mit einer Rute schlagen.
Die Verfahren laufen seit Monaten
Die Kinder wurden in Heimen und bei Pflegeeltern untergebracht, das Sorgerecht den Eltern vorläufig entzogen. Seit Monaten laufen die Verfahren. Einige Kinder wurden den Eltern wieder zurückgegeben bis zur endgültigen Entscheidung der Gerichte. Insgesamt handelt es sich um fünf Kinder.
Und just diese Kinder sollen erneut von der Weigerung der Eltern betroffen sein. Die Sekte behauptet: Die Kinder „haben seitdem in den Heimen und den ihnen zugeordneten Schulen Gewalt, Mobbing, Drogen- und Nikotinmissbrauch und sexuelle Freizügigkeit erfahren und dabei sehr unter den bestehenden Gruppenzwängen in den öffentlichen Schulen leiden müssen“.
Die Sekte sieht sich also bestätigt in ihrer Ablehnung öffentlicher Schulen. „Unsere Kinder weiter diesen weltlichen Einflüssen auszusetzen, hieße sie gleichsam den Götzen zu opfern und sie zu zerstören ...“, heißt es weiter in der Begründung. Und: „Das ist der Grund, warum unsere Kindern in den öffentlichen Schulen von heute an fehlen!“
Diese Haltung der urchristlichen Sekte ist nicht neu. Seit mehr als zehn Jahren wehren sich die „Zwölf Stämme“ gegen die Schulpflicht. 2004 versuchten die Behörden sogar, die Schulpflicht mit Erzwingungshaft für die Eltern durchzusetzen. 2006 wurde der Sekte allerdings die Genehmigung für eine eigene Schule erteilt. Eine private Ergänzungsschule – ein Sonderweg. Im vergangenen Jahr zog das Kultusministerium diese Erlaubnis aber wieder zurück.
Auf die neuen Verstöße gegen die Schulpflicht will das Landratsamt Donau-Ries zunächst nicht reagieren, sagt Vize-Landrat Reinhold Bittner. „Wir wollen erst einmal abwarten, bis die Sorgerechtsverfahren in Nördlingen und Ansbach abgeschlossen sind.“
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