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Menschenrechte
28.05.2011

Die vergessenen Gefangenen

Amnesty International (AI) glaubt an die Macht der Öffentlichkeit. Dazu zählt sie Aktionen wie diese im Jahr 2008. Da demonstrierte die Organisation vor der US-Botschaft in London gegen das Gefangenenlager Guantanamo. Auf der Brust des Mannes ist der Aufdruck einer Kerze umgeben von Stacheldraht – das AI-Logo.
Foto: Felipe Trueba, dpa

Für Amnesty International setzen sich weltweit drei Millionen Menschen ein. Die Organisation hat viel für politisch Verfolgte erreicht. Ein Besuch bei Aktivisten in Kaufbeuren.

Der Raum ist spärlich möbliert. Es gibt nur wenig, an dem das Auge hängen bleibt: ein Klavier in der Ecke, an der Wand aus Holz geschnitzt eine Heiligenfigur. Braune Vorhänge flankieren ein Fenster, das den Blick auf den Kirchplatz von St. Martin freigibt. Ansonsten: Stühle. Ein Tisch. Und auf dem Tisch ein Brief. Um den geht es heute Abend.

Es ist kurz nach 20 Uhr und die, die ihn geschrieben haben, diskutieren. Es sind sechs Frauen und zwei Männer. Man müsse mal wieder etwas machen, heißt es. Dabei haben sie schon so viel gemacht. In den vergangenen Monaten haben sie das Schreiben an Freunde und Bekannte verteilt, es in Buchhandlungen ausgelegt und an Ärzte und Pfarrer geschickt mit der Bitte, den Brief weiterzuleiten. Der Empfänger war immer der Gleiche: Seine Exzellenz Sadegh Ardeshir Larijani, Oberste Justizautorität der Islamischen Republik Iran.

Heute, nach all den Monaten, überlegt die Kaufbeurer Gruppe von Amnesty International, wie die Sache weiterlaufen soll. Denn Ayatollah Boroujerdi sitzt noch immer in iranischer Haft. Und die Oberste Justizautorität zeigt sich von all den Briefen unbeeindruckt.

Die Jugendgruppe hält sich nicht mehr lange

In der Gruppe sind zu viele zu lange dabei, als dass man sich davon entmutigen lässt. Da ist die Grundschullehrerin Anita Folter, 43, eine kleine Frau mit langen braunen Haaren, die mit viel Sorgfalt ein Ledermäppchen vor sich auf den Tisch platziert hat. Oder Ute Jonas, 71, der man ihr Alter nicht ansieht und die etwas später gekommen ist, weil sie noch auf einer Mahnwache war. Und schließlich ihr Ehemann, Rüdiger Jonas, Tierarzt im Ruhestand, groß gewachsen und hager, ein „eifriger Zeitungsleser“, wie er selber sagt, und „schon immer an Menschenrechten interessiert“.

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Eines wird schnell klar: Es gibt mehr Alte als Junge. Und für die, die da sind, kommt offenbar wenig nach. Die Jugendgruppe sei gerade am Eingehen, räumt Rüdiger Jonas ein. Wobei sich an dieser Stelle trefflich streiten ließe, ob zwei Personen überhaupt noch eine Gruppe sind.

Etwas undurchsichtiger als beim Alter ist es beim Thema Politik. „Tendenziell“, sagt Jonas, sei bei Amnesty mehr Rot und Grün als Schwarz und Gelb vertreten. Aber verbindlich könne man das schwer sagen. Zumal erst letztens bei einer Aktion auch zwei von der Jungen Union dabei waren. Trotzdem: Mit der Politik, das ist so eine Sache. Vor ein paar Jahren, erzählt Rüdiger Jonas, habe man den damaligen Bundestagsabgeordneten Kurt Rossmanith zu Gast gehabt, CSU-Mann aus dem Wahlkreis und kurzzeitig auch mal Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Das Thema war „Deutsche Rüstungsexporte“ – und der Abend „eine Katastrophe“. Der 72-Jährige schmunzelt: „Da war einfach kein Einsehen da.“

Wenn man für Menschenrechte kämpft, ist Beharrlichkeit so etwas wie eine Grundvoraussetzung. Wer bei Amnesty ist, sagt Jonas, der wisse, dass man viel Geduld braucht. Wie im Fall Ayatollah Boroujerdi. Die Organisation hat herausgefunden, dass der iranische Geistliche im Gefängnis sitzt, weil er sich für die Trennung von Staat und Religion ausgesprochen hat. Seit seiner Festnahme soll er mehrfach misshandelt und gefoltert, im Schlaf mit kaltem Wasser überschüttet und nackt fotografiert worden sein.

Seit einem Jahr setzt sich die Kaufbeurer Gruppe nun für Boroujerdis Freilassung ein, verfasst Briefe und versucht andere für ihre Sache zu gewinnen. Aber bislang, stellt Anita Folter klar, habe es noch keine Reaktion gegeben.

Bei Amnesty International glaubt man seit 50 Jahren an die Macht der Öffentlichkeit. Am Anfang steht ein Trinkspruch. Zwei Studenten stoßen in einem Café in Lissabon auf die Freiheit an – und werden zu sieben Jahren Haft verurteilt. Die Diktatur im Portugal der 60er Jahre duldet keine Kritik. Als der Londoner Anwalt Peter Benenson von dem Unrecht erfährt, schreibt er an die britische Zeitung The Observer. Der Artikel erscheint am 28. Mai 1961. Der Titel lautet: Die vergessenen Gefangenen. Es ist die Geburtsstunde von Amnesty International.

Benenson fordert die Leser auf, sich in Briefen an die Regierung gegen das Unrecht einzusetzen. 30 große Zeitungen in mehreren Ländern drucken den Artikel nach. Schließlich beschließt man, die eigentlich auf ein Jahr festgelegte Kampagne in eine Organisation zu verwandeln. Bis zum Ende des Jahres gibt es Gruppen unter anderem in Westdeutschland, Australien und den USA.

Heute ist Amnesty International mit rund drei Millionen Mitgliedern in mehr als 150 Ländern vertreten. Das Grundprinzip ist geblieben: Möglichst viele Menschen schreiben möglichst viele Briefe an die Verletzer von Menschenrechten – so lange, bis sich etwas ändert. Die Botschaft ist eindeutig: Die Welt beobachtet euch.

Zweimal ist ein Adoptivgefangener der Kaufbeurer Gruppe bisher freigekommen. In den 80ern ein Student aus Benin und Ende der 90er ein Radiojournalist aus Peru. An den Studenten erinnert man sich hier gerne. „Es war unser erster Gefangener überhaupt“, sagt Rüdiger Jonas. „Wir hatten zwar nie die Gewissheit, dass die Freilassung letztendlich unser Erfolg war. Aber wir haben uns so gefühlt.“

Erfolg. Auch das ist so eine Sache. Organisiert die Gruppe einen Stand auf dem Wochenmarkt, hat sie am Abend im besten Fall eine Liste mit Unterschriften. Geht sie in eine Schulklasse, kann sie junge Menschen aus erster Hand über die Bedeutung der Menschenrechte aufklären. Bei den Briefen ist das schwieriger. Da kann im Prinzip niemand mit Gewissheit sagen, ob sie ihr Adressat überhaupt zu Gesicht bekommt.

Was gegen diese Ungewissheit hilft, ist Überzeugung. Auch Wolfgang Grenz ist so ein Überzeugter. Wenn man ihn fragt, warum er zu Amnesty International gegangen ist, dann erzählt er die Geschichte von der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien. Von der Kampagne gegen die Militärjunta, dem Flugblatt mit dem Aufdruck „Fußball ja – Folter nein“ und dem Echo, das bis in die Reporterkabinen der europäischen Fernsehsender drang. Die überzeugende und geradlinige Art, die Dinge anzupacken, habe ihn beeindruckt, sagt der 64-Jährige.

Wolfgang Grenz hat bei Amnesty Karriere gemacht und es bis zum stellvertretenden Generalsekretär gebracht. Momentan trägt er die Verantwortung für die gut 110000 deutschen Mitglieder und die rund 13 Millionen Euro Budget. Monika Lüke, die eigentliche Chefin, ist in Mutterschutz.

Grenz erzählt von der 30-Prozent-Erfolgsquote bei Eilaktionen. Sprich: Bei jedem dritten Gefangenen lassen sich durch eine schnelle Briefkampagne in der ersten Zeit nach der Inhaftierung Haftbedingungen verbessern, eine Freilassung erwirken oder wenigstens die Todesstrafe verhindern. Überhaupt, die Todesstrafe: „Als Amnesty 1961 ihre Arbeit aufnahm, hatten sie weltweit 19 Staaten abgeschafft“, erzählt Grenz. „Heute sind es 139.“

Trotzdem gebe es keinen Grund, sich auszuruhen. Alte Sorgenkinder sind verschwunden und neue hinzugekommen. Der Kampf gegen den Terror seit dem 11. September 2001 sei vielerorts zulasten der Menschenrechte gegangen, findet der Jurist. Aber dennoch, in vielen Ländern höre man mittlerweile auf Amnesty International. Aus naiven Aktivisten, wie es früher noch oft von Spöttern hieß, sagt Grenz, sei eine kompetente Fachinstanz geworden.

2001 hat Amnesty ihren Aufgabenbereich erweitert. Seither fühlt sich die Organisation nicht nur für die Einhaltung der bürgerlichen und politischen Menschenrechte verantwortlich, sondern steht auch für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Belange ein.

Nicht bei jedem in und außerhalb der Organisation kam der Schritt gut an. Manche sagen, Amnesty verkomme zu einem „Gemischtwarenladen“ und vernachlässige ihre traditionellen Themen. Grenz sagt, Menschenrechte seien nicht teilbar. „Wenn jemand keinen Zugang zum Rechtsstaat hat, weil ihm finanzielle Mittel oder Bildung fehlen, ist das nicht gerecht.“

Kampagnen über Kampagnen

Rüdiger Jonas sieht das im Prinzip genauso. Trotzdem, sagt er, sei die Arbeit seither schwieriger geworden. Es gibt Kampagnen zur Müttersterblichkeit in Burkina Faso, Kampagnen gegen Polizeigewalt in Deutschland und gegen eine Aluminiumoxid-Raffinerie im indischen Dongria Kondh. Ferner Kampagnen für einen besseren Flüchtlingsschutz, für Wohnen in Würde und für sichere Mädchenschulen weltweit. „Die Diskussion ist schon da, dass man sich zu viel aufs Kreuz geladen hat“, sagt Jonas.

Es ist kurz nach 21 Uhr und die Gruppe ist gedanklich wieder im Iran. Reinhold, der ältere Herr mit grauem Bart und grauem Haar, berichtet von einer Studienreise dorthin. Es geht um Gerechtigkeit, die Scharia und das, was der Reiseführer sonst noch so erzählt hat. Und unweigerlich geht es dann auch um die junge Frau, der ein iranisches Gericht kürzlich das Recht zusprach, die Augen ihres Peinigers zu verätzen. Auge um Auge.

Reinhold schüttelt den Kopf. Mit den vielen jungen Menschen, die dort leben, könne das nicht mehr lange so weitergehen, sagt er. „Bald wird da was passieren.“ In der Runde tauschen sie zweifelnde Blicke aus. „Das heißt es doch schon lange“, sagt einer. Ayatollah Boroujerdi weiß das nur zu gut.

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