Plötzlich sind die Bilder wieder da. Feuerwehrmann Andreas Müller war am ersten Juniwochenende bei dem katastrophalen Hochwasser im Landkreis Augsburg im Einsatz, als er plötzlich seine eigene Familie vor dem herbei stürzenden Wasser retten musste. „Ich habe meine Kinder über den Gartenzaun gehoben“, berichtet er nun, fast auf den Tag genau ein Jahr später, im Diedorfer Feuerwehrhaus der bayerischen Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze. „Eigentlich habe ich da lange nicht mehr dran gedacht.“ Und dann, eines Tages, kamen die Bilder doch, haben Andreas Müller regelrecht überfallen. Ähnlich erlebte es Tobias Braunmiller, wie Andreas Müller in der Interessengemeinschaft Hochwasserschutz engagiert. Auch er musste sich plötzlich beim Hochwasser um die eigene Familie kümmern. Seit ein paar Monaten sind die vier Braunmillers zurück in ihrem Haus, aber auch er sagt: „Bei starkem Regen kommt die Angst zurück.“

Die Erinnerung, die Angst, das mulmige Gefühl - wie jeder und jede der Feuerwehrleute aus Diedorf und Anhausen damit umgehen, daran können Katharina Schulze und Landtagsabgeordneter Max Deisenhofer nur indirekt etwas ändern, nämlich durch den politischen Einsatz für den Hochwasserschutz. Und genau da möchten sie ansetzen, auch wenn die Fraktionsvorsitzende weiß: „Hochwasserschutz ist nicht sexy. Aber wir müssen uns bewusst sein: Wir leben in der Klimakrise“ und Vorsorge vor einem erneuten Hochwasser, das sei auch finanziell gesehen am Ende ein Vorteil für alle. Denn lieber sollte das Geld in vorausschauende Projekte investiert werden, statt allein in den Aufbau von durch Hochwasser beschädigten Häusern.
Überlaufbecken in Siefenwang soll Ende 2026 fertig sein
Was hat sich also im Landkreis Augsburg im vergangenen Jahr getan? Zum Vorzeigeprojekt könnte sich das Rückhaltebecken in Siefenwang bei Dinkelscherben entwickeln. Völlig verfahren war die Situation praktisch über Jahrzehnte hinweg; fast schien es, das Becken könnte überhaupt nicht mehr gebaut werden. Doch nach dem Hochwasser vom Juni 2024 kam wieder Bewegung in die Sache. Endlich konnten die notwendigen Grundstücke getauscht werden. Ende März war Spatenstich, schon Ende 2026 sollen dort auf 136 Hektar 1,25 Millionen Kubikmeter Wasser eingestaut werden können. Etwa 300 Dinkelscherbener und 160 Haushalte in Zusmarshausen könnten dann geschützt werden.
Und auch an anderer Stelle tut sich etwas. In Fischach, wo Schmutter und Neufnach zusammentreffen, ist nach Auskunft von Oliver Chmiel vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth geplant, das bereits bestehende Hochwasserschutzkonzept durch vertiefte ingenieurtechnische Betrachtungen zu aktualisieren. Auch in Nordendorf laufen Planungen für den Hochwasserschutz. Ende des Jahres soll die Genehmigungsplanung vorliegen. Zudem treffen sich die Anliegergemeinden der Schmutter inzwischen regelmäßig, um an einer gemeinsamen Strategie zu arbeiten. In Diedorf selbst ist das zweite große Schutzbecken am Lettenbach inzwischen einsatzbereit, auch wenn Bürgermeister Peter Högg hofft, es gar nicht brauchen - weil eben kein Hochwasser mehr kommt.

Doch ist das wahrscheinlich? Besser sollte man vorbereitet sein, finden die Feuerwehrleute aus Diedorf und Anhausen und weitere Katastrophenhelfer, die sich am Freitag in Diedorf mit den Grünen-Politikern und Politikerinnen getroffen haben. Schutz kann übrigens nicht nur durch Bauwerke, sondern auch durch digitalen Fortschritt geschehen. Schon früh nach der Katastrophe hatte sich Max Deisenhofer für digitale Pegelmessungen eingesetzt. Durch sie kann frühzeitig gewarnt werden, ohne Helfende in Gefahr zu bringen, weil sie zunächst die Pegelmesser selbst anfahren müssen. In Diedorf sollen genau diese digitalen Pegel in der kommenden Woche im Anhauser Bach eingebaut werden, so Bürgermeister Peter Högg.

Solch einem Pegel hätte man im vergangenen Jahr vielleicht gar nicht vertraut. Denn in Minutenschnelle stieg das Wasser am Anhauser Bach auf bislang ungekannte Weise an, nachdem im Oberlauf des Anhauser Bachs bei Burgwalden ein privater Damm gebrochen war, berichteten Feuerwehrleute aus Anhausen von vor einem Jahr. Weil schnell der Rettungsweg zum eigentlich vorgesehenen Notquartier in der Diedorfer Schmuttertalhalle abgeschnitten war, organisierte die Bevölkerung selbst ihr Quartier in der Anhauser Mehrzweckhalle. „Die Unsicherheit von damals, das ist heute noch ein beängstigendes Gefühl“, sagt Peter Ipfelkopfer, Kommandant der Anhauser Feuerwehr.
Immer noch viele Baugehmigungen im Überschwemmungsgebiet
Was ihn noch heute beeindruckt, sei der Zusammenhalt nicht nur der Einsatzkräfte, sondern der gesamten Bevölkerung. Dennoch: „So etwas wie dieses Hochwasser möchte ich auf keinen Fall mehr erleben“, sagt Peter Ipfelkofer. Der Druck könnte jedoch in den kommenden Jahren sogar noch zunehmen. Was Max Deisenhofer nicht fassen kann, ist, dass immer noch viele Bauanträge auch dort genehmigt werden, wo sich das Hochwasser 2024 seinen Weg gesucht hatte. Im Landkreis Augsburg waren das allein 100 Einzelgenehmigungen.
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