Bloß keine Panik
Politik paradox: Trotz der Schlappe an der Saar ist Parteichef Rösler mit sich im Reinen.
Berlin „Das Amt macht mir nach wie vor noch Freude.“ Entweder ist Philipp Rösler ein liberaler Masochist – oder ein unerschütterlicher Optimist. Obwohl die FDP im Saarland gerade auf ein historisches Tief von 1,2 Prozent gefallen ist und viele Freidemokraten den Glauben an ihren Vorsitzenden schon verloren haben, macht der noch immer gute Miene zum bösen Spiel. Er sei, sagt Rösler am Tag danach, mit sich „vollkommen im Reinen“. Und was seine Arbeit als Parteichef angeht: Die, beteuert er, gedenke er auch weiterhin „erfolgreich“ auszuüben.
Erfolgreich? Bei allen vier Landtagswahlen in seiner kurzen Amtszeit sind die Liberalen vom Wähler abgestraft worden – und je häufiger Rösler Ergebnisse wie das vom Sonntag kommentieren muss, umso ratloser klingt er auch. Diesmal verweist der Vizekanzler auf die schwierige Vorgeschichte mit den vielen Fehden in der Landespartei, auf die Kürze der Zeit nach dem plötzlichen Ende der Jamaika-Koalition oder auf die spezielle Rolle des Saarlandes, das ja nicht nur räumlich weit weg sei von Berlin. Es sind die üblichen Floskeln, mit denen Politiker Niederlagen zu erklären versuchen, und die üblichen Durchhalteparolen, die diesen Erklärungen dann folgen: Ruhe, Gelassenheit, bloß keine Panik. Was man eben so sagt, wenn einem das Wasser politisch bis zum Hals steht.
Als Philipp Rösler im April vergangenen Jahres die Nachfolge von Guido Westerwelle antrat, war die Hoffnung auf einen Neuanfang groß in der FDP – nicht nur im Ton, sondern auch im Stil. Mittlerweile jedoch ist der Vertrauensvorschuss, der Rösler bisher getragen hat, aufgebraucht. Sollte die FDP im Mai auch noch in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen aus den Landtagen fliegen, dürfte der 38-Jährige nicht mehr zu halten sein. Die potenziellen Nachfolger jedenfalls werden schon gehandelt: Fraktionschef Rainer Brüderle vor allem, aber auch Entwicklungsminister Dirk Niebel. Sogar beim früheren Parteivize Andreas Pinkwart hat ein prominenter Liberaler Ende vergangenen Jahres schon angefragt, ob er im Falle eines Falles denn zur Verfügung stünde. Der heutige Rektor der Leipziger Handelshochschule ist ein Mann aus der Zeit, als die FDP noch von Erfolg zu Erfolg eilte. Fünf Jahre war er Forschungsminister in Düsseldorf.
Selbst die Familienpartei schnitt am Ende besser ab
Gemessen an den Ergebnissen der letzten Wahlen allerdings klingen viele Spitzenliberale noch bemerkenswert unaufgeregt. „Ich rate uns allen, jetzt die Nerven zu bewahren“, sagt Gesundheitsminister Daniel Bahr. Rösler selbst tröstet sich damit, dass die Resonanz bei seinen Wahlkampfterminen an der Saar so schlecht nun auch wieder nicht gewesen sei – was allerdings in krassem Kontrast zum tatsächlichen Ergebnis der Wahl steht. Da schnitt die FDP nur um knapp 300 Stimmen besser ab als die rechtsextreme NPD, selbst die weitgehend unbekannte Familienpartei erhielt noch einen halben Prozentpunkt mehr.
Entsprechend laut werden nun die Rufe, die Liberalen müssten sich auch in der Bundespolitik stärker von der Union abgrenzen – und das keineswegs nur im Streit um das Speichern von Daten auf Vorrat, der allmählich zu eskalieren droht. Jörg-Uwe Hahn, der hessische Landesvorsitzende, plädiert ganz generell für „präzise und scharf formulierte Aussagen“ – eine Politik, die die Kanzlerin bekanntermaßen nicht sonderlich schätzt. Die beteuert zwar, die Zusammenarbeit von Union und FDP in der Bundespolitik sei auch durch die jüngste Schlappe der Liberalen nicht gefährdet. Konfliktthemen für eine Partei, die sich profilieren will, gibt es allerdings auch in Berlin genug: die Rentenreform von Sozialministerin Ursula von der Leyen, das von der CSU durchgesetzte Betreuungsgeld, die für 2013 versprochenen Steuerentlastungen, die wie Blei im Bundesrat liegen, die unpopuläre Praxisgebühr, die die Liberalen gerne abschaffen würden.
Auf der Habenseite von Philipp Rösler steht bisher lediglich der Triumph bei der Nominierung von Joachim Gauck. Gemessen allerdings wird der junge Wirtschaftsminister nach wie vor an einem Versprechen, das ihn seit seiner Wahl vor einem Jahr verfolgt: „Ab heute wird die FDP liefern.“
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