Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten
Feuilleton regional
Icon Pfeil nach unten

Gedenkkultur: Welche Erinnerung ist in Augsburg sichtbar und welche nicht?

Gedenkkultur

Welche Erinnerung ist in Augsburg sichtbar und welche nicht?

    • |
    Das 1876 errichtete Denkmal zwischen Augsburger Dom und Fronhof.
    Das 1876 errichtete Denkmal zwischen Augsburger Dom und Fronhof. Foto: Ulrich Wagner, Archivbild

    Am Rande des Fronhofs, den die Bayern nach der Eingliederung der Reichsstadt Augsburg als militärischen Aufmarschplatz nutzten, thront ein Kriegerdenkmal. Errichtet 1876 und „gewidmet der Jugend Augsburgs“, erinnert es an den Sieg des Deutschen Reiches über die Franzosen. „Stieg auf mit Macht, aus Kampfes Nacht, das Deutsche Reich, der Sonne gleich“.

    Ein Denkmal wie gemacht für eine Debatte um „Erinnerungsorte und öffentliche Räume“. So lautete der Titel einer Podiumsdiskussion, die im Rahmen der Konferenz „Minorities, their past and their cities“ im Textilmuseum stattfand. „Kann das weg?“, fragte Carmen Reichert, Leiterin des Jüdischen Museums Augsburg und Moderatorin der Diskussionsrunde. Kulturreferent Jürgen Enninger antwortete ausweichend. Erst auf Nachfrage erklärt er diplomatisch: „Ich bin kein Bilderstürmer. Eine Einordnung mit einer Infotafel wäre hier der richtige Ansatz.“ Straßen, Plätze und Gedenkstätten im öffentlichen Raum reproduzierten Erinnerung. 

    Jedes Grab erzählt eine Geschichte

    Mitdiskutantin Marcella Reinhardt, Vorsitzende des Verbandes der Sinti und Roma, sieht für ihre Gruppe und auch für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Lokalgeschichte vieles in Bewegung. Die Gräber der Sinti-Familien auf dem Nordfriedhof, in denen viele Überlebende verschiedener Konzentrationslager ihre letzte Ruhe gefunden haben, stehen unter besonderem Schutz. Jedes Grab erzähle eine Geschichte, so Reinhardt. Seit Februar begehe man die Ruhestätten zusammen mit Augsburger Schülern, um die Erinnerung wachzuhalten.

    Doch was tut man in einer Stadt, in der fast 50 Prozent der Bevölkerung mit Familiengeschichten aus anderen Weltteilen leben? Enninger betont die Bedeutung dieser Geschichten. „Sie müssten erzählt werden, dazu ist es auch wichtig, wer eigentlich darüber entscheidet, was sichtbar wird und was nicht.“ Doch in der Stadt ist auch nach so vielen Jahrzehnten Einwanderung von den kulturellen Gedächtnissen dieser Gruppen nicht viel zu sehen. Festzustellen ist: Das Textilmusuem bemüht sich. Es ist ein Museum gewordener Ort der Einwanderergeschichte Augsburgs, und verschiedene Workshops und Formate sind immer wieder dieser Darstellung gewidmet.

    Im Diskurs der Stadt noch gar nicht angekommen

    Die Podiumsdiskussion jedoch stellte wieder die lokale bio-deutsche Vergangenheit in den Mittelpunkt, wie zum Beispiel das Denkmal im Fronhof und die Ehrungen kritischer Personen durch Straßennamen. Auf dem Podium verweist Felix Belair von der städtischen Fachstelle Erinnerungskultur auf die hierfür gegründete Kommission, die aus ehrenamtlichen Experten der Universität und verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen besteht. Auf Nachfrage erklärt er, Einwanderergruppen seien dort bisher nicht vertreten. Für die viel beschworene Repräsentanz der „migrantischen Communities“ bedeutet dies allerdings, dass die Erinnerungskultur und Traumata anderer großer Opfergruppen wie der Jesiden, Kurden und orientalischen und Pontos-Christen in den kulturellen Debatten der Stadt noch immer nicht angekommen sind. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden