Es passiert mitten unter uns. Es wird geschlagen, gedemütigt, herabgewürdigt. Die Opfer: Frauen. Die Partnerin, die Ehefrau, die Tochter. Fünfzig Frauen erleiden jeden Tag in Bayern häusliche Gewalt. Fast jede Woche wird eine Frau von ihrem (Ex-) Partner ermordet. 44 Femizide gab es im Jahr 2023 allein in Bayern, berichtete das Bayerische Innenministerium auf Anfrage der SPD. „Das dürfen wir nicht mehr länger hinnehmen!“, sagte Kristina Kolb-Djoka. Die Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Aichach hat zum Internationalen Frauentag eine Veranstaltung zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ in Aichach organisiert. Ihr Hauptanliegen: Betroffenen Frauen einen Weg aufzuzeigen, wo sie Hilfe bekommen.
Gemeinsam mit Birgit Reisinger vom Frauenhaus Augsburg und Marie-Jeanette Gillmann von der Beratungsstelle „Via – Wege aus der Gewalt“ möchte Kolb-Djoka an diesem Samstag im Foyer des Awo-Heims vor etwa 30 Zuhörern aufklären. Denn Gewalt gegen Frauen existiert – manchmal sogar direkt nebenan. Und häufig ist es nicht das blaue Auge, was auffällt. Birgit Reisinger vom Frauenhaus weiß: „Das Schlimme ist die psychische Gewalt – nicht sichtbar, lautlos und dennoch höchst bedrohlich.“

Die betroffenen Frauen leiden häufig jahrelang im Stillen, bevor sie sich öffnen. „Hier setzen wir an“, sagt Gillmann von Via. Als Anlauf-, Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher und sexualisierter Gewalt bietet sie mit ihren Kolleginnen ein niederschwelliges Hilfsangebot. „Wir sind rund um die Uhr da“, betont sie. „Jede kann sich an uns wenden. Jederzeit. Auch telefonisch und anonym!“ 500 Frauen haben letztes Jahr bei Gillmann Hilfe gesucht. An die 1000 Beratungsgespräche haben sie und ihre Kolleginnen geführt. Der Bedarf ist groß.
Frauenhaus und Via sind für den Landkreis Aichach-Friedberg zuständig
Die Beratungsstelle und das Frauenhaus sind sowohl für Stadt und Landkreis Augsburg als auch für die Landkreise Aichach-Friedberg und Landsberg am Lech zuständig. „Besonders schwierig ist es für Frauen, die eine Einwanderungsgeschichte haben oder nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis.“ Die Hürden, sich Hilfe zu holen, seien für sie ungleich höher. „Darf ich in Deutschland bleiben, wenn ich mich trenne? Wovon soll ich leben?“ Es sind Fragen, die die Existenz betreffen. „Wichtig ist uns, dass die Frauen sich Hilfe holen. Sprachbarrieren gibt es für uns nicht“, betont Gillmann. „Das Wesentliche verstehen wir!“
Eindringlich erzählt Birgit Reisinger von einer jungen Frau, der die Zwangsverheiratung drohte. „Sie hat sich an die Schule gewandt und um Hilfe gebeten. Ein unglaublich mutiger Schritt. Die Frau lebt mittlerweile außerhalb Augsburgs in einem Frauenhaus, da ein Leben in Augsburg zu gefährlich wäre.“ Die Kooperation der Frauenhäuser untereinander gewährleistet landkreisübergreifenden Schutz.
Die Auslastung im Frauenhaus liegt bei 95 Prozent
57 Frauen und 70 Kinder lebten im Jahr 2023 im Augsburger Frauenhaus. „Unsere Auslastung liegt bei 95 Prozent“, berichtet Reisinger. Zwischen 18 und 70 Jahre alt sind die Frauen, die hier wohnen. „Gewalt betrifft alle Schichten und jedes Alter“, ergänzt sie. „Die Frauen leben in eigenen Appartements. Haben eine eigene Küche und ein eigenes Bad. Sie führen ein komplett eigenständiges Leben – an einer anonymen Adresse!“ Der Schutz der Frauen und ihrer Kinder ist überlebenswichtig. „Wir gewährleisten die Anonymität. Post geht zentral an unsere bekannte Adresse,“ so Reisinger. „Das funktioniert sehr gut.“
Die Unterstützung von Frauen und Kindern ist in dieser Situation besonders wichtig. Die gesundheitlichen Folgen - körperliche wie seelische – bleiben oft ein Leben lang. Von Selbstverletzungen, Traumatisierungen, Suchterkrankungen und Schlafstörungen berichtet Reisinger. Ein besonderes Augenmerk gilt den Kindern. „Manche sind still, manche sehr auffällig. Therapien helfen hier – und auch der Austausch der Kinder untereinander. Sie unterstützen sich gegenseitig“, erläutert Reisinger.
Hier finden Frauen Hilfe
- Anlauf- und Beratungsstelle via - Wege aus der Gewalt: Am Katzenstadel 32, 86152 Augsburg, Telefon 0821/45033910 (Telefonische Beratung rund um die Uhr), E-Mail: via@awo-augsburg.de, Internet: www.awo-augsburg.de.
- Frauenhaus Augsburg: Schutz, Unterkunft und Beratung, Telefon 0821/650874010 (Beratung rund um die Uhr), E-Mail: frauenhaus@awo-augsburg.de. Spenden sind willkommen.
Auch bei der Suche nach einer neuen Wohnung, bei finanziellen oder juristischen Fragen helfen die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses. „Wir würden uns wünschen, dass es an Schulen und Vereinen mehr Aufklärung zum Thema häusliche Gewalt gibt,“ so Reisinger. „Wir möchten Kinder stärken – sie auffordern, mutig zu sein und zu sagen, wenn etwas nicht stimmt!“
Auch „Cyber-Stalking“ ist ein Problem
Physische Gewalt, psychische Gewalt, emotionale Gewalt - Gewalt hat viele Gesichter. Es geht um Macht und Kontrolle. „Cyber-Stalking ist zum Beispiel ein weiteres Problem,“ so Kolb-Djoka. Hierbei installieren die Täter sogenannte Spionage-Software auf den Smartphones der Opfer. Nicht nur Chat-Nachrichten können so gelesen werden. Auch der genaue Standort des Opfers wird an den Computer des Täters übermittelt. Für die betroffenen Frauen ist nicht zu erkennen, dass sie ausspioniert werden. Fatal, wenn der Täter gewalttätig ist.
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