
Frühzeitig geimpfte Juristen: Stadt Augsburg zieht Konsequenzen

Plus Die Corona-Impfung von Mitarbeitern einer Kanzlei sorgt für Ärger in Augsburg. Referent Erben nennt sie eine "unsensible" Entscheidung. Wie steht es um die Impfreihenfolge in der Stadt?
Marianne Hinterbrandner ist fassungslos. 48 Mitarbeiter einer Augsburger Anwalts- und Steuerberatungskanzlei wurden in der vergangenen Woche geimpft, während sie bereits vor längerer Zeit versuchte, ein mobiles Impfteam für eine Seniorenwohnanlage zu organisieren - erfolglos. Doch nicht nur bei Hinterbrandner ist die Empörung groß. Viele Augsburger hinterfragen die Impfstrategie der Stadt Augsburg. Wie kann es sein, dass rund 50 Menschen der Priorisierungsgruppe 3 geimpft werden, während zahlreiche Senioren, Lehrer und weitere Zugehörige höherer Gruppen noch auf ihre Immunisierung warten?
Die Nachricht löste am Wochenende so viel Unmut aus, dass die Stadt noch am Samstag mit einer offiziellen Stellungnahme reagierte. Gesundheitsreferent Erben betonte, die Mitarbeiter der Kanzlei zu impfen sei zwar "rechtlich nicht zu beanstanden", aber doch "unsensibel" gewesen. Bei der Bäuerle-Ambulanz, die Impfzentrum und mobile Impfteams koordiniert, bedauerte man das Vorgehen am Sonntag und entschuldigte sich. "Wir haben einfach nach einer pragmatischen Lösung gesucht, um den Impfstoff möglichst zügig zu verimpfen und das mobile Team nicht untätig herumstehen zu lassen", sagt Jan Quak, Geschäftsführer von Bäuerle-Ambulanz.
Mobile Impfteams sind in Augsburg vor allem für Bettlägerige im Einsatz
Das mobile Team war vergangenen Dienstag bei der Kanzlei im Einsatz, um die 48 Mitarbeiter mit dem AstraZeneca-Wirkstoff gegen Covid-19 zu immunisieren. Eigentlich wurden die insgesamt zehn mobilen Teams eingeführt, um bettlägerige und immobile Menschen im Rahmen von Hausbesuchen zu impfen. Zuletzt aber hätten sich dafür zu wenige Impfwillige gemeldet, sagt Stadtdirektor Bernhard Maurmeir. Auch für vergangenen Montag und Dienstag hätten nicht ausreichend Personen aus dieser Gruppe zur Verfügung gestanden, um das mobile Team auszulasten, ergänzt Quak.
Das Impfzentrum sei mit knapp über 1000 Impfungen ausgelastet gewesen, das mobile Impfteam hatte aber noch 50 Impfdosen übrig. Weil es am Ende darauf ankomme, möglichst schnell möglichst viele Menschen mit dem Serum zu versorgen, habe man anhand einer Liste des Gesundheitsreferats dann eben die Kanzlei ausgewählt, so Quak. Diese Entscheidung sei im Nachhinein nicht richtig gewesen. Wer genau den Fehler gemacht hat, blieb aber auch am Sonntag unklar.

Laut Gesundheitsreferent Reiner Erben hatte sich die Anwalts- und Steuerberatungskanzlei per Mail beim Gesundheitsreferat gemeldet und betont, dass ihre Arbeit systemrelevant sei, da Mitarbeiter auch in Altenhilfeeinrichtungen unterwegs seien. "Sie betreuen unter anderem Seniorinnen und Senioren rechtlich und übernehmen Aufgaben wie etwa die Bearbeitung von Überbrückungsgeld für Gewerbetreibende, die unaufschiebbar sind", erklärt Erben. Alle Personen der Kanzlei hätten eine eidesstattliche Erklärung im Sinne der Corona-Impfverordnung abgegeben. Die Kanzlei sei daraufhin in die Prioritätenstufe 3 eingeordnet worden. Bei den mobilen Impfteams hingegen sei man von einer Einstufung in Prio 1 ausgegangen, sagt Quak. Es habe sich dabei offenbar um ein Missverständnis gehandelt. Bäuerle-Ambulanz zieht nun Konsequenzen: Künftig bleibe der Impfstoff in einem solchen Fall im Lager und werde nach der Prioritätenliste der Ständigen Impfkommission im Impfzentrum verabreicht.
Ärger um geimpfte Anwälte: In Augsburg gibt es bislang nicht genügend Impfstoff
Quak sagt jedoch, dass dies schwierig werden könnte. Denn tatsächlich gebe es in Augsburg nicht mehr viele registrierte Bürger der Priorisierungsgruppen 1 und 2, die noch auf eine Impfung warten. In Gruppe 1, also bei Menschen mit der höchsten Priorität, seien es noch 53. In Gruppe 2, der mit hoher Priorität, seien knapp 5800 Menschen zur Impfung gemeldet, aber noch ohne Termin. Danach folge bereits Gruppe 3, Menschen mit erhöhter Priorität also, wie sie auch Mitarbeiter der Rechtspflege und damit die der Steuerkanzlei für sich reklamieren können. Was Bürger ohne Priorität betrifft, seien aktuell knapp 29.300 zur Impfung registriert. Zu wenige für die 300.000-Einwohner-Stadt, weshalb die Verwaltung in Kürze eine eigene Impfkampagne starten möchte.
Ist ausreichend Impfstoff vorhanden, könnten in Augsburg auch Lehrer und Erzieher innerhalb der nächsten sechs Tage "durchgeimpft" werden. Von Gruppenimpfungen durch die mobilen Teams habe die Stadt hier abgesehen, so Stadtdirektor Maurmeir. Grund: Der Impfstoff wird nach Bevölkerungsgröße verteilt, in den Schulen unterrichten aber auch Pädagogen, die ihren Wohnsitz nicht in Augsburg haben. Man habe hier vermeiden wollen, dass sich Augsburger benachteiligt fühlen, wie dies zum Beispiel schon bei der Immunisierung von Angestellten in Kliniken und Pflegeeinrichtungen, die unabhängig vom Wohnsitz erfolgte, der Fall gewesen sei.
Für die kommenden 14 Tage geht Jan Quak davon aus, genügend Impfstoff zur Verfügung zu haben. "Danach könnte auch der von AstraZeneca verspätet geliefert werden, wie man uns bereits avisiert hat."
Lesen Sie dazu den Kommentar von Nicole Prestle: Impfreihenfolge: Entscheidung war nicht unsensibel, sie war falsch
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Warum bekommen denn die 5800 der 2. Priorität keine Impfeinladung? Müssen Impfdosen zurückgehalten werden, um als "übrig gebliebene Dosen" für einschlägige Kreise zur Verfügung zu stehen? Und was ist mit den Menschen der 2. Priorität im Landkreis? Können die übriggebliebenen Dosen nicht dort verimpft werden, oder leben wir wieder im Mittelalter mit Stadtmauern und hochgezogener Zugbrücke? Unsere Veranrwortlichen benehmen sich jedenfalls so. Warum müssen Lehrer wegen ein paar Tagen Untericht bevorzugt geimpft werden? Warum riskiert man den exponentiellen Anstieg, statt mit den Schulöffnungen nach den Osterferien zu beginnen? An die Coronatoten haben sich unsere Politiker-innen offensichtlich gewöhnt, hunderte oder tausende ist auch schon egal.
Man kann's nicht fassen, dass immer wieder bestätigt wird, wie unfähig die Verantwortlichen sind, wenn's ums Impfen geht. Und selbst wenn in einer Schule oder sonstwo Leute arbeiten, die in die Prioritäten-Gruppe passen, aber nicht im Stadtgebiet wohnen - was soll's? Die werden dann wohl in einer Datenbank als geimpft erfasst und gut ist. Es geht um Immunisierung und nicht um den Kreis, in dem jemand wohnt. Also man mag's gar nicht mehr hören, wie dilletantisch hier vorgegangen wird. Was wäre wohl los, wenn mal eine wirklich aggressive und noch ansteckendere Krankheit ausbrechen würde? Gute Nacht Deutschland!
Datenbank?! Wo denken sie hin! Ordner, Register, Fax, ... das Land und seine Verwaltung ist digitales Ödland. Das Staatsministerium für Digitales können Sie getrost in „Ministerium gegen die Schwerkraft“ umbenennen.
Egal welche Ausreden nun zur Hilfe geholt werden - das hat ein sehr starkes "Geschmäckle"!
Im Prinzip geht es für die "normalen" Menschen - eigentlich ums Leben - und da hören die Späßle auf!
Es kommt ja nicht überraschend - und es gibt Listen der impfwillig gemeldeten Bürger.
War man einfach nur zu faul sich die Arbeit zu machen, oder geben die evtl. rückständigen Programme den Tastendruck nicht her?
Da kann man schon im Vorfeld abklären, wer will und kann - und die werden im Fall von - hier so erzählten - "Impfüberschüssen" - angerufen - und los gehts.
Und dann gibt es nichts zu beanstanden und der "Impf-Friede" und die "Impf-Gerechtigkeit" ist gewahrt.
Ich dachte, wir hätten Leute mit Köpfchen in unseren Verwaltungen?
"Ich dachte, wir hätten Leute mit Köpfchen in unseren Verwaltungen?"
Ich möchte ja den Damen und Herren in den Verwaltungen der Stadt nicht zu nahe treten, aber von diesem Glauben, dass hier Menschen mit "Köpfchen" sitzen und intelligente und nachvollziehbare Entscheidungen treffen, habe ich mich schon vor mehreren Monaten verabschiedet.
Am wenigstens ist wohl der Bäuerle-Ambulanz ein Vorwurf zu machen. Und auch kaum der Kanzlei. Ihre Aufgabe besteht darin, sich für die Interessen ihrer Mandanten einzusetzen, und das können sie offenbar, wer mag es ihnen verdenken. Auch wenn es geschmacklos sein mag (übrigens sind sich auch die Anwaltsverbände über die Hochpriorisierung nicht einig). Wir sind gespannt auf den Nachweis, dass alle 48 geimpften Mitarbeiter ihren Wohnsitz in Augsburg haben.
Nein, ein Vorwurf ist dem Gesundheitsamt und damit der Stadtverwaltung zu machen. Dort werden die Entscheidungen getroffen, dort wird koordiniert. Wir leben in einem Rechtsstaat, nicht in einer Bananenrepublik, und das bedeutet, dass sich alle gewissen Regeln unterwerfen, die am Ende justiziabel sind.
Ich bin kaum impfneidisch, ich bin sauer. Ich will besser regiert werden. Ich finde es bodenlos, wie grottig die Digitalisierung für die Schulen läuft, ich kriege es aus erster Hand mit. Nach 9 Monaten wenigstens einen Luftfilter in den Klassenzimmern? Fehlanzeige. Tägliche Tests für die armen Lehrer und Schüler, die da raus müssen? Fehlanzeige. Mebis als Lernplattform? Totalausfall. Lehrer mit stabilen Internetverbindung? Glückssache. Funktionierende Kontaktnachverfolgung in Augsburg? Is nich. Und jetzt bei steigenden Fallzahlen alle Kinder für 5 Tage in den Wechselunterricht schicken, bis dann die Osterferien kommen, was ein Blödsinn. In einem anderen Artikel heißt es, es wurden der Stadt 46 Räumlichkeiten für Schulunterricht angeboten, nur zwei kommen in Frage. Wie kann das sein, wenn das Gesundbleiben die oberste Prio hat? Bei Kanzleien kann die Stadt doch auch unkonventionell.