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Clickworker: Klicken für Geld: Wie Nebenjobber für große Unternehmen arbeiten

Clickworker

Klicken für Geld: Wie Nebenjobber für große Unternehmen arbeiten

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    Egal, wo und wann: Clickworker können ihren Job flexibel gestalten. Sie werden von Unternehmen bezahlt, die Kleintexte brauchen. Die Bezahlung ist schlecht.
    Egal, wo und wann: Clickworker können ihren Job flexibel gestalten. Sie werden von Unternehmen bezahlt, die Kleintexte brauchen. Die Bezahlung ist schlecht. Foto: Daniel Naupold, dpa

    Sandra schrieb Blogbeiträge über Cafés – ohne darin je einen Kaffee getrunken zu haben. Und sie verfasste Produktbeschreibungen für Handtaschen, die sie nie in Händen hielt. Auch große deutsche Versandhändler waren unter ihren Auftraggebern. Sandra (der richtige Name ist der Redaktion bekannt) war eine sogenannte Clickworkerin. Heute sieht sie diesen Job kritisch. Clickworker werden von Unternehmen für kleine Dienstleistungen bezahlt, die sich über das Internet erledigen lassen. Dadurch können Routineaufgaben auf eine große Menge solcher Akkordarbeiter verteilt werden, weshalb man auch von Crowdworkern spricht. Unter diesem Begriff fasst man aber auch selbstständige Programmierer und Designer zusammen, die umfangreichere Tätigkeiten erledigen. Die Arbeit der Clickworker ist oft kleinteiliger.

    Nebenjobber schreiben Texte für Unternehmen

    Einer der größten Anbieter für Clickworking in der Werbebranche ist Textbroker. Diese Online-Plattform vermittelt Aufträge von Unternehmen, die auf der Suche nach Texten für ihre Webseiten sind. Dafür greift die Plattform auf tausende registrierter Autoren zurück, die für den Auftraggeber zum Beispiel Blogbeiträge oder Produktbeschreibungen anfertigen. Sandra hat rund drei Jahre als Clickworkerin für Textbroker gearbeitet. Sie studiert Germanistik und Philosophie in Stuttgart. „Ich habe versucht, mit dem Nebenjob als Texterin Geld zu verdienen. Aber für den Zeitaufwand war die Bezahlung zu gering.“

    Über 40 Prozent der Clickworker sind Studenten. Sie verdienen im Schnitt rund 144 Euro pro Monat und arbeiten dafür knapp 30 Stunden – macht einen Stundenlohn von 4,80 Euro. Das geht aus einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung hervor. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales versucht derzeit in Studien herauszufinden, wie viele Crowdworker in Deutschland arbeiten. „Als Zwischenstand rechnen wir damit, dass rund ein Prozent der Erwerbstätigen Crowdworker sind. Das entspricht etwa 446000 Personen“, so eine Sprecherin des Ministeriums.

    Das Schreiben von Texten gehört schon zu den komplexeren Aufgaben, die Unternehmen an Clickworker wie Sandra auslagern. Die digitalen Arbeiter erledigen auch Mikrojobs, die Computer noch nicht eigenständig ausführen können und für die nur ein paar Mausklicks notwendig sind. So ordnen Clickworker beispielsweise Fotos und Videos geeigneten Schlagworten zu, damit sie von Suchmaschinen gefunden werden können. Oder sie recherchieren Adressen, Öffnungszeiten und Preise und bekommen ein paar Cent für jede Auskunft.

    Etwa drei Prozent der Unternehmen in der Informationswirtschaft setzen Clickworker ein. Das ergab eine repräsentative Unternehmensbefragung, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung im vergangenen Jahr durchgeführt hat. Im Vergleich zu 2014 hat sich der Anteil dieser neuen Arbeitsform kaum verändert.

    Kein Mindestlohn für Clickworking

    Die größten Hemmnisse sehen Unternehmen darin, dass firmeninternes Wissen öffentlich werde und die Qualität der Arbeit nur schwer kontrolliert werden könne. Ein Mittel der Qualitätssicherung sind digitale Rangabzeichen. Auf Basis einer Arbeitsprobe zeichnet der Vermittler den Clickworker mit Sternen aus. Mit drei Sternen verdiente Sandra unter einem Cent pro Wort. Daher reichte sie eine neue Arbeitsprobe ein und wurde mit vier Sternen bewertet und verdiente knapp über einen Cent pro Wort.

    Was ist davon zu halten? „Clickworking bringt gesellschaftliche Risiken mit sich. Durch diese neue Form der Arbeit werden die langjährig erarbeiteten Errungenschaften der Sozialpolitik ausgehöhlt“, meint Christian Papsdorf. Der Professor für Techniksoziologie erforscht an der Technischen Universität Chemnitz den Wandel der Arbeitsgesellschaft. Offiziell sind Clickworker selbstständig. Daher zahlen sie weder in die gesetzliche Rentenversicherung noch in Kranken- und Sozialversicherungen ein. Auch einen Anspruch auf Mindestlohn haben sie nicht.

    Um sich einen Stundenlohn in Höhe des Mindestlohns von 8,84 Euro zu verdienen, müsste Sandra 884 Wörter pro Stunde schreiben. Alle vier Sekunden ein Wort. „Im Laufe der Zeit wird man zwar immer schneller, aber auf einen vernünftigen Stundenlohn zu kommen, ist im Grunde nicht möglich“, meint die Studentin. „Wer richtig gut ist und sich den fünften Stern erarbeitet, kann auch drei oder vier Cent pro Wort verdienen“, meint Sandra. Persönlich kennt sie keinen Kollegen, der die höchste Lohnstufe erreicht hätte.

    Dass sich Clickworker zusammenschließen, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, befürwortet Professor Papsdorf. „Zusätzlich bedarf es sozialstaatlicher Leitplanken, um diese Veränderung in geordnete Bahnen zu lenken“, regt er an. Viele Clickworker seien entsprechend ihrer Qualifikation zwar unterbezahlt. Verteufeln möchte Papsdorf das Arbeitsmodell aber nicht. Er sieht in anspruchsvolleren Aufträgen die Chance eines niedrigschwelligen Einstiegs in eine Branche und die Möglichkeit, erste Referenzen zu sammeln.

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