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Zwölf Stämme
06.09.2015

Ausverkauf einer Sekte

Ausverkauf einer Sekte: Die Zwölf Stämme verlassen das Land. Und verhökern ihren Besitz auf einem eigenen Flohmarkt.
Foto: Marcus Merk

Viele Jahre haben die Zwölf Stämme die ganze Region in Atem gehalten. Nun verlässt die urchristliche Sekte das Land. Und verhökert ihren Besitz auf einem eigenen Flohmarkt.

Das Klavier ist ein Schnäppchen. Die besten Tage hat es hinter sich, Holz und Tasten sind ein wenig vergilbt. Dafür sind sie aus Elfenbein, und der Klang des Instruments ist immer noch top. „300 Euro“, sagt der Verkäufer, ein junger Mann mit Vollbart. Bei dem Preis kann man nicht meckern. Auf Flohmärkten erwischt man ab und an solche Angebote, und das hier ist schließlich ein Flohmarkt, wenn auch kein gewöhnlicher. Die Zwölf Stämme richten ihn aus, und der junge Mann ist ein Mitglied der Sekte. Sie hat hier in Klosterzimmern bei Nördlingen ihren Sitz. Und verhökert jetzt ihr Inventar.

Die kleine Kirche dient als Verkaufsraum. Sie ist mit Musikinstrumenten vollgestellt: Banjos, Gitarren, Akkordeons, das Klavier. Daneben liegen Gegenstände aus einer vergangenen Zeit. Eine alte „Olympia“-Schreibmaschine. Telefone mit Wählscheibe. So was ist in hippen Kreisen wieder angesagt, aber darum geht es der Sekte natürlich nicht. Sie räumt einfach nur aus, weil sie weg will. Weg aus Klosterzimmern, weg aus Deutschland.

Immer wieder war die Gemeinschaft in Konflikt mit dem Staat geraten. Meist ging es um die Schulpflicht. Die Zwölf Stämme lehnen diese ab. Zuletzt eskalierte der Konflikt aber wegen etwas anderem. Ein RTL-Reporter hatte sich bei der Sekte eingeschleust und heimlich gefilmt, wie Mütter ihre Kinder mit Ruten schlugen. Daraufhin rückte ein Großaufgebot an Polizisten und Mitarbeitern des Jugendamtes an und nahm alle Kinder mit.

Flohmarkt der Zwölf Stämme am Wochenende.
Foto: Marcus Merk

Das war im September 2013. Immer noch sind nicht alle Sorgerechtsverfahren abgeschlossen, sie dauern und dauern. Viele Kinder sind aber per Beschluss wieder bei den Eltern, bei den Zwölf Stämmen. Andere bleiben hingegen in Pflegefamilien oder Heimen.

Nun zieht es die Sekte nach Tschechien. Ein Land, in dem sie ihren Glauben so ausleben kann, wie sie es will, sagen Mitglieder. In Deutschland gehe das nicht. Das war freilich schon länger klar.

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Klosterzimmern ist ein idyllischer Ort, ein ehemaliges Kloster der Zisterzienserinnen. In der Mitte des Dorfes steht die putzige gotische Kirche, daneben sind Wohnhäuser, alte Stadel und ein Hofladen, in dem die Zwölf Stämme Gemüse und Brot verkaufen. Drum herum ist nicht viel. Nach Nördlingen fährt man zehn Minuten mit dem Auto, zur nächsten etwas größeren Stadt Aalen braucht man schon 45 Minuten.

Im Jahr 2000 erwarb ein Ehepaar aus Bremen das Gut für 1,8 Millionen Mark. Es kaufte Klosterzimmern für eine Glaubensgemeinschaft mit dem Namen „Bienenstock“, die in Deutschland noch einen Standort in Stödtlen hatte, südlich von Dinkelsbühl. In Klosterzimmern zogen die Gruppen zusammen. Der Bienenstock gehörte zu den Zwölf Stämmen. Sie wollen leben wie die ersten Jünger der Urkirche, erklärten die Mitglieder damals der skeptischen Bevölkerung im Ries. Es hörte sich alles etwas seltsam an, doch der Bürgermeister von Stödtlen beschwichtigte. Er bedauere, dass die Gemeinschaft den Ort verlasse, denn sie sei beliebt gewesen, es brauche sich niemand Sorgen zu machen. Wir hatten nur wenig Ärger miteinander, also wird das bei euch wohl auch so sein – das war der Tenor. Von wegen.

Die Zwölf Stämme beschreiben sich selbst als friedliche Gemeinschaft, die untereinander alles teile, was sie habe. Ihr Zusammenleben sei nicht von „einer Ansammlung von Regeln und Vorschriften bestimmt“, heißt es auf ihrer Homepage, sondern von Liebe. Die Mitglieder tragen lange Haare und wallende Gewänder und erinnern optisch ein wenig an eine Mischung aus der ersten Generation der Grünen und der Amish People. Schon 2000, als die Gemeinschaft nach Klosterzimmern zog, äußerten viele Menschen Bedenken, ob diese harmlose Fassade alles ist, was die Zwölf Stämme ausmacht. Auf einer Info-Veranstaltung in Nördlingen kochte die Stimmung hoch. „Woher leiten Sie den Anspruch ab, Ihre Kinder selbst zu unterrichten?“, schleuderte jemand den Mitgliedern der Zwölf Stämme entgegen. „Besitzen Sie dafür überhaupt die nötige Qualifikation?“

Hatten sie nicht. Und doch, trotz aller Konflikte, war die Geschichte der Sekte in Klosterzimmern nicht die eines ununterbrochenen Streites. Im Ries hielten viele Menschen die Gemeinschaft lange für eine Ansammlung harmloser Exoten. Zu den jährlichen Hoffesten kamen bis zu 3000 Besucher. Zwischenzeitlich betrieb die Sekte in Nördlingen ein Café, in dem sie Gerichte mit Zutaten aus eigenem Anbau anbot. Es lief gut. Noch heute findet man im Internet Bewertungen zu dem Café, eine beginnt mit den Worten: „Jammie, jammie, jammie!“

Die Zwölf Stämme wollen weg aus Deutschland - und verkauften am Wochenende ihr Inventar.
Foto: Marcus Merk

Das Café ist lange schon dicht, doch während des Flohmarktes am Sonntag in Klosterzimmern verkaufen die Zwölf Stämme auch warme Mahlzeiten. Johann und Helga Schütz, ein Ehepaar um die 60, hat sich die Kürbissuppe bestellt und findet sie lecker. Sie könne nachvollziehen, dass die Zwölf Stämme das Land verlassen, sagt Helga Schütz. Die Züchtigungen lehne sie ab. Doch wie man mit den Leuten hier umgehe, sei nicht fair. Wann immer sie Klosterzimmern besucht habe, habe sie fröhliche Kinder erlebt. Viele Unterstützer in der Region haben die Zwölf Stämme allerdings nicht mehr. Auch der Flohmarkt ist nur spärlich besucht, trotz der Schnäppchen. Und trotz der Schilder, die seit Wochen im Umkreis auf die Aktion hinweisen. Dabei stellten sich viele Menschen zunächst sogar auf die Seite der Sekte, als diese das erste Mal so richtig mit den Behörden in Konflikt geriet.

Zwölf Stämme hatten immer wieder Ärger mit der Justiz

Die Zwölf Stämme haben den Rechtsstaat an seine Grenzen geführt. Die Gemeinschaft lehnt es ab, ihre Kinder in öffentliche Schulen zu schicken, weil dort die Evolutionstheorie und Sexualkunde unterrichtet werden. Im Oktober 2002 rückten etwa 50 Polizisten an. Sie holten die schulpflichtigen Kinder ab. Die verschanzten sich in der Kirche, krallten sich an ihren Vätern und Müttern fest. Es waren dramatische Bilder: Eltern, die von Beamten im Klammergriff gehalten wurden. Polizisten, die weinende Kinder in Busse zerrten. Als die Kinder schließlich in der Schule waren, weigerten sie sich, am Unterricht teilzunehmen, und gingen einfach wieder nach Hause.

Wiederholt wurde die Aktion nie. Stefan Rößle war 2002 gerade Landrat im Kreis Donau-Ries geworden, die Zwölf Stämme waren seine erste echte Herausforderung im neuen Amt. Der Streit mit der Sekte hat ihn begleitet, seit er den Job macht. Es sei nicht machbar gewesen, die Schulpflicht dauerhaft durchzusetzen, sagt er heute. Die Polizei hätte jeden Tag nach Klosterzimmern fahren und alle Kinder auf dem weitläufigen Gelände suchen und mitnehmen müssen, ihr ganzes Schulleben lang. 2006 erhielten die Zwölf Stämme schließlich vom Kultusministerium die Genehmigung für eine „Ergänzungsschule“ auf dem Gut, die sie mit eigenen, aber staatlich geprüften Lehrern betreiben durften. Es war eine Weile vergleichsweise ruhig. Die Gemeinschaft wuchs auf etwa 140 Mitglieder. Sie wurde zu groß für Klosterzimmern und machte in Wörnitz im Landkreis Ansbach einen weiteren Standort auf.

Kritische Stimmen aber gab es immer. Aussteiger erzählten, die Sekte würde den Willen ihrer Kinder systematisch brechen. Sie berichteten von einer Gehirnwäsche im Namen der Bibel. Von rassistischen Unterrichtsinhalten und einem gnadenlosen, streng hierarchischen und patriarchalischen Straf- und Kontrollregime. Davon, dass Kinder geschlagen würden.

Einer dieser Aussteiger war Robert Pleyer. Er kam als junger Mann zu den Zwölf Stämmen und war fast 20 Jahre Mitglied der Gemeinschaft. 2011 schaffte er den Absprung. Seine Kinder nahm er mit. Seine damalige Frau blieb. Heute sagt Pleyer, er sei überhaupt nicht überrascht, dass es die Sekte nach Tschechien zieht. „Sie werden sich nicht ändern und den deutschen Gesetzen anpassen“, sagt er. „Sondern sich einen Platz suchen, an dem sie ihre Kinder weiter schlagen können.“ Für Mitglieder, die aussteigen wollen, werde es in Tschechien noch schwieriger. Denn dort beherrschten sie ja nicht einmal die Landessprache.

Nachdem 2013 auch auf Video festgehalten wurde, dass die Zwölf Stämme ihre Kinder mit Ruten schlagen, nahmen die Behörden nicht nur die Kinder heraus, die auf den Videos zu sehen waren, sondern alle Mädchen und Jungen der Gemeinschaft. Sie nahmen zudem auch erst einmal Kinder mit, die nicht zu den Zwölf Stämmen gehörten, sondern nur zu Gast waren. Von den 28 Kindern aus Klosterzimmern sind derzeit nur noch neun in Pflegefamilien oder Heimen – und damit noch in Deutschland, während einige Eltern bereits umgezogen sind.

Trotz allem will sich bis heute kein Behördenvertreter zu der Aussage durchringen, dass die Maßnahme damals möglicherweise übertrieben war. Er habe ein absolut gutes Gewissen, sagt etwa Landrat Rößle. „Wir haben schnell und verantwortungsbewusst gehandelt.“ Viele Punkte seien später in den Verfahren anders gewertet worden. Aber zum damaligen Zeitpunkt sei es die richtige Entscheidung gewesen. „Stellen Sie sich vor, wir hätten nicht gehandelt, und zugeschaut, wie die ihre Kinder schlagen.“ Das wäre doch nicht gegangen. Die Zwölf Stämme bestreiten gar nicht, dass systematische Schläge mit einer Rute zum Erziehungskonzept der Gemeinschaft gehören. Das, sagen sie, seien Züchtigungen, keine Misshandlungen.

Als ließe sich das genau trennen. In Tschechien ist es, anders als in Deutschland, nicht komplett verboten, Kinder körperlich zu bestrafen. Und Kinder zu Hause unterrichten, das geht dort auch. Darum zieht die Sekte nun um, und darum verscherbelt sie ihren Besitz. Einen Renault Espace für 4100 Euro. Geschirr, Möbel, Gewächshäuser. Alles muss raus, auch wenn wohl noch nicht feststeht, wann die Gemeinschaft genau geht und an wen sie das Gelände verkauft.

Ein Mitglied der Zwölf Stämme steht beim Flohmarkt etwas abseits von den Verkaufstischen. Er redet von seinem Glauben und davon, dass eines Tages jeder vorm Weltgericht stehe. Und dann sagt er, dass er davon ausgehe, dass sich die Gesetze in Deutschland irgendwann änderten. Dann komme man wieder. Ein wenig klingt es wie eine Drohung.

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