Kretschmann: "Eins ist sicher: Ich mache hier nicht den Wowereit"
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann findet die Ungewissheit über den Weiterbau des Bahnprojekts S 21 "schwer erträglich". Die Bahn betont dessen Chancen.
Stuttgart 21 vor dem Aus? Für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist die Ungewissheit über den Weiterbau des Bahnprojekts Stuttgart 21 "schwer erträglich". Das sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Wenn sich der Aufsichtsrat des Konzerns zur Übernahme der Mehrkosten in Milliardenhöhe durch die Bahn entscheide und damit grünes Licht für den Weiterbau gebe, "verlange ich eine klare und unmissverständliche Erklärung, dass die Durchfinanzierung des Projekts unter allen Umständen von dem Bauherren, der Bahn, sichergestellt ist".
Winfried Kretschmann: "Ich mache hier nicht den Wowereit"
Der bundeseigene Konzern hatte im Dezember mitgeteilt, dass sich der Finanzierungsrahmen für das Bauvorhaben um 1,1 Milliarden Euro auf 5,6 Milliarden Euro erhöhe. Die Mehrkosten will die Bahn stemmen. Hinzu kämen Risiken von 1,2 Milliarden Euro, für die das Unternehmen nicht die Verantwortung übernehmen will. Der Termin der nächsten regulären Aufsichtsratssitzung, bei der über die Übernahme der Mehrkosten entschieden werden soll, ist noch unbekannt.
Kretschmann will der Hängepartie nicht tatenlos zusehen. "Eins ist sicher: Ich mache hier nicht den Wowereit und ich werde nicht sehenden Auges in ein Debakel schlittern", sagte Kretschmann der Zeitung. Damit griff er die Wortwahl von Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) in Anspielung auf den Hauptstadtflughafen und den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), auf. Wowereit hatte wegen gravierender Baumängel den Posten des Aufsichtsratschefs bei der Flughafen-Betreibergesellschaft abgegeben.
Bahn betont Chancen von S 21
Die Bahn will den Blick derweil wieder auf die Chancen des Projekts lenken und nicht nur die Risiken sehen. Baden-Württemberg sei ein Land, das seit Jahrzehnten nicht davon lebe, den Status quo zu zementieren, sondern vielmehr von seinem Ruf, die Welt durch Innovation und Ingenieurkunst zu bereichern, sagte Projektsprecher Wolfgang Dietrich am Samstag laut einer Mitteilung. Dies müsse auch und gerade durch Großprojekte wie Stuttgart 21 sichtbar werden, um die Spitzenposition des Landes auch in Zukunft zu halten.
IHK-Chef warnt vor einem Scheitern - und kritisiert die Bahn
Auch der IHK-Chef der Region Stuttgart, Georg Fichtner, warnt vor einem Scheitern des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21. Ein Aus wäre ein großer Schaden für Land und Region, erklärte der Unternehmer. "Die Wirtschaft ist auf einen leistungsfähigen Bahnknoten, gute Erreichbarkeit und moderne Logistik angewiesen. Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg sind eng mit diesem Projekt verknüpft."
Gleichzeitig kritisierte er die Deutsche Bahn. "Die Bahn muss künftig alles tun, den skizzierten Kostenrahmen einzuhalten, der im Dezember dem Bahnaufsichtsrat vorgelegt wurde und dazu endlich ihre Hausaufgaben machen." (dpa, lsw, AZ)
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