Zu Tode geprügelt: Der Fall eines Rockstars
Rockstar Bertrand Cantat prügelte 2003 seine Geliebte zu Tode. Jetzt ist der Jim Morrison Frankreichs endgültig frei, aber ein gebrochener Mann. Von Birgit Holzer
Vier heftige Ohrfeigen haben in einer Julinacht 2003 in einem Hotel in Vilnius nicht nur das Leben der französischen Schauspielerin Marie Trintignant beendet. Sie erschütterten ganz Frankreich, die Film- und Musikszene, Feministinnen und auch Politiker.
Der damalige Präsident Jaques Chirac beklagte bei Trintignants Beerdigung auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise die "Ungerechtigkeit eines so brutalen Schicksalsschlags".
Und nicht zuletzt haben die tödlichen Schläge von der Hand ihres Geliebten Bertrand Cantat dessen eigenes Leben zerstört. Ein litauisches Gericht verurteilte ihn 2004 wegen Totschlags zu acht Jahren Haft. Wegen guter Führung saß er nur knapp die Hälfte ab; für einen Teil der Restzeit erhielt er Auflagen, etwa die, nichts, was mit Trintignants Tod zu tun haben könnte, in einem Lied oder Video zu verarbeiten. Nun, gut sechs Jahre nach dem Urteil, ist Cantat, 46, endgültig ein freier Mann - aber ein gebrochener.
Längst verblasst ist auch der Mythos des Frontmanns der Rockgruppe "Noir Désir" ("Schwarze Sehnsucht"), obwohl die Band noch immer existiert. Cantat wurde einst als "französischer Jim Morrison" verehrt. Ein genialer Musiker mit einem großen Gefühl für Literatur und Poesie, der aber vor allem in seiner Jugendzeit schwierige Jahre durchlebte mit Depressionen und einem Suizidversuch.
Dann trat Marie Trintignant in sein Leben. Die beiden hielten sich wegen ihrer Dreharbeiten zum Film "Colette" in Litauen auf. Die Tochter des berühmten Schauspielers Jean-Louis Trintignant galt als unabhängig, mysteriös und leichtlebig. Von drei verschiedenen Männern hatte sie vier Söhne. Der zwei Jahre jüngere Cantat soll sich unsterblich in die Brünette mit dem melancholischen Blick und der rauen Stimme verliebt haben. Seine Frau, die Ungarin Kristina Rady, hatte gerade von ihrem zweiten gemeinsamen Kind entbunden, als er sie für Trintignant verließ.
Fortan bildeten sie ein glamouröses Paar, die schöne Schauspielerin und der rebellische Sänger mit dem Jungengesicht. Cantats "Noir Désir" feierte große Erfolge. Die Lieder gegen Rechtsextremismus, Krieg und Globalisierung spiegelten das Lebensgefühl einer politisierten Generation im Dauerprotest wider. Cantat konsumierte Drogen und Alkohol, Bekannte beschreiben ihn als sanft und introvertiert.
Ein Bild, das nicht zu der Gewalt in jener verhängnisvollen Nacht passt. Das Paar hatte mit Maries Künstlerfreunden gefeiert und getrunken. Zurück im Hotel, soll eine zärtliche SMS-Nachricht von ihrem Ex-Mann einen heftigen Streit ausgelöst haben. Cantat schlug seine Freundin so brutal, dass sie stürzte und ins Koma fiel. Er schleppte die Bewusstlose ins Bett und holte erst am nächsten Morgen Hilfe. Doch trotz zweier Notoperationen war es zu spät. Am 1. August starb die 41-Jährige. Cantat überlebte einen weiteren Selbstmordversuch.
Vor Gericht erschien er tief bedrückt, beteuerte seine ewige Liebe zu Marie. Dennoch ging er später gegen ihre Mutter juristisch vor, die ihn öffentlich als Mörder ihrer Tochter bezeichnete. Noch während der Haft, in der Cantat ein Philosophie-Studium begann, näherten sich er und seine Ex-Frau Kristina Rady wieder an. Nach seiner Freilassung im Oktober 2007 zog er zu ihr und den beiden Kindern. Im Januar diesen Jahres folgte ein weiterer Schlag: Rady, die unter Depressionen litt, nahm sich das Leben.
Seine wieder gewonnene Freiheit dürfte einen bitteren Geschmack für Cantat haben. Die Rede ist von neuen musikalischen Projekten seiner Band. Ihr Stern aber ist gefallen, gemeinsam mit Bertrand Cantat. Birgit Holzer
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