Der City Club ist nicht wiederzuerkennen. Der von langen Technonächten malträtierte Boden ist mit blauem Teppich bedeckt, Zimmerpflanzen atmen in den Ecken, aus den Boxen klingt in zurückhaltender Lautstärke Alleinunterhaltermusik. Sonnenstrahlen fallen durch die bunten Oberlichter und tupfen das um kleine Tische sitzende Publikum in warmes Licht, fünf Ensemblemitglieder schwänzeln um die Menschen und tupfen Stempel auf den vor ihnen liegenden Bogen. „Peace Out“ heißt der Beitrag des theter-Ensembles zum diesjährigen Friedensfest, ein „Theater-Bingoabend über die Suche nach Ruhe in einer überreizten Welt“.
Müßig zu erwähnen, dass „Peace Out“ wenig mit dem Lieblingsspiel der Generation Ü-80 zu tun hat. Das Ensemble dreht das Spielprinzip auf links, schüttelt es kräftig durch und jagt es in bewährter TikTok-Manier durch einen Algorithmus, allerdings analoger Natur. Die Begriffe auf dem Bingozettel geben Stichworte für Songs, Flüche und Geschichten, kurz und fragmentiert wie ein zufälliger Instagram-Feed. Es geht um Lieblingsorte und Horrorfilme, um Landleben und Ingwershots. Und auch der analoge Algorithmus lernt schnell, dass die Aufmerksamkeitsspanne des Erdbewohners nach der Jahrtausendwende klein ist.
Das theter-Ensemble hat sich gefragt: Was macht uns Spaß?
Diskussionen um Vollkornpasta drohen zu entgleiten, hirnlose Challenges verfolgt man mit der seltsamen Faszination, die sich einstellt, wenn sich Menschen vor aller Augen zum Affen machen, Bingoerfolge an den Tischen werden lautstark bejubelt und betanzt. „Wir haben uns gefragt: Was macht uns Spaß? Wir wollen mit den Leuten aus Augsburg etwas spielen. Wir sind ja im Friedensfest im Block ‚Frieden gestalten‘ - miteinander, füreinander, in einem Raum, alle auf einer Ebene.“ So beschreibt es Regisseurin Larissa Pfau, Gründungsmitglied des theter-Ensembles und mittlerweile festes Ensemblemitglied am Theater Bremen.
Sie personifiziert den Geist des theter-Ensembles als basisdemokratisches Theaterlabor mit Sprungbrett vom Amateurstartblock ins Becken der Professionalität. Und sie beweist die Verbundenheit der Mitglieder mit dem Ensemble, auch wenn sie nicht mehr offiziell Teil davon sind. Seit der monumentalen Inszenierung „Berti Brecht and the Multiverse of Alienation“ wurde es ruhig um theter, plötzlich war das Ensemble mit Kapazitätsgrenzen für neue Stücke konfrontiert, im letzten Jahr musste gar die Sommerproduktion wegen mangelnden Personals auf und hinter der Bühne abgesagt werden. Doch nach einem Vorstandswechsel und einem langwierigen Prozess der strukturellen Neuaufstellung ist der Geist wieder erwacht. „Wir hatten den Plan, uns erst einmal selbst zu organisieren, bevor wir neue Mitglieder aufnehmen, die sonst in chaotische Systeme gefallen wären“, erzählt AJ Hartz, neuer erster Vorstand, „wir haben nun sich selbst organisierende Kreisgruppen, die dann im Zahnradsystem Arbeitsgruppen schaffen. Wir sind ein ganz neuer Vorstand, wir können machen, was wir wollen und können trotzdem noch auf den alten Vorstand für Rat und Hilfe zurückgreifen.“
Im Winter wird es mit neuen Mitgliedern eine neue theter-Produktion geben
Jetzt wird die neue Spielzeit finalisiert, im Winter gibt es mit den neuen Mitgliedern eine Produktion, um den neuen Spirit das erste Mal auf der Bühne zu testen. „Alles fühlt sich neu an, alle haben Lust und Energie, es hat gefehlt, dass ein halbes Jahr gar nichts war.“ Der Spirit ist laut Vanja Pagany zurück. Mit Peace Out meldet sich theter zurück und schenkt dem Bingogewinner eine ominöse Geheimakte über Augsburg. Und dem Rest des Publikums atemlosen Spielspaß mit einem fiesen Ohrwurm als Dreingabe.
Weitere Vorstellungen von „Peace Out“ finden bis 11. Juli statt. Tickets gibt es im Netzt im Ticket-Shop des theter-Ensembles.
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