Mit der Familie in Erinnerungen schwelgen, Raclette essen, Geschenke auspacken. Für viele Menschen ist Weihnachten Familienzeit. Für junge Menschen, die im Ausland studieren, ist das anders. Teilweise wohnen sie Tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt. Mal für ein paar Tage nach Hause fliegen? Lohnt sich nicht, ist außerdem viel zu teuer und umweltschädlich. Vier Austauschstudierende in Augsburg sprechen darüber, wie sie sonst Weihnachten in ihrem Land feiern. Und was sie dieses Jahr für Weihnachten planen.
Ana Michelle Ibarra Salcido, 22, aus der Nähe von Guadalajara, Mexiko: "An Weihnachten werde ich per Videoanruf mit meiner Familie telefonieren"

In diesem Jahr werde ich Weihnachten zum ersten Mal ohne meine Familie verbringen. Ich glaube, das wird nicht so einfach werden. Normalerweise feiern wir in Mexiko im Haus meiner Großeltern. Auf beiden Seiten sind die Familien sehr groß: Meine Eltern haben zwölf und 13 Geschwister. An Weihnachten trifft sich immer die ganze Familie – Brüder, Schwestern, Cousinen, Cousins, Nichten, Neffen: alle. Sobald es am 24. Dezember Mitternacht ist, umarmen wir uns und überreichen uns Geschenke. Für mich ist Weihnachten die einzige Zeit im Jahr, in der ich wirklich die ganze Familie sehe.
Die Weihnachtstage sind für mich sehr besonders. Jede Familie bringt ein anderes Essen mit, das wir teilen. Wir hängen mit einer Schnur Piñatas von der Decke. Das sind bunt beklebte Figuren aus Pappmaché, die mit Bonbons, Schokolade und kleinen Überraschungen gefüllt sind. Jemand bekommt die Augen verbunden und schlägt dann mit einem Stock so lange auf die Piñata ein, bis sie platzt und es Süßigkeiten regnet.
Momentan bereite ich mich mental darauf vor, dass es dieses Jahr anders sein wird. Ich werde mit ein paar Freunden aus Mexiko und Brasilien, die auch in Augsburg studieren, Weihnachten feiern. Vielleicht fühlt es sich in der Gruppe zumindest ein bisschen vergleichbar an wie zu Hause – und wir sind dann nicht einsam. Ich denke, Heimweh werde ich trotzdem haben.
Ich bin es gewohnt, an Weihnachten typische mexikanische Gerichte zu essen, zum Beispiel Tamales. Das sind Maisteigtaschen, die mit Fleisch, Gemüse oder Käse gefüllt sind und in Maisblättern gedämpft werden. Es würde schwierig werden, sie hier ähnlich zu kochen. Manche Zutaten gibt es in Augsburg nicht. Aber ich werde mich an das anpassen, was ist. Ich versuche, Weihnachten positiv entgegenzublicken. Schließlich war es meine Entscheidung, für das Auslandsstudium nach Deutschland zu kommen. Und ich bin glücklich hier – für mich ist es das erste Mal in Europa.
In Mexiko trinken wir in der Weihnachtszeit ponche navideño. Das ist ein Punsch mit Hibiskusblüten, Zimt und Rum. Man kann ihn mit Glühwein vergleichen. Glühwein erinnert mich momentan auch an meine Heimat. Ich liebe den Weihnachtsmarkt in Augsburg und wünschte, wir hätten so etwas in Mexiko auch. Als es geschneit hat und ich auf dem Weihnachtsmarkt war, habe ich mich gefühlt wie in einem Film. Es war das erste Mal, dass ich Schnee gesehen habe!
Da wir im Wohnheim keinen Platz haben, um uns in einer größeren Gruppe zu treffen, überlegen wir, für Weihnachten ein Airbnb in Augsburg zu mieten. Dort kochen wir dann zusammen. Ich mag deutsches Essen – vielleicht bereiten wir einfach etwas Deutsches zu. Wir wollen uns auch Kleinigkeiten schenken. Jeder zieht davor einen Zettel, auf dem ein Name steht, und schenkt der Person dann etwas Kleines. In Mexiko machen wir das auch so. Wenn wir Geschenke überreichen, gibt es immer eine Umarmung dazu. Wir haben noch nicht alles genau geplant, was ich aber weiß: An Weihnachten werde ich per Videoanruf mit meiner Familie telefonieren.
Octavio Augusto Greco Gomes de Vasconcelos, 21, aus Belo Horizonte, Brasilien: "Ich werde mein erstes Weihnachten im Winter verbringen"

Weihnachten werde ich mit Austauschstudenten aus Brasilien, Mexiko und anderen Ländern feiern. Ein Freund kommt sogar aus Nigeria. Viele Austauschstudenten aus Europa reisen an Weihnachten in ihre Heimat, also feiern hier hauptsächlich Leute zusammen, die aus Ländern außerhalb Europas kommen. Wir kochen wahrscheinlich gemeinsam verschiedene Gerichte aus unseren Ländern, damit wir auch Neues kennenlernen. Aber wir müssen erst noch alles organisieren. Wir feiern wahrscheinlich im Gemeinschaftsraum des Studentenwohnheims. Wir möchten kleine Geschenke austauschen – "Wichteln" nennt man das auf Deutsch, glaube ich.
In Brasilien bedeutet Weihnachten, mit der Familie zu feiern. Normalerweise gehe ich mit meinen Eltern und meinem Bruder zu meiner Großmutter, der Mutter meines Vaters. Sie und ein paar meiner Tanten kochen Truthahn oder Feijão Tropeiro, das ist ein typisch brasilianisches Bohnengericht mit Fleisch. Aber wir haben kein klassisches Weihnachtsessen. Sie kochen das, worauf sie Lust haben. Das kann von Jahr zu Jahr sehr variieren.
Ich habe eine große Familie – mein Vater hat sieben Geschwister, die natürlich auch ihre Kinder mitbringen. Also sind wir an Weihnachten eine große Gruppe. Wir wichteln und spielen häufig eine Variante, bei der man sich die Geschenke gegenseitig stehlen kann. Das ist jedes Mal sehr lustig.
In Brasilien wird Weihnachten am 25. Dezember gefeiert. Meine Großmutter, bei der wir feiern, ist sehr religiös. Wir essen immer bis kurz vor Mitternacht und um 24 Uhr beten wir dann den Rosenkranz – eine Art Tradition bei uns.
Es ist das erste Mal, dass ich an Weihnachten nicht bei meiner Familie sein werde. Aber ich glaube, das wird mir erst so richtig klar, wenn meine Familie mich an Weihnachten anruft und mir ein Foto nach dem anderen schickt. Weihnachten wird vielleicht eine Zeit sein, in der ich ein bisschen Heimweh habe: Wenn ich sehe, dass meine ganze Familie und meine Freunde eine gute Zeit haben – und ich nicht bei ihnen sein kann. Solche Momente sind immer schwierig. Meine Eltern rufen mich schon jetzt zweimal pro Woche an und sagen mir, wie schade sie es finden, dass ich an Weihnachten nicht da bin (lacht).
Was aber sehr schön ist: Ich werde mein erstes Weihnachten im Winter verbringen, denn in Brasilien ist im Dezember Sommer. Sie hatten dort kürzlich eine Hitzeperiode mit 40 Grad. Und ich habe hier in Augsburg zum ersten Mal Schnee gesehen. Das komplette Gegenteil – verrückt! Ich bin begeistert vom Schnee und von den Weihnachtsmärkten! Leider haben wir in Brasilien keine. Ich möchte auf dem Augsburger Weihnachtsmarkt noch ein paar Geschenke für meine Familie und Freunde kaufen, zum Beispiel diese psychedelischen Zwergen-Figuren. (lacht).
Yeawon Song, 23, aus Seoul, Korea: "In Korea ist Weihnachten nicht so eine große Sache wie hier"

Die Weihnachtsmärkte in Deutschland sind wirklich berühmt – ich möchte unbedingt einige besuchen. In München und Augsburg war ich schon. Jetzt plane ich, noch nach Nürnberg, Dresden und Berlin zu gehen. So kann ich Deutschland noch besser kennenlernen und verschiedene Weihnachts-Vibes einfangen.
Weihnachten ist in Korea nicht so eine große Sache wie hier. Vor allem jüngere Generationen feiern schon, essen zusammen, hören Weinachtschören zu. Aber wir verbringen die Zeit nicht unbedingt mit der Familie. Meinem Eindruck nach machen sich Menschen im Alter meiner Eltern oder Großeltern oft wirklich nichts aus Weihnachten. Für sie ist der 25. Dezember einfach ein Feiertag. Wir haben auch nur an diesem einen Tag frei.
Meine Eltern sind beide katholisch und gehen an Weihnachten in die Kirche. In Korea dauert der Gottesdienst an Weihnachten häufig den ganzen Tag. Ich war auch katholisch und bin früher mit meinen Eltern in die Kirche gegangen. Mittlerweile bin ich aber konfessionslos.
In der Familie schenken wir uns normalerweise nichts, unter Freunden schon mal. Aber Weihnachten ist für uns vor allem eines: Eine gute Möglichkeit, um mal wieder Freunde zu treffen. Häufig zelebrieren wir den Tag als Event. Wir stellen dann Weihnachtsbäume auf. Die meisten Menschen in Korea haben Plastiktannenbäume, aber seit ein paar Jahren kaufen sich immer mehr Leute echt Bäume.
An Weihnachten werde ich mit ein paar koreanischen Freunden in Berlin sein. Wir mieten uns dort ein Airbnb und werden zusammen kochen, nachdem wir uns ein paar Sehenswürdigkeiten angeschaut haben. Die Weihnachtsmärkte sind total schön, aber das Essen und die Getränke sind eben auch sehr teuer.
Ich glaube, Weihnachten wird trotzdem toll, auch wenn ich weder meine Familie noch meine Freunde aus der Heimat um mich habe.
Semin Kim, 22, aus Seoul, Korea: "Wir werden in einem asiatischen Supermarkt Kimchi kaufen und an Weihnachten kochen"

Vor und an Weihnachten werde ich mit Yeawon auf deutsche Weihnachtsmärkte gehen. Ich bin vor allem auf den Weihnachtsmarkt in Lindau gespannt – und auf den Bodensee. Wir haben in Korea nicht so viele große Seen. Auf den Weihnachtsmärkten gibt es einfach so vieles, was ich nicht kannte. Bevor ich nach Augsburg gekommen bin, habe ich zum Beispiel noch nie Glühwein getrunken. Er schmeckt mir sehr! Es war richtig toll, auf den Weihnachtsmarkt in Augsburg zu gehen, als es geschneit hat. In Korea schneit es schon auch, aber so viel Schnee habe ich noch nie gesehen! Und die Holzpyramide mit den Engeln in Augsburg ist richtig schön.
Am 23. Dezember möchten wir auf den Dresdner Weihnachtsmarkt gehen – er soll sehr besonders sein. Und am 24. sind wir dann in Berlin auf verschiedenen Weihnachtsmärkten unterwegs.
Viele Koreaner kommen nur nach Deutschland, um die Weihnachtsmärkte zu sehen. Einige andere Austauschstudenten aus Korea werden sich uns anschließen. Wir werden an Weihnachten also eine kleine Gruppe sein und eine Wohnung mieten.
In Korea essen wir an normalen Tagen meist in Restaurants, aber an Weihnachten bereiten meine Großeltern ein Essen vor. Sie kochen unglaublich gut! Für diesen Tag backen wir auch Kekse – wie in Europa.
Ein typisch koreanisches Gericht ist Kimchi mit gebratenem Reis. Das ist eingelegtes und fermentiertes Gemüse – häufig Chinakohl. Er wird mit Chilipulver gewürzt. Wir werden in einem asiatischen Supermarkt Kimchi kaufen und an Weihnachten kochen.
Für mich ist es wirklich in Ordnung, an Weihnachten nicht bei meiner Familie zu sein. Es ist das erste Mal, dass ich für längere Zeit von zu Hause weg bin. Ich glaube, ich werde es sehr genießen, die Weihnachtstage mit Freunden zu verbringen, viel Neues zu sehen – und mich auch ein bisschen von der Uni zu erholen.